Trockengebiete: Tierhaltung auf neuen Wegen

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Tiere, die von Wanderhirten gehalten werden (Montage aus der Grafik unten)

Bis vor kurzem galten Wüsten und Steppen als unproduktiv – und die Hirten, die dort leben, als Umweltzerstörer. Aber diese Ansichten ändern sich - ein Kapitel aus dem Bodenatlas.

Trockengebiete bedecken etwa 41 Prozent der Erde und beherbergen ein Drittel der Weltbevölkerung. Sie umfassen Ökosysteme wie Savannenwälder, Steppen, Wüsten und Hochgebirge. Es ist oft heiß, und die spärliche Vegetation bietet kaum Schutz vor dem Wind. Es fällt nur wenig Regen, und die kurzen Regenzeiten gehen oft mit schweren Stürmen einher.

Die meisten Trockengebiete sind Weideland, auf dem hauptsächlich Gras und Gestrüpp wachsen. Während der langen regenarmen Perioden trocknet das Gras und wird zum „stehenden Heu“. Es zersetzt sich auch nicht, es sei denn, es wird von Weidevieh oder Termiten gefressen. Deswegen enthalten die Böden der Trockengebiete nur wenig organische Substanz, können schlecht Wasser aufnehmen und trocknen schnell aus. Wenn Regentropfen auf den ungeschützten Boden treffen, verdichten sie die Bodenoberfläche, und es bilden sich Krusten. Nur wenig Wasser versickert. Das meiste verdunstet oder läuft ab und schwemmt Kohlen- und Mineralstoffe aus. Um zu vermeiden, dass der Boden weiter an Fruchtbarkeit verliert, muss die landwirtschaftliche Nutzung dieser Regionen seine organische Substanz verbessern und die Vegetation fördern.

Ein Drittel der Menschen weltweit wohnt in Trockengebieten, davon rund 20 Prozent auf sehr kargen Böden

In den ariden Gebieten bietet Vieh die beste Möglichkeit, das Land zu nutzen. Die Mägen von Rindern, Schafen, Ziegen, Kamelen und anderen Pflanzenfressern enthalten Mikroorganismen, die es ihnen ermöglichen, faserreiche Vegetation zu verdauen. Ihr Kot enthält Pflanzenreste und ist reich an Mineralien. Pflanzenfresser können so auch bei längerer Trockenzeit die für ein gesundes Ökosystem unerlässlichen Zerfallsprozesse von organischem Material aufrechterhalten. Außerdem brechen ihre Hufe krustigen Boden auf, sodass Wasser einsickern kann und Graswachstum gefördert wird.

Jahrtausendelang zogen große Wildtierherden, von Raubtierrudeln gefolgt, durch die Trockengebiete Afrikas, Asiens und Amerikas. Auch Wanderhirten weideten ihre Herden hier und trieben sie von Ort zu Ort auf der Suche nach Gras und Wasser. Aber je nach Management können sie Segen oder Fluch sein. Die Vorteile lassen sich nur realisieren, wenn die Tierhaltung an die Gegebenheiten der Trockengebiete angepasst ist. Die Voraussetzungen dafür sind – wie von vielen Hirtengruppen praktiziert – Mobilität, genaue Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse und kommunales Management. Die Borana in Ostafrika zum Beispiel haben ein komplexes Netzwerk von Institutionen, die den Zugang zu Wasser und Weide regulieren und Bewegungen der Herden koordinieren. Diese verweilen immer nur kurz an einem Ort, sodass sich die Vegetation regenerieren kann. Diese Art der Beweidung mit unterschiedlichen Tierarten erhält ein abwechslungsreiches Weideland und verhindert, dass es verbuscht.

Viele Schäden entstehen ohne saisonale Beweidung, und viele saisonale Weiden sind nicht geschädigt

Doch Bevölkerungswachstum, neue Technologien, Bildung und Politik verändern sich die Trockengebiete, sodass diese traditionellen Systeme häufig nicht mehr anzuwenden sind. Expandierende Siedlungen und Getreideanbau beschneiden die Gebiete, schränken die Herdenzüge ein und entfachen Konflikte zwischen Hirten und sesshaften Bauern. Statt der großen Wildtier- und Viehherden, die nie lange an einem Ort verweilen und auch nicht zu früh dorthin zurückkommen, wandern nun viele kleinere Viehgruppen unkoordiniert über die wenigen Allmende-Flächen, die es in der Nähe der Siedlungen noch gibt. Dies führt zu einer Kettenreaktion von Überweidung, Vegetationsverlust, Erosion bis hin zur Versandung der Flüsse und Verarmung von Landschaft und Bevölkerung.

Aber es gibt Hoffnung. In Forschung und Entwicklung setzt sich langsam die Erkenntnis durch, dass Trockengebie­te bedeutende Kohlenstoffspeicher sind und zu den letzten Orten gehören, an denen die Produktion von Lebensmitteln noch gesteigert werden kann. Dennoch gibt es viele Belege, dass die Hirten mit ihrer mobilen Tierhaltung größere Erträge pro Hektar erzielen können als stationäre Viehbetriebe. In Westafrika haben Regierungen begonnen, Hirten zu unterstützen und die Korridore für Herdenwanderungen wieder zu öffnen. Einige Bauern bepflanzen neuerdings abgeerntete Felder mit Futter zum Verkauf an durchziehende Hirten, oder sie lassen dort die Hirten wie früher ihr Vieh weiden, was gleichzeitig den Boden düngt.

Wissenschaftler in Simbabwe haben einen ganz­heitlichen Ansatz entwickelt, der sich an den Wildtier- und Viehherdenwanderungen orientiert. Bei der „geplanten Beweidung“ versammeln alle Menschen aus einem Ort ihr Vieh in einer großen Herde und lassen dann alle Tiere zusammen ein Gebiet nach dem anderen abgrasen. Das verhindert Überweidung, verbessert die Fruchtbarkeit des Bodens und regt das Wachstum der Pflanzen an. Das benachbarte Namibia hat diesen Ansatz jetzt aufgegriffen, Regierung und Zivilgesellschaft arbeiten bereits an einer nationalen Politik, die ein gemeinschaftliches Weidemanagement zum Ziel hat.

Eine weitere Methode ist die Verwendung von beweglichen Pferchen oder „Kraals“. Die Tiere verbringen dort die Nacht, koten und urinieren. Solche Kraals werden jede Woche verschoben, wodurch ständig neue Flächen gedüngt werden. Ansätze wie diese, die mit der Natur arbeiten, haben ein noch viel zu wenig ausgeschöpftes Potenzial, die Bodenqualität und den Lebensunterhalt in den Trockengebieten zu verbessern. Sie beruhen auf der effizienten Mobilisierung von Dorfgemeinschaften, starken lokalen Führungspersönlichkeiten und einem klaren Verständnis und Engagement für eine angepasste Landnutzung und Bodenverbesserung.

 

Quellen und weitere Informationen: