Zusammenfassung der Veranstaltung vom Dienstag, 9. Oktober 2007, im German House in New York
Übersicht: Veranstaltungsreihe zum Umgang mit dem iranischen Atomprogramm
von Helga Flores-Trejo und Bidjan Tobias Nashat
Die gemeinsam mit dem Aspen Institute Berlin organisierte Veranstaltung, “Dealing with the Iranian Nuclear Program – the Negotiation Process within the UN Security Council”, vom Dienstag, den 9. Oktober 2007 im German House in New York kreiste um einige Schwerpunkte, die hier verkürzt wiedergegeben werden sollen:
Es bestand Einvernehmen unter den Teilnehmern, dass seit dem Irakkrieg eine tektonische Verschiebung der Macht- und Konfliktverhältnisse im Mittleren Osten stattgefunden hat. Während noch vor einigen Jahren der Israel-Palästina-Konflikt im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand, sei nun die iranisch-arabische Rivalität in den Vordergrund gerückt. Daher sei die Beachtung der regionalen Dimension von großer Bedeutung. Die arabischen Regierungen sähen, ganz im Gegensatz zu ihrer Bevölkerung die iranischen Bemühungen um eine Vorherrschaft in der Region mit zunehmender Unruhe. Durch die Verflechtung Irans in die verschiedenen Konfliktherde der Region, wie z.B. dem Irak, Libanon und Palästina, ließe sich keine Lösung erarbeiten, wenn jeweils nur einzelne Problemfelder voneinander entkoppelt behandelt werden würden. Ein Teilnehmer war dagegen der Auffassung, dass die Nuklearfrage unbedingt von den regionalen Problemen unabhängig betrachtet werden müsse, da das Nuklearprogramm schon seit langem Teil der iranischen Außenpolitikstrategie sei und eine solche Betrachtung für ein besseres Verständnis der iranischen Hegemonialambitionen erforderlich sei.
Grosse Bedeutung maßen die Teilnehmer der Wahrnehmung innerhalb der Region zu. Mehrere Teilnehmer unterstrichen die Bedrohungswahrnehmung innerhalb der arabischen Welt im Allgemeinen und die der arabischen Regierungen im Besonderen, wobei letztere wohl jederzeit mit einem US-Angriff auf den Iran rechneten. Gehe man nach der Einschätzung arabischer Regierungsmitglieder, sei Iran der durch den Irakkrieg neu erstarkte Feind, der durch Sanktionen und Diplomatie nicht zu bändigen sei, was einen militärischen Konflikt demnach unausweichlich mache. Einem Teilnehmer zufolge sei das iranische Regime seit der Revolution darauf bedacht, den Konflikt mit den USA außerhalb ihres Territoriums auszutragen und sehe keine Chance für eine Anerkennung der Islamischen Republik durch die USA. Ein weiterer Teilnehmer betonte, dass diese unterschiedlichen Wahrnehmungen eine friedliche Lösung des Konflikts erschwerten.
Ein zweiter Schwerpunkt war die Frage, ob Sicherheitsgarantien der USA gegenüber Iran zu einer Verbesserung der derzeitigen Situation führen könnten. Hier gingen die Meinungen unter den Teilnehmern auseinander. Ein Teilnehmer erinnerte daran, dass unter den derzeitigen Umständen keine US-Regierung in der Lage sei, Iran Sicherheitsgarantien zu geben. Er führte als Gründe neben dem angeblichen iranischen Streben nach Massenvernichtungswaffen die Unterstützung von terroristischen Organisationen wie Hisbollah und Hamas und die Involvierung im Irak an. Dennoch sehe er Sicherheitsgarantien als Voraussetzung für eine längerfristige Annäherung und Lösung des Konflikts an, da Iran an anderen Zugeständnissen nicht sonderlich interessiert sei. Ein Teilnehmer widersprach dieser Auffassung. Das Beispiel Nordkoreas zeige, wie sich ein Regime auch mit Sicherheitsgarantien nicht zufrieden gebe. Dass Sicherheitsfragen der einzige Hintergrundgedanke der Iraner sei, hielt er ebenfalls für fraglich. Die Iraner hätten mehrmals öffentlich verlauten lassen, nicht an Sicherheitsgarantien interessiert zu sein. Diesem Punkt widersprachen wiederum andere Teilnehmer und beriefen sich dabei auf die nicht-offizielle Kommunikation mit iranischen Verantwortlichen.
