Bosnien-Herzegowina: Gibt es ein Ausbrechen aus dem Teufelskreis?

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Besondere Aufmerksamkeit im Wahlkampf: die Stadt Srebrenica. Bisher konnten hier auch Flüchtlinge wählen, in diesem Jahr wurde das Kommunal-Wahlrecht angepasst
Die Wahlkampagne für die Lokalwahlen in Bosnien und Herzegowina (BuH) war in hohem Maße von der allgemeinen politischen Krise gekennzeichnet, die das Land bereits seit den nationalen Wahlen 2010 beherrschte und noch beherrscht. Die Schwierigkeiten bei der Regierungsbildung auf den verschiedenen Ebenen, die Bildung und Auflösung von Koalitionen und Parlamentsmehrheiten sowie der fast vollständige Stillstand des euroatlantischen Weges sind nur einige der Merkmale der politischen Ereignisse im Land in den vergangenen zwei Jahren. Es mangelte weder an harten Worten, noch an nationalistischer Rhetorik auf der politischen Bühne. Ferner wurde von einem unmöglichen Fortbestand des Staates Bosnien-Herzegowina gesprochen, bei den Wahlkampfversammlungen negierte man den Genozid in Srebrenica.

In einem solchen Wahlkampfklima mussten die Bürger/innen von BuH sich häufig  Botschaften und Versprechungen der Kandidat/innen für das Amt des/der Gemeindevorsteher/in und der Gemeinderäte anhören, die schlicht außerhalb der Zuständigkeiten einer lokalen Selbstverwaltung lagen. Die Wahlkampagne erinnerte eher an ein TV-Programm als ein Politikprogramm. So nutze man zum Beispiel populäre Seifenopern als Motiv auf Wahlplakaten. Nur wenige Kandidat/innen haben sich auf konkrete Weise und mit konkreten Vorschlägen mit der wirtschaftlichen und infrastrukturellen Entwicklung der lokalen Gemeinden beschäftigt.

Die vorläufigen Ergebnisse

  • Die meisten Gemeindevorsteher/innen (34) stellt nach der Wahl die Partei der Demokratischen Aktion (SDA), während sie bei den Wahlen in die Gemeinderäte in 41 Gemeinden die meisten Stimmen erhielt.
  • An zweiter Stelle lag die Serbische Demokratische Partei (SDS) mit 25 gewonnen Gemeindevorsteher/innen, im Gegensatz zu 13 aus den Lokalwahlen von 2008. Gleichzeitig erlangten ihre Kandidat/innen in 24 Gemeinden die Mehrzahl der Stimmen bei der Wahl der Gemeindeversammlung.
  • Der Bund der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) stellt nun 19 Gemeindevorsteher, statt bisher 41, und in 32 Gemeinden bekamen sie die meisten Stadträte.   
  • Die Kroatische Demokratische Union (HDZ) gewann 13 Gemeindevorsteher, während ihre Kandidat/innen in 19 Gemeinden die Mehrheit der Sitze im Stadtrat erlangte.
  • Die Sozialdemokratische Partei (SDP BuH) wird 11 Gemeindevorsteher stellen, und in neun Gemeinden haben sie die meisten Sitze in den lokalen Parlamenten.
  • Die Kroatische Demokratische Union 1990 (HDZ 1990) stellt drei Gemeindevorsteher, ebenso der Demokratische Volksbund in der RS (DNS), und der Bund für eine bessere Zukunft (SBB BiH) erlangte zwei Ämter.    

Eine weitere Anzahl von Ämtern des Gemeindevorstehers ging an unabhängige Kandidat/innen und Koalitionen.

Die endgültigen Ergebnisse wird die zentrale Wahlkommission Bosnien-Herzegowinas am 23. Oktober bekanntgeben. Es gilt aber als sicher, dass es im Vergleich zu den bisher veröffentlichten Ergebnissen keine großen Abweichungen geben wird.

Unter den 140 Gemeindevorsteher/innen und Bürgermeister/innen sind nun fünf Frauen, und zwar in den Gemeinden Visoko, Novi Grad, Kalinovik, Doboj Süd und Mrkonjić Grad. Bis zu diesen Wahlen hielten nur drei Frauen diese Positionen inne. Auch in den Gemeinderäten werden sie künftig etwas stärker als bisher vertreten sein.

