Bis an die Zäune bewaffnet

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Der Zaun von Melilla: Schematische Darstellung der spanischen EU-Außengrenze

Flüchtlinge abzuschrecken – dieses Ziel haben die Länder mit der Militarisierung ihrer Grenzen bisher nicht erreicht. Dafür sind Tausende auf dem Weg in ein vermeintlich sicheres Land gestorben. Wer verfolgt mit dieser Militarisierung welches Interesse, wer profitiert davon? Wie viele Menschen sind davon betroffen, und welche Folgen hat das für sie? Hintergründe am Beispiel von USA/Mexiko und Frontex.

Die europäischen Grenzen/Frontex

1. Wer will die Grenzen dichtmachenund warum?

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex ist zum Symbol für die Abschottungspolitik der Europäischen Union geworden. An ihr bündelt sich die Kritik an einem Grenzregime, das die europäischen Außengrenzen immer engmaschiger überwacht, das Flüchtlinge über einen Kamm schert mit "illegaler Einwanderung" und Menschen skrupellos zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken lässt. Frontex ist eine treibende Kraft der europäischen Abschottungspolitik. Die eigentlichen Bauherren der Festung Europa aber sind die Mitgliedsstaaten der EU. Sie haben Frontex vor zehn Jahren mit dem erklärten Ziel eingerichtet, die "operative Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten bei der Kontrolle und Überwachung der Außengrenzen" zu verbessern und "ein einheitliches und hohes Kontroll- und Überwachungsniveau" zu gewährleisten. Frontex soll Mitgliedsstaaten bei der Kontrolle der Außengrenzen unterstützen und so dafür sorgen, dass der europäische Schengenraum von allen Seiten gegen unerwünschte Zuwanderung abgedichtet wird. Gerade Länder ohne südliche Außengrenzen wie etwa Deutschland sehen in Frontex eine « notwendige Ergänzung » für den Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU.

2. Was wird gemacht?

Europa dichtet seine Grenzen – auch gegen Flüchtlinge – immer weiter ab. Griechenland und Bulgarien haben an ihren Landgrenzen zur Türkei Zäune hochgezogen. Sie sollen vor allem syrische Flüchtlinge abhalten. Auch die spanischen Enklaven Melilla und Ceuta «schützen» sich mit Nato-Stacheldraht gegen Migrant/innen.

Der Rettungseinsatz Mare Nostrum, mit dem Italien mehr als 160.000 Flüchtlingen das Leben gerettet hat, wird ab 1. November abgelöst durch die Frontex-Operation Triton. Wie viele seiner europäischen Amtskollegen kritisierte auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière Mare Nostrum als «Brücke» für Flüchtlinge nach Europa. Die Frontex-Operation soll jetzt dafür sorgen, dass es künftig weniger von ihnen nach Europa schaffen.

Im «Kampf gegen irreguläre Migration» setzt die EU auch zunehmend auf Überwachungstechnologien und eine enge Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Flüchtlingsboote sollen in Zukunft möglichst schon von den nordafrikanischen Grenzschützern abgefangen werden, ehe sie europäische Gewässer überhaupt erreichen.

3. Wie viele Menschen sind betroffen?

Nach Angaben von Frontex sind von Januar bis August dieses Jahres rund 160.000 Menschen ohne gültige Einreisepapiere an den EU-Außengrenzen aufgegriffen worden. Die meisten waren Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea sowie Subsahara-Afrika. Insgesamt steigen zwar die Zahlen der Flüchtlinge in der EU, allerdings nimmt die EU noch immer nur einen Bruchteil etwa der syrischen Flüchtlinge auf.

4. Welche Folgen hat das für die Flüchtlinge?

Die EU hat die tödlichsten Grenzen der Welt. In den vergangenen 14 Jahren sind mehr als 22.000 Menschen bei dem Versuch, Europa zu erreichen, gestorben. Weil die EU ihre Grenzen immer weiter abdichtet, ohne gleichzeitig mehr legale Möglichkeiten des Zugangs zu schaffen, drängt sie Flüchtlinge auf immer gefährlichere Routen. Auch die Rechte von Flüchtlingen werden immer wieder massiv verletzt. In Griechenland und den spanischen Enklaven Melilla und Ceuta prügeln Grenzschützer Menschen brutal zurück und misshandeln sie. Das Kernprinzip des internationalen Flüchtlingsschutzes, das Recht auf Nichtzurückweisung, wird massiv verletzt.

5. Was kostet das? Wer bezahlt es?

Mit dem Fonds für Innere Sicherheit stellt die EU den Mitgliedsstaaten in den nächsten sieben Jahren insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro für den Grenzschutz (und für Visa) zur Verfügung. Mehr als eine weitere Milliarde Euro fließt in gesamteuropäische Maßnahmen, insbesondere in die Entwicklung sogenannter Smart Borders gegen irreguläre Migration. Auch das Budget von Frontex erreicht mittlerweile fast die 100-Millionen-Grenze. Frontex soll im kommenden Jahr 86 Millionen Euro bekommen und bei Bedarf weitere 20 Millionen. Im Gegensatz dazu sind für das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO maximal 17,5 Millionen vorgesehen.

