Aufnahme von Flüchtlingen in Schleswig-Holstein: Besser als andere

Schleswig-Holstein verfügt über die schönste Erstaufnahme Deutschlands: Das Schloß Salzau im Kreis Plön.
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Schleswig-Holstein verfügt über die schönste Erstaufnahme Deutschlands: Das Schloß Salzau im Kreis Plön. Dort zogen im Herbst 2015 rund 360 Flüchtlinge ein

Sehr früh im Jahre 2015 ging Schleswig-Holstein von erheblichen Steigerungen der Flüchtlingszahlen aus. Zeitweise reagierte die Bundesregierung verschnupft, weil ihre Expertise von der Landesregierung in Kiel öffentlich in Zweifel gezogen wurde. Es zeigte sich aber: Campieren unter freiem Himmel oder Unterbringung in unbeheizten Zelten konnte im nördliches Bundesland vermieden werden.

Schleswig-Holstein hat bereits Anfang 2015 die Prognosen des „Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge“ angezweifelt, im Jahre 2015 würden „ungefähr so viele“ Flüchtlinge wie 2014 in Deutschland eintreffen. Ab Ostern 2015 wurde damit begonnen, systematisch Landesunterkünfte für die Erstaufnahme auszubauen.

Die Überreste des Kalten Krieges sind plötzlich wieder nützlich: Da die NATO einen konventionellen Angriff des Warschauer Pakten in der norddeutschen Tiefebene erwartete, wurden nördlich der Elbe starke Kräfte stationiert, in Neumünster die größte Panzerdivision der NATO. Als die 6. Panzergrenadierdivision mit ihren 30.000 Soldaten und 7.000 Kettenfahrzeugen im September 1997 aufgelöst wurde, richtete das Land in der Scholtz-Kaserne die Erstaufnahme für Flüchtlinge ein. Die bisherigen Erstaufnahmen in Itzehoe und Lübeck wurden aufgelöst, dort entstanden auf ehemaligen Kasernengeländen Neubaugebiete. Danach verfügte die Landesunterkunft in Neumünster über die gesetzlich vorgeschriebenen 500 Plätze, aber nur 400 wurden genutzt und ungefähr 360 waren belegt.

Im Jahre 2015 wurde die Kapazität durch Ausbau, Neubau, Container und zwischenzeitlich auch Zelte auf rund 2.000 Plätze aufgestockt, mit der Belegung der Gemeinschaftsräume und Flure mit Matratzenlager wurden hier bis August immer rund 6.000 Flüchtlinge untergebracht. Gleichzeitig wurden andere leerstehende Kasernen hergerichtet und belegt, an mehreren Orten entstanden Containerdörfer. In Neumünster leben seit Oktober 2015 „nur“ noch rund 4.000 Flüchtlinge gleichzeitig, am Wochenende auch mal 4.400. An anderen Standorten sind es in der Regel 800 bis 2.000 Plätze, zusammen im November 2015 rund 13.000 Plätze an 12 Standorten.

Schleswig-Holstein verfügt auch über die schönste Erstaufnahme Deutschlands: Das Schloß Salzau im Kreis Plön stand lange leer und dann zum Verkauf, im Herbst 2015 gab das Finanzministerium die Verkaufspläne auf und nahm auch dort rund 360 Flüchtlinge auf.

Aufnahme für Transitflüchtlinge

Schleswig-Holstein hat auch deshalb jahrelang mehr Flüchtlinge als im Königssteiner Schlüssel vorgesehen aufgenommen (und die Überzähligen in den Osten verteilt), weil die Bundespolizei regelmäßig die Transitrouten nach Dänemark und Schweden kontrollierte und viele Flüchtlinge stoppte, die mehr oder weniger „gezwungen“ wurden, ihren Wunsch nach Asyl hier vorzubringen. Seit dem September 2015 haben Bundes- und Landespolizei in Schleswig-Holstein (vorübergehend) die Registrierung eingestellt.

Flüchtlinge, die sich an die Polizei wenden, werden höflich gefragt, ob sie kontrolliert werden möchten oder auf dem Weg in ein anderes Land seien. Zeitweise transportierte die Landespolizei diejenigen, die nachts auf dem Bahnhof in Flensburg strandeten, per Polizeibus in eine Notunterkunft, versorgte sie mit Abendbrot und Frühstück und brachte sie am nächsten Morgen zu einer Fähre, die sie nach Schweden oder Finnland transportierte.

Dass die Polizei einigen auch Fahrkarten spendierte, ist verbürgt, wird aber von der Landespolizei wegen der fehlenden Rechtsgrundlage nicht gerne kommentiert. Allerdings wird von einigen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten stolz berichtet, viele Flüchtlinge hätten sich bei ihnen mit der Begründung gemeldet, sie wüssten aus dem Internet, die schleswig-holsteinische Polizei sei die netteste Deutschlands. Ich habe den Innenminister darauf angesprochen, ob er diese Berichte kenne: „Ja, und das wird auch so bleiben“, antwortete er kurz wie entschlossen.

In Flensburg übernahmen Freiwillige die Betreuung und Versorgung von „Transitflüchtlingen“, die bis Mitte November fast ohne Probleme durch Dänemark nach Schweden gelassen wurden, inzwischen kontrolliert die dänische Polizei wieder und schickt auch Einzelne zurück. In Lübeck und Kiel übernahmen ebenfalls Freiwillige die Betreuung, auch wenn zeitweise über 800 Transitflüchtlinge an beiden Orten alle Kapazitäten sprengten. Gleichzeitig sammelte nicht nur der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Spenden für Tickets, wobei der Hauptteil der Kosten von den Flüchtlingen selbst getragen wurde.

Während in Lübeck die UnterstützerInnen ein fast ungenutztes städtisches Gebäude symbolisch besetzen mussten, um den Bürgermeister zu Gesprächen über die Nutzung als Notunterkunft zu nötigen, griff in Kiel der Oberbürgermeister entschlossen ein: Hier liegt der Anleger der Schweden-Fähre direkt in der Innenstadt, gegenüber soll das leer stehende „C&A-Gebäude“ voraussichtlich 2016 abgerissen werden. Dieses vierstöckige Kaufhaus beschlagnahmte er und übergab es den Freiwilligen, setzte aber auch die städtische Feuerwehr und den Rettungsdienst ein, weil viele Hundert Flüchtlinge täglich kamen, aber nur zwischen 70 und 150 pro Tag per Fähre nach Schweden konnten. Inzwischen hat auch Schweden wieder Grenzkontrollen eingeführt, die Fähre nimmt nur noch Flüchtlinge mit, die über einen Pass verfügen - der Strom ist Anfang Dezember stark abgeebbt.

Weitere Beiträge zur Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein finden Sie auf der Länderseite unseres Dossiers "Wie schaffen die das? Die Flüchtlingspolitik der Länder" (zur Startseite).