Die Diskussion um die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien mündete in einer Auseinandersetzung über die Frage, ob das iranische Regime der Stein des Anstoßes sei, oder nur das iranische Nuklearprogramm. Hier gingen die Ansichten weit auseinander. Ein Teilnehmer charakterisierte diesen Unterschied als Hauptproblem der Verhandlungen und verurteilte die Forderungen von Teilen der US-Regierung nach einem Regimewechsel. Die USA sollten Iran vollständig anerkennen. Es bedürfe einer ehrlichen Antwort auf die Frage, warum Iran Nuklearwaffen versagt bleiben sollten, wenn man seine nuklear bewaffneten Nachbarn mit einbeziehe. Zwei weitere Teilnehmer vertraten die Ansicht, dass das iranische Regime das eigentliche Problem sei und man von daher auf Sicherheitsgarantien verzichten und die Sanktionen verschärfen solle. Es handle sich um ein Regime, das die Region destabilisiere und dessen Vertreter für vollkommen inakzeptable Äußerungen verantwortlich seien. Ein anderer Teilnehmer verwies auf die Notwendigkeit der gegenseitigen Vertrauensbildung, die für die gewünschte politische Lösung unabdingbar sei.
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war die Frage, inwieweit der Irakkonflikt die Situation innerhalb der Region verschärfe. Ein Teilnehmer machte auf den Fehler der „Iraq Study Group“ aufmerksam, die Nachbarn Iraks als an regionaler Stabilität und Frieden interessiert darzustellen. Aus vielen nicht-offiziellen Gesprächen in der Region sei deutlich geworden, dass einige Staaten eher an einem kalkulierten Chaos arbeiteten und die Aufständischen aktiv unterstützen würden. Ein weiterer Teilnehmer machte deutlich, dass es innerhalb der Bush-Administration immer noch Personen gebe, die einen Militärschlag befürworteten. Der Irak könnte als Anlass dienen, da der demokratisch kontrollierte US-Kongress keine direkte Kriegserklärung gutheißen würde. Er betonte ebenfalls, dass der US-Vorwurf der iranischen Einmischung im Irak jegliches Geschichtsbewusstsein vermissen lasse, da er die Jahrzehnte alten Beziehungen zwischen Iran und den irakischen Schiitenmilizen vernachlässige. Ein anderer Teilnehmer gab sich überzeugt, dass das iranische Regime aufgrund der Nuklearfrage keinen Krieg riskieren wolle. Eine gefährliche Entwicklung seien jedoch die derzeitigen US-iranischen Spannungen im Irak, die großen Anlass zur Sorge vor einem militärischen Konflikt zwischen Iran und den USA gäben.
Im Hinblick auf Sanktionen waren die Teilnehmer mehrheitlich der Auffassung, dass diese eher einen symbolischen als einen wirtschaftlich signifikanten Charakter hätten. Ein Teilnehmer sprach in seiner Einleitung davon, dass die derzeitigen Sanktionen sinnvoll seien, da sie die Schraube langsam fester ziehen und an den Stellen ansetzen würden, an denen es den Verantwortlichen in Iran wehtue. In einem Ausblick auf eine mögliche transatlantische Strategie gegenüber der Islamischen Republik Iran verwies er auf die Schwierigkeit, Russland und China an Bord zu behalten. Mit einer „Koalition der Willigen“ ließen sich keine sinnvollen Sanktionen durchsetzen. Einige Teilnehmer äußerten sich zuversichtlich, dass es eher früher als später eine neue Resolution mit Sanktionen geben würde. Man müsse jedoch die Verhandlungen Solanas und den Bericht der IAEA im November abwarten. Weitergehende Sanktionen fanden jedoch unter den Teilnehmern keine generelle Unterstützung. Ein Teilnehmer gab sich überzeugt davon, dass die Haltung des iranischen Regimes durch Sanktionen nicht beeinflussbar sei.
