CEDAW und die Zivilgesellschaft

Hintergrund

Bereits seit 1979 verpflichten sich die Vertragsstaaten der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW) die Gleichheit von Frauen und Männern nicht nur formal als Norm zu akzeptieren, sondern aktiv auf eine tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter hinzuwirken. Dekaden später sind wir trotzdem immer noch weit von diesem Ziel entfernt.

Gruppenfoto - CEDAW-Zukunftswerkstatt 2018
Teaser Bild Untertitel
Teilnehmer*innen der CEDAW-Zukunftswerkstatt 2018

Um die Implementierung der Konvention sicherzustellen, hat die UN ein periodisches Staatenberichtsverfahren für alle Vertragsstaaten festgelegt. Auch Deutschland muss regelmäßig dem CEDAW-Ausschuss in Genf einen Umsetzungsbericht vorlegen, sowie ergänzende Zwischenberichte. Um ein umfassendes Bild der tatsächlichen Umsetzung zu erhalten, bittet der CEDAW-Ausschuss um Eingaben der Zivilgesellschaft. Zivile Allianzen und einzelne Akteur*innen unterschiedlicher Organisationen in Deutschland haben sich in vergangene Berichtsprozesse eingebracht, um ein Bild des tatsächlichen Implementierungsstandes aufzuzeigen.

Besonders die Allianzen nutzten die politische Kraft ihrer Bündnisse und die entstandenen „Alternativberichte“ zur direkten Ansprache der Bundesregierung, um im Dialog Forderungen und Lösungen zu diskutieren.

Das Staatenberichtsverfahren

Grundsätzlich muss Deutschland dem CEDAW-Ausschuss alle vier Jahre einen Staatenbericht zur Implementierung der Frauenrechtskonvention vorlegen. In der Vergangenheit wurde dieser auch in kombinierter Form (2015: Kombinierter siebter und achter Staatenbericht) vorgelegt.
Der CEDAW-Ausschuss bittet anschließend mit der sogenannten „List of Issues“ um Ergänzungen. Sowohl zum Staatenbericht als auch zur „List of Issues“ können alternative Darstellungen der Zivilgesellschaft in das Berichtsverfahren eingebracht werden.

In einer anschließenden gemeinsamen Sitzung, zu welcher auch zivile Vertreter*innen geladen werden, diskutiert der Ausschuss mit Vertreter*innen der Bundesregierung sowie der Länder den Stand der Implementierung. Schließlich verfasst der Ausschuss die abschließenden Empfehlungen („Concluding Observations“) inklusive eines Auftrags für einen zwei Jahre später vorzulegenden Zwischenbericht. Nun ist es an Deutschland diese Empfehlungen tatsächlich umzusetzen und Änderung in der eigenen Gesetzgebung vorzunehmen, um im kommenden Berichtsverfahren Erfolge vorweisen zu können.

Parallel zum laufenden Staatenberichtsverfahren, an welchem sich alle Vertragsstaaten der Konvention beteiligen müssen, erstellt der Ausschuss fortlaufend Allgemeine Empfehlungen („General Recommendations“). Diese dienen der Auslegung der Konvention und interpretieren die CEDAW Inhalte in Bezug auf neue Themen wie beispielweise den Klimawandel und seine gleichstellungspolitische Relevanz.

women rights are human rights

Dieser Text ist Teil des Dossiers 40 Jahre UN-Frauenrechtskonvention.

Im Dezember 1979 wurde das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (CEDAW) angenommen. Das Dossier gibt einen Überblick über den Stand der Implementierung von CEDAW in mehreren Ländern.

Seit einigen Jahren bietet der CEDAW-Ausschuss auch ein vereinfachtes Staatenberichtsverfahren an, welches seit 2018 auch von Deutschland in Anspruch genommen wird: In diesem Verfahren wird auf einen eigenen Bericht des Vertragsstaates verzichtet. Die „List of Issues“ wird zu einer „List of Issues prior to Reporting (LOIPR)“, also einen Fragenkatalog vor der Berichterstellung durch die Bundesregierung.  Dieser Fragenkatalog erstellt der Ausschuss nach Expert*innenkonsultationen in der „Pre-Sessional-Working Group (PSWG)“. Die Antwort des Vertragsstaates auf die LIOPR stellt in diesem Verfahren den neuen Staatenbericht dar.

Zivilgesellschaftliche Eingaben sind gleichbleibend wichtig und eine Stellungnahme an die PSWG besonders relevant. In diesen kann frei über Erfolge und Missstände der Implementierung – unabhängig von möglichen, in einem Bericht Deutschlands, festgelegten Themen – eingegangen werden und so ein wichtiger Expert*innenbeitrag geleistet werden.

Ebenso bleibt die Erstellung eines Alternativberichtes zum Staatenbericht (also eine zivilgesellschaftliche Antwort auf die LOIPR) ein wichtiger Beitrag, um dem Ausschuss die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in Deutschland zu beschreiben.

Die Überlastung des CEDAW-Ausschusses ist hier ein ernstzunehmendes Problem: Verschiebungen von PSWG-Sitzungen, begrenzte Zeiten zur Anhörung der Expert*innen sowie Umfangsbegrenzungen für einzureichende Berichte und Stellungnahmen sind die Folge.

