4. Was sind Handelshemmnisse, welche will das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abbauen und warum?

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Der G20-Gipfel am 14. und 15. November 2008 in Washington

Was genau sind Handelshemmnisse und wie will das TTIP welche wirtschaftlichen Barrieren abbauen? Hier erklären wir, welche Vertragsmodelle bereits existieren und wie sie weiterentwickelt werden sollen.

Was sind Handelshemmnisse?

Ein Drittel aller exportierenden Unternehmen der Bundesrepublik klagt über Handelshemmnisse: bürokratische Einfuhrbestimmungen beispielsweise oder nationale Schutzzölle, vor allem aber über so genannte Marktzutrittsschranken.

Unterschieden werden "tarifäre" und "nicht-tarifäre" Handelshemmnisse: "Tarifär" sind Zölle oder andere Einfuhrkosten. Als "nicht-tarifär" werden beispielsweise technische Vorschriften, industrielle Sicherheitsstandards, Vorschriften über die Sicherheit von Lebens- oder Arzneimitteln, Umweltstandards oder Zulassungsbedingungen gesehen. Der Begriff „Handelshemmnis“ wird dabei teilweise kritisch gesehen, denn das, was in der Freihandelstheorie negativ als „Hemmnis“ beschrieben wird, kann eine sinnvolle Maßnahme zum Beispiel zum Umwelt- oder Verbraucherschutz sein.

Welche Handelshemmnisse will das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP abbauen?

Am geringsten ausgeprägt sind zwischen den USA und der EU die so genannten "tarifären Handelshemmnisse" - also Zölle. Zwar gibt es bei einzelnen Produkten überraschend hohe Zölle. So muss ein amerikanischer Verbraucher beim Kauf eines Kleinlasters aus Europa 25 Prozent Zoll abführen, beim umgekehrten Geschäft berechnet die EU 22 Prozent an Einfuhrzoll. In beiden Fällen wird dadurch das Produkt sehr stark verteuert. Die EU erhebt Spitzenzölle vor allem im Agrarhandel (bis zu 25 Prozent), die USA bei Textilien (42 Prozent), Bekleidung (32 Prozent) sowie Leder und Schuhwerk (56 Prozent).

Verschiedene Studien sind zu unterschiedlichen Einschätzungen gekommen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen TTIP haben würde. Eine von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie (PDF) kommt zu dem sehr ambitionierten Ergebnis, dass bei einem weitreichenden Abkommen das Bruttosozialprodukt in der EU um 0,5 Prozent (119 Milliarden Euro) wachsen würde, dasjenige der USA um 0,4 Prozent (95 Milliarden Euro). Die Methodik dieser und anderer Studien ist umstritten und wird teilweise kritisiert. (Siehe auch Frage 6 „Wer sind die Befürworter/innen, wer die Gegner/innen des Transatlantischen Freihandelsabkommens – und wie argumentieren sie?

Insgesamt sind die "tarifären Handelshemmnisse" jedoch nicht das Hauptproblem. Den durchschnittlich 5,3 Prozent hohen Importzöllen, die von der EU auf Waren aus der USA erhoben werden, stehen durchschnittlich 3,5 Prozent Zollkosten in den USA gegenüber – ein vergleichsweise moderates "Hindernis".

Deshalb steht bei den Verhandlungen zu TTIP die Harmonisierung von Normen und Standards im Zentrum. Angestrebt sind Regelungen zu nicht-tarifären Handelshemmnissen wie beispielsweise technischen Standards oder Vorschriften für die Vergabe von Regierungsaufträgen.

Warum sollen die Hindernisse abgebaut werden?

Augenscheinlich sinkt der Einfluss der alten Wirtschaftsmächte: Betrug der Anteil der US-Exporte an allen weltweit gehandelten Waren im Jahr 2003 noch 14,2 Prozent, so waren es 2012 nur noch 10,5 Prozent. Kamen 2003 noch 19,2 Prozent aller weltweit gehandelten Güter und Dienstleistungen aus der EU, waren es 2012 nur noch 15,4 Prozent.

Die "alten Industrienationen" aus der Gruppe der G7 (+ Russland) – einem "Abstimmungsforum" der sieben größten Weltwirtschaften für politische und wirtschaftliche Fragen – haben an Exportkraft eingebüßt. Dagegen haben die Schwellenländer eine wachsende Rolle insbesondere die BRICS-Staaten: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Diesen Bedeutungsverlust dokumentiert auch die Ergänzung des G7-Gremiums um mehrere Schwellenländer zur G20-Gruppe.

Mit nur gut 12 Prozent der Weltbevölkerung wird in den USA und den EU-Wirtschaftsräumen allerdings gemeinsam immer noch mehr als 50 Prozent des Weltsozialprodukts erwirtschaftet. Nach Angaben des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen beträgt der Umsatz zwischen beiden Wirtschaftsräumen jährlich mehr als 3,22 Billionen Euro (PDF). Befürworter/innen argumentieren, TTIP könnte den weiteren wirtschaftlichen Bedeutungsverlust der USA und der EU stoppen helfen.

Die USA haben in der Vergangenheit nur mit 9 der 28 EU-Mitgliedsstaaten bilaterale Handels- und Investitionsabkommen geschlossen: Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, der Slowakei und Tschechien. Mit dem Vertrag von Lissabon hat die Europäische Union die Kompetenz für Investitionsfragen erhalten – sie ist damit nun rechtlich in der Lage internationale Abkommen nicht nur zu Handelsfragen, sondern auch zu Investitionsschutz abzuschließen.

Aktualisierte Version vom 24. Februar 2016.