Die EU finanziert darüber hinaus eine Reihe von Forschungsprojekten zur Grenzüberwachung, unter anderem durch Drohnen. Die Studie «Grenzwertig» der Heinrich- Böll-Stiftung geht davon aus, dass das europäische Grenzüberwachungsprogramm Eurosur fast 900 Millionen Euro kostet.

6. Wer profitiert?

Professionelle Schlepper und Kriminelle machen mit der europäischen Abschottungspolitik Milliardengewinne. Wer nach Europa will, ist mittlerweile fast immer auf ihre Hilfe angewiesen. Die Kosten für Flüchtlinge und MigrantInnen betragen bis zu 6.000 US-Dollar. Aber auch die Rüstungsindustrie profitiert. Große europäische Rüstungsunternehmen wie EADS oder Thales sind die größten Nutznießer der EU-Forschungsprojekte zur Grenzüberwachung.

USA/ Mexiko

1. Wer will die Grenze dichtmachen und warum?

Die US-Regierung hat ihre eigene Südgrenze zu der am stärksten militarisierten Grenze der Welt ausgebaut. Das Nachbarland Mexiko – ein ehemals liberales Fluchtund Einwanderungsland – wurde gleichzeitig mit Geldern aus den USA zu einem Filter Richtung Norden aufgerüstet: Der Landweg durch das mexikanische Territorium verwandelte sich in eine der gefährlichsten Strecken, die Menschen ohne Papiere auf dieser Welt zurücklegen können. Polizeibeamte und Drogenkartelle nutzen die Migrant/innen auf dem Weg nach Norden gleichermaßen als Einkommensquelle. Dabei geht es den USA nicht darum, Migration zu stoppen. Die Einwanderung unter Lebensgefahr garantiert, dass es nur die ausdauerndsten, arbeitsfähigsten Menschen schaffen, die ohne Papiere gezwungen sind, unterhalb des Mindestlohnes zu arbeiten. Ein Gewinn für die US-amerikanische Wirtschaft, die in vielen Sektoren auf die Arbeit von Migrant /innen aus Mexiko und Mittelamerika angewiesen ist.

2. Was wird gemacht?

Die 3.000 Kilometer lange Südgrenze derUSA, die sich durch einen ganzen Kontinent zieht, wird von einer Armada von Grenzschützern bewacht; Grenzanlagen und Mauern ergänzen über Hunderte von Kilometern natürliche Barrieren wie Wüsten und Flüsse. Doch die allein knapp hunderttausend innerhalb des vergangenen Jahres von der Border Patrol aufgegriffenen Minderjährigen beweisen: Migrationskontrolle kann Menschen nicht stoppen. Nun soll die Südgrenze Mexikos zu Guatemala und Belize, eine bislang weitestgehend « grüne Grenze », zum geografischen Hindernis werden. Des Weiteren versuchen massive Polizeikontrollen, die Menschen auf ihrem Weg durch Mexiko davon abzuhalten, die Güterzüge zu erklimmen – das Haupttransportmittel von Migrant/innen und Geflüchteten.

3. Wie viele Menschen sind betroffen?

Schätzungsweise 400.000 Menschen aus Guatemala, Honduras und El Salvador reisen jedes Jahr ohne Papiere durch Mexiko. Ausschluss von Teilhabe, Ressourcen, Kapital, Arbeit und sozialen Aufstiegsmöglichkeiten waren und sind weiter die Hauptursachen für die Flucht. Direkter Auslöser für den Aufbruch aus den Herkunftsländern sind jedoch die omnipräsente Gewalt der Jugendbanden und der Einzug der Drogenkartelle nach Mittelamerika.

4. Welche Folgen hat die Aufrüstung für die Flüchtlinge?

Mexikanische Nichtregierungsorganisationen fürchten deutlich mehr Verletzungen der Menschenrechte, Korruption und Unfälle durch das « Programm Südgrenze ». Sie sprechen von einer « Legalisierung der Menschenjagd » und weisen darauf hin, dass Migrant /innen und Flüchtende auf andere Transportmittel und Routen ausweichen werden, die sie abhängiger von Schleppern machten und verstärkt Überfällen und Entführungen aussetzten.

5. Was kostet das? Wer bezahlt es?

Infolge der Debatte um mittelamerikanische Kinder, die auf der Flucht sind, besuchten Angehörige der US-Regierung und Diplomaten im Sommer Mexiko und Mittelamerika, um diese verstärkt in die Migrationskontrolle miteinzubeziehen. Das von dem mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto daraufhin ausgerufene « Programm Südgrenze » wird mit 86 Millionen Dollar von der Regierung Obama unterstützt. Seit 2008 wurden insgesamt 350 Mio. Dollar von den USA in die Aufrüstung gegen Migration in Mexiko im Rahmen der « Initiative Mérida » investiert.

6. Wer profitiert?

Professionelle Schlepper und Kriminelle, die vortäuschen, Schlepper zu sein, korrupte Beamt /innen und Beamte und Institutionen, vor allem die enorm ausgebaute und personell aufgestockte mexikanische Migrationspolizei (INM), private Sicherheitsfirmen z. B. der Zugunternehmen, lokale kriminelle Banden, Drogenkartelle wie die berüchtigten Zetas und Ringe von Menschenhändlern (Prostitution).

Dieser Text erschien in der aktuellen Ausgabe von Böll.Thema.