Die bestehenden Möglichkeiten der zivilgesellschftlichen Interessensvertretung müssen bestmöglich für die Eingabe wichtiger Inhalte genutzt werden. Am besten pointiert von einer repräsentativen, heterogenen Gruppe, um möglichst viel Aufmerksamkeit für das Gesagte sowohl vom CEDAW-Ausschuss als auch der deutschen Bundesregierung zu bekommen.

Grafik - CEDAW-Staatenberichtsverfahren
Das neue CEDAW-Staatenberichtsverfahren, inklusive ziviler Eingabemöglichkeiten

CEDAW-Allianz Deutschland

Gleichstellungspolitisch engagierte Organisationen tragen einen erheblichen Anteil dazu bei, die Umsetzung der Frauenrechtskonvention voranzutreiben, Defizite im Regierungshandeln dar- und gleichzeitig Forderungen nach Verbesserungen auf Ebene der UN vorzustellen.

Auf Einladung des Deutschen Frauenrats gründete sich am 23. November 2018 die nun fortlaufende CEDAW-Allianz Deutschland. Aktuell kann das Bündnis auf die Expertise von über 30 Mitgliedsorganisationen zählen, die mehrheitlich nicht Mitglied des Deutschen Frauenrats sind. Die Allianz ist im permanenten Ausbau, um mit einem großen, diversen, solidarisch auftretenden Netzwerk möglichst große politische Wirkmacht zu erzielen.

Dabei arbeiten die einzelnen Mitglieder auf Augenhöhe miteinander: Beschlüsse und gemeinsame Papiere werden im Plenum beschlossen. Da jedes einzelne Mitglied aber nur begrenzte Ressourcen aufbringen kann, wurde mit dem Deutschen Frauenrat eine Trägerorganisation bestimmt, welche die Koordination des aktuellen Prozesses übernimmt.

Diese Koordination unterstützt operativ die Prozesse der Allianz, während inhaltliche Absprachen in der Redaktionsgruppe vorbesprochen und als Vorschläge an das Plenum der Allianz eingebracht werden. Die Redaktionsgruppe setzt sich aus den Sprecher*innen der einzelnen thematischen Arbeitsgruppen (AG) der Allianz zusammen. Aktuell wird zu folgenden Themen in Vorbereitung auf die kommende PSWG-Sitzung gearbeitet:
•    Erwerbsleben
•    Gewalt gegen Frauen
•    Internationales
•    Stereotype, Bildung und Teilhabe
•    Von Mehrfachdiskriminierung betroffene Gruppen
•    Gender Mainstreaming, Gender Budgeting und institutionelle Mechanismen
•    Gesundheit

Die Arbeit der CEDAW-Allianz Deutschland beginnt allerdings längst nicht bei „Null“, sondern baut auf den Erfahrungen vergangener Allianzen in diesem Prozess auf. So hatten sich zuletzt im November 2015 zivilgesellschaftliche Organisationen zur CEDAW-Allianz 2015-2017 zusammengeschlossen. In einem intensiven Prozess formulierten die 38 Allianz-Mitglieder ihre politischen Forderungen, um dem CEDAW-Ausschuss ihre alternative Sicht auf den kombinierten siebten und achten Staatenbericht Deutschlands darzulegen und Forderungen gegenüber der Bundesregierung Nachdruck zu verleihen. Nach erfolgreicher Zusammenarbeit wurde die Allianz, wie geplant, 2017 formal beendet.

Aber auch davor gab es zivile Allianzen, die sich erfolgreich in das Staatenberichtsverfahren einbringen konnten: 2003 und 2008/2009 griff der CEDAW-Ausschuss bei seiner „List of Issues“ an Deutschland beispielsweise einige Aspekte aus den Alternativberichten der damaligen zivilen Allianzen auf. Dieses gelang auch 2017 und ist weiterhin das Ziel der CEDAW-Allianz Deutschland.

Der Wunsch sich nicht zu jedem Staatenbericht Deutschlands neu finden zu müssen, das geänderte Berichtsverfahren mit seiner neuen wichtigen Eingabemöglichkeit zur LOIPR sowie der Bedarf nach fortlaufender Öffentlichkeitsarbeit waren Anlass, um diesmal nicht nur für den Zeitraum eines einzigen gemeinsamen Alternativberichtes zusammenzuarbeiten, sondern fortlaufend als starke Gemeinschaft die Umsetzung CEDAW mit voranzutreiben.

Nächste Schritte und Teilhabemöglichkeiten

Aktuell bereitet sich die CEDAW-Allianz Deutschland auf die Teilnahme an der voraussichtlich 2020 stattfindenden PSWG-Sitzung vor und erarbeitet eine Strategie für die gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit; gerade im Hinblick auf das 40-jährige Jubiläum des Inkrafttretens CEDAWs in Deutschland im Jahr 2021. Ebenso gilt es die Frauenrechtskonvention mit anderen Themen gut zu verbinden, um Überschneidungen aufzuzeigen und Ressourcen bestmöglich zu nutzen: So feiern wir 2020 das 25. Jubiläum der Pekinger Aktionsplattform (Peking +25), 25 Jahre Agenda 2030 und 20 Jahre Resolution 1325 des UN-Sicherheitsrates sowie 2021 10 Jahre Istanbul-Konvention.

Die Vielfalt der Verbände der Allianz macht diese politisch stark und ihre Eingaben an den CEDAW-Ausschuss glaubhaft. Wer die CEDAW-Allianz Deutschland politisch und/oder finanziell unterstützen möchte, ist dabei herzlich willkommen über die Koordination der Allianz Kontakt aufzunehmen (CEDAW@frauenrat.de).