Arbeitsmigrationspolitische Prozesse und Perspektiven

„Care-Migration“ befindet sich an der Schnittstelle von Einwanderungs-, Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik. Die arbeitsmigrationspolitischen Prozesse und Perspektiven der Care Migration werfen unter anderem die Fragen auf, wie Arbeitsmigration und Arbeitskräftenachfrage im Einklang gebracht werden können, inwiefern Herkunfts- und Aufnahmeländer gleichermaßen von Care Migration profitieren können, und wie sich der sogenannte „Care-drain“ und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Konsequenzen vermeiden lassen. Der Schwerpunkt des Workshops lag vor allem auf der deutschen Anwerbepolitik, auf den Perspektiven für die Pflegeberufe, der internationalen Regulierung der sogenannten Pflegemigration und den Fragen von Illegalität und mangelnden Rechten der Migrantinnen.

Die erfolgreiche internationale Vernetzung von Care-Arbeiterinnen führte 2011 zum Abschluss der ILO Konvention C-189 „Decent work for domestic workers“. Durch die Konvention soll bezahlte Care Arbeit als richtige Arbeit anerkannt, wahrgenommen und private Haushalte als Arbeitsplätze betrachtet werden. Auch das Gleichbehandlungsprinzip, nach dem Differenzierungen aufgrund von Nationalität oder Immigrationsstatus verhindert werden sollen, ist ebenfalls in der Konvention verankert. Obwohl diese Konvention einen wichtigen Fortschritt in Bezug auf die Verbesserung der Rechte und der gesamten Situation von Hausangestellten darstellt, bleibt ihre Durchsetzung in vielerlei Hinsicht problematisch. Zum Einen sind diese Arbeitsverhältnisse aufgrund des zumeist prekären Immigrationsstatus häufig unsichtbar und demzufolge nicht quantifizierbar. Zum Anderen behindern institutionelle Hürden in den Aufnahmeländern nach wie vor die Verwirklichung der von der Konvention eingeräumten Rechte.

Im Workshop wurde auch die Differenzierung zwischen Haushaltshilfen und Pflegekräften problematisiert. Die Tatsache, dass es zwischen osteuropäischen Pflegekräften und der deutschen ambulanten Pflege keine direkten Verdrängungseffekte gibt, wurde unter anderem damit erklärt, dass die Bezeichnung Haushaltshilfe ihnen automatisch einen niedrigeren sozialen Status verleiht. Der Unterschied solle das Qualifikationsniveau bezeichnen, deute aber auch auf eine gewollte Trennung zwischen nationalen und ausländischen Pflegekräften hin.

In der Diskussion wurde versucht, diese Differenzierung zu begründen. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass obwohl die Differenzierung zwar für Finanzierungsaspekte und Qualitätssicherung nötig sei, sie aber Schwierigkeiten bei der Verwirklichung der Rechte von ausländischen Pflegekräften verursache. Ein Vorschlag zur Minderung solcher negativen Effekte war die Erarbeitung realistischer Tätigkeitsbeschreibungen.

Andere Lösungsvorschläge zielten auf den Aufbau von Ausbildungsmöglichkeiten in Deutschland, auf die Verbesserung des Anerkennungssystems von ausländischen Qualifikationen oder etwa auf die Abschaffung des Arbeitsverbots für bestimmte Gruppen von Migrant/innen und Ausländer/innen. Das französische System des „Haushaltscheks“ wurde mehrmals als Beispiel genannt und insbesondere der damit verbundene Zugang zur Sozialversicherung und zum Mindestlohn wurde positiv bewertet. Das französische Verfahren wurde dennoch kritisiert, weil es nicht weniger sei als eine Sonderform des deutschen Minijobsytems.

Im Anschluss widmete sich die Diskussion der Problematik des „grauen Pflegemarkts“ in Deutschland, der durch eine Kombination von unterschiedlichen Regelungen und strukturellen Faktoren ermöglicht werde. Das auf europäischer Ebene geltende Recht schaffe die Bedingungen für die Entstehung einer grauen Zone im Care-Arbeitsmarkt. Die Niederlassungsfreiheit, die Arbeitnehmer/innenfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit erlauben die Anwerbung von osteuropäischen Pflegekräften und Haushaltshilfen, um die strukturelle, häusliche Versorgungslücke zu schließen. Diese Art von Beschäftigung liege an der Grenze zwischen der legalen und illegalen Sphäre. Solche Beschäftigungsverhältnisse können zu ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und asymmetrischen Beziehungen zwischen Angestellten und Arbeitgeber/innen führen.

Der „graue Pflegemarkt“ und der zugrundeliegende mehrstufige Care-Arbeitsmarkt bilden Anreize für illegale Beschäftigung. Die Diskussion fokussierte sich auf die semi-legale Anwerbung von osteuropäischen Pflegekräften und ließ damit andere Gruppen von Care-Migrantinnen aus. Care-Arbeiterinnen aus dem Globalen Süden sind Teil der deutschen Care-Problematik, bleiben aber meistens unsichtbar sowohl in öffentlichen politischen Debatten als auch in der Formulierung von praktischen Lösungsansätzen. Die Care-Krise wird ebenso wenig aus der Perspektive von strukturellen Ungleichheiten und Diskriminierung analysiert und diskutiert.