Grünes Gedächtnis 2013
Vorwort
Das diesjährige Jahrbuch des Archivs Grünes Gedächtnis hat diesmal kein Schwerpunktthema. Die Beiträge, die wir hier zusammengestellt haben, zeigen die bunte Themenpalette, mit der wir uns im Laufe eines Jahres beschäftigen – und das vermutlich sogar besser, als es ein Themenheft tun könnte.
In der Reihe der Interviews mit Grünen der ersten Stunde folgt diesmal Milan Horácek. Der Exiltscheche, der nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in den Westen flüchtete, war mit Joseph Beuys und Heinrich Böll befreundet und hat vor 35 Jahren bei der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament für die Grünen kandidiert. 1983 wurde er Bundestagsabgeordneter und engagierte sich für die Verteidigung der Menschenrechte in Osteuropa. Er unterstützte die Dissidenten in seiner Heimat und wurde 1989 ein Berater des tschechischen Präsidenten Vaclav Havel.
Entschieden europäisch ist auch der zweite Beitrag. Wir veröffentlichen das Schlusspodium der Tagung «1848 und Europa – Zwischen Völkerfrühling und Chauvinismus », die wir in Kooperation mit dem Paul-Singer-Verein durchgeführt haben. Das Schlusspodium geht der Frage nach, ob die 1848er-Revolution mit ihrer Gemengelage von liberalen und nationalistischen Haltungen dennoch zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur beitragen kann.
Um europäische Solidarität – diesmal mit der polnischen Gewerkschaft Solidarnosc – geht es bei den Erklärungen, die der Bundesvorstand der Grünen direkt nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen am 13. Dezember 1981 verbreitet hat. Gerade sind die Vorgänge um die Unterdrückung der unabhängigen polnischen Gewerkschaftsbewegung wieder besonders aktuell, weshalb wir sie als historische Dokumente kommentiert haben. Die Verhängung des Kriegsrechts in Polen war zwei Monate nach der Großdemonstration der Friedensbewegung im Bonner Hofgarten am 10. Oktober. Dadurch wurde die Haltung der Friedensbewegung und der Grünen gegenüber den Ereignissen in Polen ein wegweisender Glaubwürdigkeitstest.
Für die Rubrik «Archivbestände» haben wir einen Überblick über den Aktenbestand der Bundesgeschäftsstelle zu den Parteitagen und zum Bundeshauptausschuss der Grünen bis zur Assoziation mit dem Bündnis 90 im Jahr 1993 und zum Bearbeitungsstand der Akten der Bundestagsfraktion der Grünen ausgewählt. Zwei Beiträge beschäftigen sich zum einen mit Fotos, die der Friedensaktivist Wolfgang Sternstein im Februar 1975 in Wyhl geschossen hat, und zum anderen mit der Rolle des grünen Archivs als Archiv der Neuen Sozialen Bewegungen. Zwei Bestandsbearbeitungen runden diese Rubrik ab. Erstmals ist dabei auch ein Bestand aus dem FFBIZ-Archiv dabei, mit dem wir das Haus teilen. Außerdem berichten wir von der von uns veranstalteten Tagung zu elektronischen Publikationen in Bibliotheken, die 8 Grünes Gedächtnis 2013 insbesondere bei Bibliothekarinnen und Bibliothekaren aus Spezialbibliotheken auf große Resonanz gestoßen ist.
Wie immer hätte es mehr interessante Bücher zu besprechen gegeben, als wir es mit unseren beschränkten Möglichkeiten tun können, zum Beispiel Frank Zelkos Geschichte von Greenpeace, die inzwischen auch auf Deutsch vorliegt. Die drei Titel, für die wir uns entschieden haben, sind die erste Gesamtdarstellung der rot-grünen Koalition aus der Feder eines Historikers, ein Handbuch der Freien Archive und eine Geschichte der Deutschlandpolitik der Grünen in den 1980 er Jahren.
Für das Zustandekommen des Jahrbuchs möchten wir allen unseren Autorinnen und Autoren herzlich danken. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wünschen wir Interesse und Vergnügen bei der Lektüre.
Berlin, im Mai 2014
Christoph Becker-Schaum und Anne Vechtel
Archiv Grünes Gedächtnis
Produktdetails
Inhaltsverzeichnis
1) Beiträge zur Zeitgeschichte
- Interview mit Milan Horácek
«Meine politische Hauptarbeit war immer: Freiheit und Menschenrechte in Osteuropa« (pdf, 2.11 MB) - Ist die Revolution von 1848 ein Baustein für die europäische Identität?
Abschlusspodium der Tagung «1848 und Europa – Zwischen Völkerfrühling und Chauvinismus» des Paul-Singer-Vereins Berlin in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung, Oktober 2012 (pdf, 414 KB)
2) Das historische Dokument
- Polen und die Friedensbewegung. Drei Erklärungen der Grünen aus Anlass des Kriegsrechts in Polen (pdf, 135 KB)
- Christoph Becker-Schaum
Kommentar (pdf, 59 KB)
3) Archivbestände
- Ilona Scheidle
Der Nachlass Hilde Radusch (1903–1994) (pdf, 747 KB) - Juliane Kreißl und Anne Vechtel
Zur Aktenüberlieferung der Bundesdelegiertenkonferenzen und des Bundeshauptausschusses der Grünen von 1979–1993 (pdf, 911 KB) - Steffi Rönnefarth
Der Bestand Bündnis 90 / Die Grünen im Bundestag (1983–1998) (pdf, 70 KB) - Christoph Becker-Schaum
Die Überlieferung der Neuen Sozialen Bewegungen im Grünen Gedächtnis (pdf, 87 KB) - Wyhl am Kaiserstuhl im Februar 1975: «Nai hämm'r gsait»
Fotos von Wolfgang Sternstein (pdf, 4 MB) - Nico Szmolinsky
Der Bestand Barbara Oesterheld (pdf, 49 KB)
4 Archivprojekt
- Eva Sander
Elektronische Publikationen in Bibliotheken (pdf, 49 KB)
5 Rezensionen
- Christoph Becker-Schaum
Die Deutschlandpolitik der Grünen von 1979 bis 1990 (pdf, 155 KB) - Luise Bichler
Rot-Grün an der Macht (pdf, 138 KB) - Lisa Schürmann
Freie Archive und die Geschichte von unten (pdf, 170 KB)
Die Autorinnen und Autoren