In Bezug auf die Verhandlungen in New York warnten einige Teilnehmer davor, das iranische Nuklearprogramm auf die lange Bank zu schieben. Zwei Teilnehmer warnten davor, dass sich das derzeitige Zeitfenster für Verhandlungen mit dem Iran bald schließen könne, sobald das Nuklearprogramm einen Durchbruch erreiche. Ein weiterer Teilnehmer verwies in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung von Zweck und Mitteln im Verhandlungsprozess. Zweck sei eindeutig eine stabile und friedliche Region und nicht ein Ende der iranischen Anreicherung. Diesen Zweck müsse man in das Zeitfenster der Verhandlungen mit einbeziehen. Dennoch merkte ein Teilnehmer an, dass man nicht sicher sein dürfe, ob die iranische Führung nicht doch das japanische oder ein anderes Nuklearmodell der militärischen Option vorziehe. Wie das Nuklearprogramm aussehen werde, sei seiner Meinung nach noch nicht unbedingt entschieden. Auf die Frage nach der Position gegenüber Iran innerhalb der EU und bei den europäischen Vertretern im VN-Sicherheitsrat betonte er, dass unter den drei europäischen Vertretern Einigkeit bestehe, in jedem Falle mehr Einigkeit als gemeinsam mit den drei weiteren Sicherheitsratsmitgliedern.
Bei Ansätzen zur Lösung des Konflikts um das iranische Nuklearprogramm zeichnete ein Teilnehmer ein pessimistisches Bild für die gesamte Region. Die geplante internationale Konferenz für den Mittleren Osten sei in diesem Zusammenhang leider nicht bedeutsam, da sie selbst bei einem Verhandlungserfolg ohne die wirklich einflussreichen regionalen Akteure am Verhandlungstisch keine nachhaltige Stabilität mit sich bringen werde. Ein Teilnehmer forderte einen amerikanischen Strategiewechsel im Hinblick auf den Iran, wie es ihn seit den 1970ern mit China nicht mehr gegeben habe. Andernfalls sei der Konflikt nicht beizulegen.
Ein anderer Teilnehmer zeichnete mit einem etwas engeren Bezugsrahmen auf die Verhandlungen mit der iranischen Führung ein vorsichtig optimistisches Bild. Man sei auf dem richtigen Weg, Iran in die Verhandlungen einzubinden, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und dennoch dem Regime Druck zu machen. Beispielsweise eine VN-Resolution zum Thema Holocaust würde Druck auf die iranischen Vertreter in New York und innerhalb Irans ausüben. Langfristig brauche man für die Region aber einen Prozess, der dem der OZSE ähneln würde.
Ein interessanter Aspekt der Diskussion war die Tatsache, dass die innenpolitische Situation im Iran fast nicht beleuchtet wurde. Ebenfalls spielten die Positionen Russlands und Chinas nur eine Nebenrolle, da die Teilnehmer sich mit Einschätzungen über Details des Verhandlungsprozesses in New York zurückhielten. Die Mischung der verschiedenen transatlantischen Perspektiven gelang, so dass die Unterschiede in den politischen Positionen hervorkamen, wie z.B. die sichtliche Kluft zwischen der italienischen und der französischen Position. Anstatt technischer Details zum iranischen Nuklearprogramm kam somit eine intensive Diskussion mit aktuellen Analysen der gesamten Region zustande.