Auf dem Weg zu einem Neuen Generationenvertrag: Ein Abend für Ältere und Weise

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Der erste von drei Diskussionsabenden zum Thema Generationengerechtigkeit

Die Frage nach Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Generationen ist hochaktuell und geht weit über die gegenwärtige Diskussion einer gerechten Rentenpolitik hinaus: Wie nutzen wir die Chancen des demografischen Wandels, ohne die Zukunft zu verspielen? Wie wollen wir in Zukunft zusammenleben? Wie sieht eine generationengerechte Gesellschaft aus? Brauchen wir einen neuen Konsens zwischen den Generationen?

Diese und andere Fragen standen im Zentrum der Veranstaltung, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, unter älteren Menschen eine Verständigung darüber anzustoßen, wie sie auf das Alter, die Zeit nach ihrer Berufstätigkeit und das Verhältnis der Generationen blicken. Den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der älteren Generation wurde an acht Thementischen eine Plattform geboten, um Fragen aus unterschiedlichen Bereichen zu diskutieren und ihre Wünsche und Erwartungen an Politik und Gesellschaft zu formulieren.

Die Ergebnisse der Diskussionen an den einzelnen Thementischen fließen zusammen mit jenen der anderen Themenabende für die jüngere und die mittlere Generation in den Generationen-Kongress ein, der Ende Juni 2014 in Berlin stattfindet.

Mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Teilhaben im Alter. Politische Antworten auf eine Gesellschaft im Wandel“ wurde inhaltlich in den Abend eingeführt. Marianne Birthler berichtete aus einer sehr persönlichen Perspektive über Möglichkeiten, den dritten und vierten Lebensabschnitt sinnstiftend zu gestalten. Serge Embacher vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement zeigte die Vielschichtigkeit bürgerschaftlichen Engagements auf und skizzierte aktuelle Trends und Tendenzen in diesem Bereich.
 

Audio: Teilhaben im Alter. Politische Antworten auf eine Gesellschaft im Wandel

 

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Kulturell wurde das Thema aufgegriffen von Martina Wittneben, die gemeinsam mit Ilka Schneider Auszüge aus ihrem Buch „Älter werden, Neues wagen“ präsentierte. Die Intention des Buches ist es, den Facettenreichtum des Alter(n)s anhand von persönlichen Portraits aufzuzeigen und so einer Stereotypisierung entgegenzuwirken.

Die Diskussionsergebnisse der Thementische im Einzelnen:

Tisch 1: Altersgerechte Stadt

Welche kommunale Infrastruktur brauchen Ältere?

Beim Thementisch zur "Generationengerechten Stadt" wurde schnell klar, dass es sich dabei um eine Stadt handeln muss, die mit ihrer Infrastruktur allen Generationen gerecht wird. Drei Punkte wurden in den Gesprächen besonders deutlich: (1) Mit Blick auf die Älteren heißt "Generationengerechte Stadt" insbesondere eine zugängliche Stadt, in der öffentliche Orte und Räume auch für Menschen mit Handicaps offen stehen. (2) "Generationengerechte Stadt" braucht generationenübergreifende Orte, an denen sich verschiedenen Generationen auch jenseits der Familienzusammenhänge gerne begegnen; es ist Aufgabe der Politik, diese Orte zu ermöglichen, ihre Gestaltung obliegt in erster Linie den Bürgerinnen und Bürgern. (3) Stadtplanung und Stadtarchitektur hat die Aufgabe, in den Quartieren neue Formen des generationenübergreifenden Zusammenlebens zu befördern und Älteren so Unterstützung und Möglichkeiten des Mitwirkens zu bieten.

Tisch 2: Engagement im Alter

Welche Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement gibt es?

Am Thementisch „Engagement im Alter“ wurde erst einmal festgestellt, dass es eine Fülle von Angeboten gibt sich im Alter in die Gesellschaft einzubringen und dies eine große Bereicherung für die Menschen darstellt. Dennoch wurde der Wunsch laut mehr in Strukturen und Netzwerke zu investieren, damit Angebot und Nachfrage besser zusammenfinden. Ein konkreter Vorschlag hierfür war beispielsweise Seniorenarbeit als kommunale Pflichtaufgabe gesetzlich zu verankern (wie das für die Jugendarbeit der Fall ist), um Vollzeitkräfte in den Städten und Gemeinden mit der Vernetzung und Vermittlung zu betrauen. Professionelles Management von Ehrenamtlichen ist auch innerhalb der Organisationen notwendig. Dies ist wichtig, denn die Wertschätzung von ehrenamtlicher Arbeit bleibt manchmal auf der Strecke und so kann das Gefühl bei den Freiwilligen entstehen ausgenützt zu werden oder mit dem eigenen Engagement in Konkurrenz zu den regulär Beschäftigten in einer Organisation zu stehen.

Tisch 3: Lebenslanges Lernen

Wie schaffen wir altersgerechte Bildungsangebote?

Lernen und Bildung sind wichtig, in allen Lebensphasen, so der sich an Thementisch 3 durchziehende Grundkonsens. Lebenslanges Lernen wurde überaus positiv bewertet, denn es steigert das Selbstwertgefühl, bewahrt gesellschaftliche Anbindung, hält geistig aktiv, schützt vor Arbeitslosigkeit, stellt das eigene Wissen und Können immer wieder in Frage und befriedigt Wissensdurst und Neugier. Bildungsangebote sollen daher qualitativ hochwertig sein, möglichst passgenau und umsonst - oder zumindest erschwinglich. Doch an diesem Punkt gab es unterschiedliche Ansichten: Muss man bei der Kostenfrage nicht differenzieren zwischen Lernangeboten, die der Weiterqualifizierung in einem Beruf dienen und solchen, die nach Beendigung der beruflichen Tätigkeit aus reiner Lust am Weiterlernen nachgefragt werden? Gilt also für Fachhochschule und Volkshochschule nicht dasselbe?

