Magdeburg: „Die Frauenquote finde ich elementar wichtig“

Interview

Magdeburg wurde in den Rankings 2013 und 2017 Letzte bzw. Vorletzte. Aktuell ist die Stadt immerhin um 20 Plätze vorgerückt. Madeleine Linke ist 29 Jahre alt und Fraktionsvorsitzende der Fraktion Grüne/future! im Stadtrat in Magdeburg, aktuell die größte Fraktion der Stadt. Die Mobilitätsforscherin ist außerdem Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt. Im Interview beleuchte sie Hintergründe zur Entwicklung in ihrer Stadt.

Madeleine Linke steht mit einem Fahrrad auf einer Brücke.

Sind Sie zufrieden mit dem Abschneiden Magdeburgs?

Madeleine Linke: Die Statistiken haben sich verbessert. Aber das Klima, die Kultur, da liegt noch viel Arbeit vor uns. Und wenn man sich die anderen Fraktionen anschaut, sind wir noch weit von Diversität entfernt. Die AfD hat keine einzige Frau in der Fraktion. Die CDU hat seit neuestem eine Nachrückerin, vorher hatten sie in der laufenden Legislatur seit 2019 keine Frau in ihrer 9-köpfigen Fraktion. Die Linke hat auch eine Doppelspitze und noch ein paar andere weibliche Ratsmitglieder.

Ist Besserung in Sicht?

Und die nächsten Jahre werden spannend, mehrere weibliche Ratsmitglieder bekommen Kinder, ich auch. Da müssen wir in Magdeburg noch mehr Vereinbarkeit hinbekommen. Ich werde von vornherein sehr offensiv damit umgehen, der Bürgermeisterin etwa einen offenen Brief schreiben und fordern, gemeinsam darüber zu reden, ob die Hausordnung etwa das Stillen zulässt.

Welche konkreten Probleme fürchten Sie, könnten durch Ihre Mutterschaft entstehen?

Mein Freund ist noch nicht hellauf begeistert davon, während der Ratssitzungen, die einmal im Monat von 14 bis 21 Uhr stattfinden, mit dem Baby auf der Besuchertribüne zu sitzen. Gleiches gilt für die Fraktionssitzungen, die einmal wöchentlich zwischen 17 und 21 Uhr stattfinden und Ausschusssitzungen, an denen ich zweimal die Woche zwischen 16 und 21 Uhr teilnehmen muss. Da braucht es noch viel Erprobung, Abstimmung und Absprachen zwischen Stadtverwaltung, Sitzungsleitung, mir und auch meinem Partner. Und auch Erfahrungswerte, wie mein Baby so drauf sein wird und wie und wo ich stillen kann. Wie es dann nach dem Mutterschutz und der Elternzeit ist, das muss sich auch noch herausstellen. Für Alleinerziehende scheint mir das Ehrenamt Stadtrat  und Kinder unter drei Jahren zu haben nahezu unvereinbar.

Wie sind Sie in die Politik gekommen?

Ich habe Maschinenbau studiert. An der Uni habe ich einen Vortrag von Dr. Niko Paech zu Postwachstumsökonomie gehört. Das hat in mir den Wunsch geweckt, mich zu engagieren. Ich bin Mitglied der Grünen Hochschulgruppe geworden und habe dann in der Hochschulpolitik alles gemacht, was man so machen kann. Das hat mich dann mit Stadträten vernetzt. Die haben mich angesprochen, ob ich nicht als Stadträtin kandidieren möchte. Das waren Mentor*innen, die wollten, dass sich etwas ändert, denn in Magdeburg hatte die Grüne Fraktion in den letzten 20 Jahre keine einzige Frau. Das ist sehr peinlich für eine Partei, die ein Frauen-Statut hat.

Woran lag das?

Ich glaube, politische Arbeit war früher noch schlechter vereinbar und die Partei war noch deutlich kleiner als sie jetzt ist. Da waren nicht viele Frauen dabei, die hatten einfach so viele andere Verpflichtungen, Familie, Pflege.

Was hat sich geändert?

Zu den Kommunalwahlen 2019 haben wir es mit konkreter Ansprache geschafft, von Null auf sogar über 50 Prozent Frauenanteil zu kommen. Es gibt erstmals eine Oberbürgermeisterin, die Grünen haben zum ersten Mal in Magdeburg eine Doppelspitze. 

Hat sich die Gesprächskultur geändert?

Wir haben wirklich ein starkes Problem in Magdeburg, wenn Frauen ans Mikrofon treten und reden, dann wird der Raum unruhig. Dann schalten Leute ab und reden miteinander, reden übereinander. Und das zieht sich durch alle Fraktionen, nicht nur die der AFD. Wir hatten auch schon sexistische Kommentare aus dem SPD Lager. Auch ich bin so sozialisiert, solche Sprüche wegzulächeln. Aber jetzt, wo wir mehr Frauen sind, fordern wir, so eine Kommunikation zu unterbinden. Der Stadtsratsvorsitzende muss da einschreiten.

Hat das zur Folge, dass Sie weniger ans Mikrofon treten?

Bei mir persönlich hat die Gesprächskultur keine Auswirkung auf die Anzahl oder Dauer meiner Redebeiträge. Nur darauf, wo ich sie halte, nämlich am Redepult und wie viele Pausen ich mache, da ich öfter warten muss, bis es ruhig ist. Und ja, es hat auch Auswirkungen darauf, was ich für Kleidung trage. Ich nenne es meine Rüstung, es ist aber Business-Kleidung. Bei Fraktions- und Ratskolleginnen hat es jedoch einen starken Einfluss. Außer den Fraktionsvorsitzenden von Linken und FDP melden sich kaum Frauen zu Wort. Nur, wenn es fachspezifisch ist und aus ihrer Sicht unbedingt sein muss.

Was sind die besten Instrumente, um Frauen in Kommunalpolitik zu bekommen?

Die Frauenquote finde ich elementar wichtig. Es braucht aber auch eine Ansprache der Probleme und Herausforderungen und dann auch Lösungsansätze. Wie kann man Vereinbarkeit verbessern? Wie schafft man es, persönliche Angriffe zu unterbinden? Obwohl wir uns als Grüne viel mit Frauenpolitik beschäftigen, heißt es nicht, dass wir da perfekt sind. Wir legen die Fraktionssitzungen zwar so, dass sie sich an Erziehungszeiten oder familiäre Abendessen anpassen. Aber es gibt da schon auch Reibereien oder Frustration.

Gibt es denn in Magdeburg politische Netzwerke?

Es gibt Ansätze davon, aber sie sind noch lange nicht so ausgeprägt, wie sie sein sollten. Es gibt vor Kommunalwahlen Veranstaltungen wie Podiumsdiskussionen für Frauen, jetzt gerade ist es wieder ein bisschen eingeschlafen. Das Problem ist, wir sind eh schon stark belastet. Wir sagen uns ganz oft am Rande der Stadtratssitzung, wir müssten uns verbünden und mehr austauschen. Aber im Endeffekt schaffen wir es meistens zeitlich nicht.
 
 Das Gespräch führte Laura Ewert.