Die Wahlbeteiligung war relativ hoch und lag bei rund 57 Prozent, wobei es eine große Anzahl an ungültigen Stimmzetteln gab (5,5 Prozent).

Der größte Verlierer dieser Wahlen ist die SNSD, sowohl im Vergleich zu den Lokalwahlen von 2008, aber auch den Allgemeinwahlen 2010. Parteichef  Milorad Dodik hat wegen dieser schlechten Wahlergebnisse bereits neun Parteiausschüsse der Gemeinden aufgelöst und weitere Schritte angekündigt.

Die SDP BiH hat im Verhältnis zu den Lokalwahlen 2008 insgesamt ein etwas besseres Ergebnis erzielt, hat jedoch in zwei großen Gemeinden, Novi Grad in Sarajevo und Bihać, das Vertrauen der Wähler/innen verloren. Im Vergleich zu den Stimmen, die sie bei den Allgemeinwahlen 2010 bekommen hatten, ist die Unterstützung für diese Partei unbestätigten Angaben zufolge um fast 100 000 Stimmen gesunken.

Srebrenica und Mostar

Im Fokus der medialen Öffentlichkeit lagen insbesondere die Wahlen in Srebrenica. Bei den letzten Lokalwahlen hatten alle Einwohner/innen Srebrenicas, die bei der Volkszählung von 1991 registriert waren, ungeachtet ihres Aufenthaltsortes das Recht, für ihre lokalen Regierungsvertreter/innen zu stimmen. Aber bei den diesjährigen Wahlen wurden auch auf Srebrenica die allgemeinen Wahlregelungen angewendet, die eine Wahl am jeweiligen Aufenthaltsort vorschreiben. Parteien, die hauptsächlich die Stimmen der Bosniaken für sich verbuchen, entschieden sich für einen gemeinsamen Kandidaten, Ćamil Duraković, während die Parteien, die eine serbische Wählerschaft um sich versammeln, Vesna Kočević ihre Unterstützung gaben.    

In der Zwischenzeit versuchte die Nichtregierungs-Initiative „Ich stimme für Srebrenica“  vor allem die ehemaligen Einwohner/innen Srebrenicas – aber auch die übrigen Bürger/innen Bosnien-Herzegowinas – dafür zu gewinnen, ihren Aufenthaltsort in Srebrenica anzumelden.   

Laut der bisherigen Wahlergebnisse führt Ćamil Duraković in Srebrenica. Dennoch wartet man noch auf die Auszählung der Stimmen, die in Abwesenheit abgegeben wurden sowie der Briefwahlstimmen aus dem Ausland.

Die Bürger/innen von Mostar hatten hingegen bei diesen Lokalwahlen keine Gelegenheit, zu wählen. Die politischen Akteure konnten sich nicht über die Umsetzung der Entscheidung des Verfassungsgerichts BuH  hinsichtlich der Art und Weise der Wahl der Räte in den Stadtrat von Mostar einigen, sodass die zentrale Wahlkommission BuH die Entscheidung über die Durchführung der Lokalwahlen in dieser Stadt verschob.

Rückkehr in die 90-er Jahre?

Wie sich die Ergebnisse der Lokalwahlen auf den andauernden Prozess der Regierungsbildung auf allen Ebenen in BuH auswirken, wird sich noch zeigen müssen. Sicherlich werden aber die Parlamentswahlen 2014 die Resultate der Lokalwahlen widerspiegeln.

Fazit: In den bosnisch-herzegowinischen Medien gibt es zahlreiche Analysen und Kommentare zu den Wahlergebnissen. Im Kern lauten sie kurz zusammengefasst:

Für die einen bedeutet der Sieg der SDA, der SDS und der HDZ eine zumindest symbolische Rückkehr in die neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts. Andere wiederum sind der Meinung, dass die Parteien mit sozialdemokratischen Vorzeichen aufgrund – wie sie sagen – leerer Versprechen, Arroganz und der Teilnahme am ethnischen Spiel abgestraft wurden.