Lösungen für eine europäische Flüchtlingspolitik aus griechischer Sicht

Ein Helfer des Roten Kreuzes mit einem afghanischen Flüchtling, Lesbos
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Ein Mitarbeiter des griechischen Roten Kreuzes hilft einem afghanischen Flüchtling, der gerade auf einem aufblasbaren Boot aus der Türkei in der Nähe des Flughafens Mytilene gestrandet ist (Lesbos, Griechenland, 13. Dezember 2015)

Griechenland spielt bei der Zuwanderung eine entscheidende Rolle. Das Land benötigt weitere Mittel, um die Außengrenze der EU zu sichern und humanitäre Hilfe für Menschen in Not zu leisten. Nur so wird es möglich sein, die Lasten in Europa gerecht zu teilen.
 

Jegliche gemeinsame politische Linie der EU zur Flüchtlingskrise muss auf den folgenden drei Prämissen beruhen, nämlich a) der Schengen-Raum muss gewahrt werden – ohne aber einige wenige Mitgliedstaaten übermäßig zu belasten; b) wir brauchen eine Politik, die gegen islamistischen Terror und die Radikalisierung in unseren Gesellschaften vorgeht; und c) wir müssen der eigenen moralischen Pflicht nachkommen und einer erheblichen Zahl von Flüchtlingen Asyl gewähren.

Das Handeln einiger EU-Staaten in der Vergangenheit war für den Zustrom von Flüchtlingen mitverantwortlich. Es ist jedoch nicht möglich, uneingeschränkt Flüchtlinge aufzunehmen, da die EU sonst an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Was sind also unsere politischen Optionen?

Es gibt kein Patentrezept für den wirksamen Umgang mit der Flüchtlingskrise. Doch müssen einige Schlüsselfragen berücksichtigt werden: Die Kämpfe in Syrien müssen so rasch wie möglich enden; wir sollten Nachbarländer wie Jordanien, den Libanon und die Türkei finanziell unterstützen; wir müssen der Türkei Anreize bieten, den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen und abgewiesene Flüchtlinge bzw. Migrant/innen wieder aufzunehmen (wie im Abkommen zwischen EU und Türkei vorgesehen); wir müssen die Außengrenzen der EU angemessen sichern und schützen; wir müssen die vereinbarte Umverteilung der Flüchtlinge so umsetzen, dass alle Mitgliedstaaten einen gerechten Anteil daran tragen; Griechenland benötigt zusätzliche Mittel für humanitäre Hilfe; wir müssen Wege finden, mehr Flüchtlinge zurückzuschicken, auch wenn dies nicht einfach sein wird, da es der Mithilfe jener Länder bedarf, aus denen die Menschen flüchten; und schließlich müssen die Mitgliedstaaten der Europäischen Union für die aufegnommenen Menschen wirksame Integrationspolitiken entwickeln.

Eine erfolgreiche Integrationspolitik ist entscheidend

Wir sollten die Herausforderung der Integration nicht unterschätzen, denn Kultur und Bildungsstand der Flüchtlinge sind sehr unterschiedlich. Für Menschen, insbesondere jene mit höherer Bildung und Kenntnissen einer europäischen Sprache, wird es einfacher sein, sich einzuleben. Jene, die schlechtere Voraussetzungen mitbringen, werden es schwerer haben.

Wir können nicht davon ausgehen, dass der Zustrom von Menschen, die nach Europa wollen, zurückgehen wird, auch wenn der Krieg in Syrien bald enden sollte. Denn in vielen Ländern fehlen jungen Menschen wirtschaftliche und soziale Perspektiven. Allzu groß ist die Anziehungskraft der EU. Deshalb wird es darauf ankommen, wie wir mittels einer langfristigen Zuwanderungspolitik diese Herausforderung lösen.

Nur mit Hilfe der EU kann Griechenland die Außengrenze sichern

Der nächste Aspekt, die Sicherung der Außengrenzen, ist eine europäische Aufgabe. Die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache ist zusammen mit den entsprechenden Behörden der Mitgliedstaaten für die Kontrolle und Sicherung der EU-Grenzen zuständig. Eine bessere Koordination mit Sicherheitsbehörden, etwa dem Europäischen Zentrum zur Terrorismusbekämpfung, sollte einen wichtigen Beitrag leisten. Die NATO eignet sich für derartige Aufgaben zwar kaum, aber man könnte auch sie um einen bescheidenen Beitrag bitten.

Griechenland sollte auf die Unterstützung der Europäischen Union bauen können, um seinen Verpflichtungen zum Schutz der EU-Außengrenzen nachzukommen. Neben Finanzhilfen benötigt Griechenland dazu Personal, Ausrüstung sowie Ausbildung. Seegrenzen können ohne Mithilfe von Drittstaaten nicht vollständig geschützt werden. Werden hingegen kleine, überladene Gummiboote abgewiesen, wird dies nur dazu führen, dass noch mehr Menschen – vor allem Kinder und Frauen – in der Ägäis ertrinken. Andererseits kann Griechenland nicht zu einem Gefängnis für hunderttausende irreguläre Migrant/innen werden.

Das Abkommen zwischen EU und Türkei ist pragmatisch

Zum Schluss noch eine Bemerkung zum problematischen Abkommen zwischen EU und Türkei. Leider ging es hier um eine Entscheidung zwischen einem unvollkommenen Abkommen und gar keinem Abkommen. Die EU musste sich mit der unbequemen Tatsache abfinden, dass sie auf die geopolitischen Entwicklungen in und um Syrien zu wenig Einfluss hat und entsprechend wenig gegen die Ankunft weiterer Flüchtlinge tun kann. Da die EU nicht in der Lage zu sein scheint, ihre Außengrenzen zu verteidigen, und gleichzeitig der Euroskeptizimus an Fahrt gewinnt, ist dieses Abkommen trotz seiner Probleme wichtig. Aufgrund der starken Verhandlungsposition der Türkei musste Europa einem Land Zugeständnisse machen, in dem seit einigen Jahren demokratische Werte und Menschenrechte immer wieder missachtet werden.

Es bleibt abzuwarten, ob Europa, im Sinne des oft gebrauchten kleinsten gemeinsamen Nenners, Entscheidungen getroffen hat, die zumindest eine gewisse Wirksamkeit entfalten. Ob eine gemeinsame europäische Politik es schaffen wird die Lasten der Flüchtlingskrise gerecht zu verteilen, wird die Zukunft zeigen.

 

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers "Grenzerfahrung - Flüchtlingspolitik in Europa".

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