Nordrhein-Westfalen: Menschen, Tiere, Immissionen

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(Ausschnitt aus kompletter Grafik unten)

Zwischen Rur und Weser leiden Böden und Gewässer, durch die Tiermast belastet. Die Schweinehaltung dominiert in Westfalen, Mais als Futtermittel wächst im Rheinland. Hinzu kommen die Soja-Importe aus Übersee. Ein Kapitel aus dem Fleischatlas Regional.

Nordrhein-Westfalen ist neben den Stadtstaaten das deutsche Bundesland mit der höchsten Bevölkerungsdichte. 17,6 Millionen Menschen leben hier auf 3,4 Millionen Hektar. Die Hälfte dieser Fläche wird für den Anbau von pflanzlichen Lebens- und Futtermitteln oder für Viehhaltung, zur Gewinnung von Fleisch, Milch und Eiern genutzt. Besonders hoch ist der Anteil der Intensivtierhaltung im Münsterland und in Teilen des Niederrheins. Hinzu kommt, dass mit „Tönnies“ und „Westfleisch“ zwei der größten deutschen Schlachtbetriebe in Nordrhein-Westfalen zu finden sind.

Die hier produzierten Lebensmittel ernähren auch andere Teile Deutschlands, Europas und der Welt. Umgekehrt müssen Lebensmittel importiert werden, um die Bürgerinnen und Bürger im Bundesland zu versorgen. Um den Konsum von Nahrung und anderen Agrarprodukten in NRW zu decken, bedarf es derzeit 5,4 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Das ist etwa das 1,6-Fache der gesamten Landesfläche und 3,7-mal so viel Fläche, wie sich in NRW für die landwirtschaftliche Nutzung eignet.

Um zu möglichst geringen Kosten zu produzieren, vergrößern Mastbetriebe zunehmend ihren Viehbestand. In NRW, wo etwa die Hälfte des landwirtschaftlichen Produktionswertes durch Nutztierhaltung erzielt wird, ist dieser Trend besonders gut zu beobachten. Die kleinen Tierbestände nehmen ab.

Bei der intensiven Tierhaltung setzen die Agrarunternehmen in großem Umfang Kraftfutter ein. Eiweißreiche Pflanzen wie Soja sind wichtige Bestandteile von Kraftfutter, werden aber selten auf heimischen Böden angebaut. Soja wächst besonders gut in warmen Gegenden. In NRW werden daher wegen ihres günstigeren Klimas die Flächen entlang des Rheins sowie in der Köln-Aachener Bucht zum Anbau bevorzugt. Doch selbst hier können nur Sojasorten kultiviert werden, die sich für vergleichsweise niedrige Temperaturen eignen, etwa die Sorten „Merlin“ oder „Sultana“. Sie bringen einen im Vergleich unterdurchschnittlichen Ertrag. Hohe Transportkosten entfallen dann zwar, aber die Arbeitskraft kostet in Deutschland oftmals mehr als in außereuropäischen Ländern.

In NRW ist die halbe Landwirtschaft auf Fleischerzeugung ausgerichtet

Die Folge: Heimische Ernten können nicht mit den Preisen und Erträgen von importiertem Soja konkurrieren. NRW bleibt vorerst stark auf den Import von Eiweißpflanzen für das Kraftfutter angewiesen. Top-Lieferanten dafür sind Argentinien, Brasilien und die USA. Vor allem in den lateinamerikanischen Ländern hat der Soja-Export problematische Folgen für die Bevölkerung. Die hohe Nachfrage treibt die Flächenpreise in die Höhe. Statt Nahrungsmittel für die eigene Bevölkerung anzubauen, werden die Landwirte dazu verlockt, Futtermittel für den lohnenswerteren Export anzupflanzen. Grundnahrungsmittel werden teurer; das trifft besonders die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten. Immer mehr Flächen werden in Äcker umgewandelt: Was vorher Regenwald oder Weideland war, wird zur Soja-Monokultur.

In Nordrhein-Westfalen ist Wasserverunreinigung durch Tierhaltung und Futterpflanzenanbau ein besonderes Problem. Viele Flüsse, Bäche und Seen sowie 40 Prozent der Grundwassermesspunkte in NRW weisen zu hohe Nitratkonzentrationen auf. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahr 2000 verpflichtet alle EU-Länder, ihre Gewässer bis 2015 unter den Toleranzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter zu bringen. Doch bis heute werden in einigen Teilen NRWs Spitzenwerte von 300 Milligramm pro Liter, also die sechsfache Toleranzmenge, gemessen.

Die Mäster decken nicht nur den Eigenbedarf im Land – der Export boomt

Die intensive Masttierhaltung in weiten Teilen des Bundeslandes ist hierfür eine Hauptursache. 2014 produzierten die hiesigen Landwirte mehr als 1,8 Millionen Tonnen Schweinefleisch, so viel wie in keinem anderen Bundesland. Um den in- und ausländischen Fleischbedarf zu decken, hat Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren durchschnittlich 18 Prozent mehr Schweinefleisch hergestellt als verbraucht. Und um das Exportniveau zu halten, werden entsprechende Soja- und Getreidelieferungen nötig.

Dies bedeutet einen stetigen Zufluss von Nährstoffen aus anderen Ländern. In einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft könnte die bei Viehhaltung anfallende nitrathaltige Gülle auf den umliegenden Äckern als natürlicher Dünger eingesetzt werden. In der Massentierhaltung in NRW entsteht jedoch mehr Gülle, als der Boden aufnehmen kann.

Da Gülletransporte und -lagerung teuer und die Einhaltung der Düngevorschriften schwer zu kontrollieren sind, bringen Landwirte zu viel Gülle auf die Äcker aus. Das überschüssige Nitrat, das die Anbaupflanzen nicht mehr aufnehmen können, sickert ins Grundwasser, sammelt sich im Boden, in Lebensmitteln und schließlich im menschlichen Körper an. Dort können Bakterien es in das giftige Nitrit umwandeln, das im Verdacht steht, ein erhöhtes Krebsrisiko darzustellen.

Im Ökolandbau ist der Nährstoffüberschuss weitaus geringer als in der konventionellen Landwirtschaft. Mitverantwortlich dafür ist die geringere Anzahl Vieh pro Fläche, die ein Betrieb bewirtschaftet. So fällt nicht mehr Mist an, als die umliegenden Äcker benötigen. 

 

Quellen:

  • S. 28: Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Entwicklung des ökologischen Landbaus in NRW, 2015, http://bit.ly/1ZYJijE. AMI: ami-informiert.de, 10. August 2015, http://bit.ly/1M9FHuT
  • S. 29: Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Nährstoffbericht 2014, S. 70, http://bit.ly/1M9nRrW
  • Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Agrarstrukturen in Deutschland. Regionale Ergebnisse der Landwirtschaftszählung 2010, S. 33, http://bit.ly/1I09RZ1
  • WWF, Der Futtermittelreport. Alternativen zu importierten Sojaerzeugnissen in der Schweinefütterung, 2014, S. 11, http://bit.ly/1MTYfxT
  • Text: Wasserqualität, http://bit.ly/1lZtYDe