Drohne

Künstliche Intelligenz

Ein Capriccio aus dem Jahr 2018 über eine Welt, die sich für grenzenlos klug hielt. Im Jahr 2025 prüft Kathrin Röggla, was aus der digitalen Selbstgewissheit geworden ist. 

Wir sind immer schon weiter, als wir es vermuten. Dinge geschehen, Dinge sind bereits längst programmierbar. Das Silicon Valley arbeitet immer schon längst an den Dingen, die wir noch für wilde Utopien halten: ewiges Leben, externalisiertes Denken, in die Technik hineinhuschende Zivilisationsfragen. Sogar Kunstproduktion beyond Algorithmen und Simulationen. Während ich z. B. in meiner Kapitalismuskritik nur noch aus Grauzonen zu bestehen scheine, gedanklich immer wieder im Ungefähren schwanke, die Begriffe nicht klar genug habe, werde ich schon abgelöst werden von diesem stets fitteren Partner, was für eine Beleidigung. Nun, mit dieser Beleidigung werde ich direkt leben müssen, gehöre ich zu den Happy Few, sagt man mir, indirekt gehöre ich zum Rest. 

Diese Beleidigung wird mir beim Denken helfen können, mir unliebsame gedankliche Dinge abnehmen können, mich unterstützen können, heißt es. Und der Traum ist niemals ausgeträumt! Meine Sprache ist jedenfalls niemals ganz auf der Höhe von Silicon Valley, das habe ich bereits geahnt, ich bin provoziert, glaube nicht daran, und doch geschieht es schon längst. Mein allzu kleines Erstaunen über den schachspielenden oder Go-spielenden Computer, der uns immer als Beispiel herhält, während die 10 empfohlenen Aktien der Branche auf ganz etwas anderes hinauswollen, wechselt zumindest immer wieder mit dem großen Erstaunen ab, das man für mich bereithält. Auch das wird bereits umgesetzt. Ja, es sind diese Leute aus Silicon Valley. Sie haben längst schon andere Dinge geplant, sie bauen künstlich intelligente Bunker mit künstlich intelligenten Milizen, die sie künstlich intelligent bewachen. Sie sind die Creme de la Creme der Prepper Szene, der Doomsday Prepper. Wir sind also immer schon weiter, als wir es vermuten. Readiness ist angesagt. Preparedness war gestern.

Mein Wort dazu: Die Coolness nimmt rasant ab


Kathrin Röggla, 2025 Wir sind jetzt drei Schritte weiter. Bald platzt die KI-Blase. Es nützt nichts, dass Open-AI und Nvidia sich Kapital zuschieben. Large-Language-Modelle halluzinieren, werden dümmer, und langsam fällt das auch auf. Es wird verstanden: Die Sprache, für die keine Rechenschaft abzulegen ist, ist massiv unzulänglich. Das Internet ist KI-vermüllt, Google wird unbrauchbar. Immer noch treiben die Anfragen an ChatGPT den CO2-Ausstoß in gewaltige Höhen, immer noch schwärmen Trump-Administratoren von Grönland als Kühlkeller für Serverfarmen, aber es zeichnet sich ab, dass die Coolness und Brauchbarkeit des Mediums rasant abnimmt, allenfalls für militärische Zwecke brauchbar, die ja grundlegend sind. Die Algorithmen, von Konzernherren nach ihren Interessen geschrieben, werden massiv von der Zivilgesellschaft kritisiert, es stellt sich heute die Frage, wie ein demokratisches Internet aussehen kann, welche Algorithmen es neu zu schreiben geht. Das Postinternetzeitalter bricht an! 

 

Dieser Beitrag stammt aus dem Böll.Thema 1/2018: digital ist okay! Zum Download und der Online-Ausgabe.



Kathrin Röggla ist Schriftstellerin und Professorin für Literarisches Schreiben an der Kunsthochule für Medien Köln (KHM).

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