Bildungsangebote für Ältere gibt es jedenfalls zahlreiche - zumindest in Großstädten. Schwierig zu etablieren sind hingegen Formen des informellen Lernens, das sich beispielsweise in Netzwerken vollziehen kann und bei dem ganz andere Dinge auf dem "Lehrplan" stehen können: Wie lerne ich mit Ängsten umzugehen, wie mit Umbruchsituationen im Leben? Wie schaffe ich es zunehmende körperliche Einschränkungen und Abhängigkeiten zu ertragen? Wie lerne ich auf mein Leben zurückzublicken? Vermisst wurde generationenübergreifendes Lernen. Dafür gebe es leider bislang kaum geeignete Orte.

Tisch 4: Perspektiven des Alterns

„Altern ab 20“ oder „forever young!“: Welche Potentiale und Einschränkungen hat Altern?

Das Thema war sehr offen formuliert und bot sich an für persönliche Perspektiven, was genutzt wurde. Der Zwang, „forever young“, also jugendlich und leistungsstark zu sein, sahen die anwesenden Älteren eher bei der Generation, die nach ihnen kommt. Vielfach war von den Privilegien des Älter-seins die Rede, z.B. der der Freiheit, weniger unter Druck zu stehen. Dabei wurde gerade auch von Frauen thematisiert, dass die Unsichtbarkeit als Ältere ein Effekt von Diskriminierung ist, der aber positiv gewendet werden kann

Politischer Handlungsbedarf wurde formuliert, wenn Altern mit höherem Fürsorge-Bedarf einhergeht – hier wurde auch auf Erfahrungen mit Phasen von Krankheit oder körperlichen Einschränkungen verwiesen. Die Politik sollte neuen Wohnformen und die Selbstbestimmung in der Pflege stärken. Kritisch wurde die engagementpolitische „Wiederverpflichtung der Älteren“ gesehen: es gibt ein Recht auf Ruhestand!

Tisch 5: Arbeit 3.0

Wie nutzen wir die Kompetenzen der Älteren?

Ausgangspunkt der Diskussion war folgende Feststellung: Die Älteren möchten ihre Kompetenzen einbringen und das auch noch nach einem Renteneintritt. Viele Teilnehmer/innen möchten dies jedoch nicht ausschließlich ehrenamtlich und/oder im sozialen Bereich. Daraus leiteten sich die Fragen ab: Ist das möglich und wenn ja wie? Und was muss hier noch besser werden?

Die Diskussionen ergaben: Es braucht Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Instrumente und Strukturen fehlen, so dass Ältere nicht in der Lage sind sich adäquat einzubringen. Das Alter und die Erfahrungen bzw. Kompetenzen müssen als Schatz gesehen werden. Bislang ist der Blick auf die Älteren aber eher ein defizitärer. Auch hier muss etwas passieren.

Tisch 6: Digitale Immigranten

An diesem Thementisch wurde diskutiert, welche digitalen Kompetenzen die Älteren haben und wo es noch Unterstützungsbedarfe gibt.

Der ausführliche Text folgt.

Tisch 7: Altern in der neuen Heimat

Die Diskussion auf dem Thementisch 7 zum Thema "Altern in der neuen Heimat" bot diverse Perspektiven und hatte immer wieder interessante Wendungen. Die Mehrzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussionsrunden hatten selbst keinen Migrationshintergrund. Trotzdem ergaben sich an mehreren Stellen Anknüpfungspunkte zum Thema des Thementisches: Was ist "Heimat"? Ist Heimat ein Ort, eine Sehnsucht oder nur ein Mythos?

Unabhängig der persönlichen Biografien wurde in den Gesprächsrunden deutlich, dass mit dem Altern kulturübergreifende individuelle Bedürfnisse an Bedeutung gewinnen: soziale Bindungen, Sicherheit, Würde, Barrierefreiheit. Angesichts demografischer, kultureller und ethnischer Differenzierung der Gesellschaft müssen natürlich auch Institutionen den Entwicklungen Rechnung tragen. Es geht dabei vor allem auch um institutionellen Wandel: interkulturelle Öffnung der Altenpflege, kultursensible Altenpflege, interkulturelle Gemeinschaftshäuser etc.

Tisch 8: Strategien gegen Altersarmut

Wie kommen wir zu einer armutsfesten Rente?

Linderung und Verhinderung waren die Stichworte anhand derer an Thementisch 8 Strategien gegen Altersarmut diskutiert wurden. Unter Linderung wurden sowohl die individuellen Bewältigungsstrategien der Betroffenen angesprochen, als auch politische Maßnahmen um der bereits heute bestehenden Altersarmut entgegenzuwirken. Die Vorschläge waren so vielfältig wie kontrovers: zusätzliche Entgeltpunkte fürs Ehrenamt, steuerfinanzierte Grundrente und Grundeinkommen wurden ebenso diskutiert wie die Frage nach einer Aufstockung für Pflegende, einer Erhöhung der bestehenden Grundsicherung oder dem verbesserten Schutz von erwerbsgeminderten Personen. Einig waren sich die Diskutierenden, dass Altersvorsorge bereits bei der Ausbildung beginnt. Investitionen in Bildung, Ausbildung und Qualifizierung wurden neben einer dauerhaft guten Bezahlung im Erwerbsleben als die effektivsten Maßnahmen erachtet um Altersarmut zu verhindern.

 

Fotos vom Thementisch-Abend "Auf dem Weg zu einem Neuen Generationenvertrag: Ein Abend für Ältere und Weise" am 26. März 2014

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