General Pervez Musharraf verspricht Wahlen – unter Ausnahmezustand

22. April 2008
Eine Analyse von Imtiaz Gul, 12. November 2007

von Imtiaz Gul

General Pervez Musharrafs Auftritt am Sonntag vor der Presse bestätigte erneut: Er ist von den Grundrealitäten Pakistans nach der Verhängung des Ausnahmezustands abgeschnitten. Die  Parlamentswahlen, versprach er, sollen vor dem 9.Januar stattfinden. Der Ausnahmezustand allerdings besteht weiter.

Auf die Frage, wie man freie Wahlen unter diesen Umständen erwarten könne, erwiderte  Musharraf: „Der Ausnahmezustand garantiert uns die notwendige Sicherheit für die Wahlen – vor allem angesichts der zunehmenden Terroranschläge im Lande.” Für Musharraf bleibt der Ausnahmezustand „eine unausweichliche Notwendigkeit.”

Die politischen Parteien, allen voran die Vorsitzende der Pakistans Peoples Party (PPP), die ehemalige Premierministerin Benazir Bhutto, bewerten Musharrafs Erläuterungen ganz anders: Wahlen unter diesen Umständen seien undemokratisch. Der Ausnahmezustand, so meinte Ewar Beg, ein Mitglied des Bundesrates (Senate), ermöglicht dem Regime Wahlbetrug und die Unterdrückung der Opposition. Beg, Mitglied der PPP, behauptet, Musharraf halte das Land permanent in einem Zustand der Konfrontation.

Imran Khan, ehemaliger Cricket-Star und jetzt Oppositionspolitiker, und seit vergangener Woche untergetaucht, um der Verhaftung zu entgehen, vertritt die selbe Meinung: „General Musharraf  möchte alles selber bestimmen, ungeachtet dessen was das Volk sagt. Damit ist eine weitere Konfrontation zwischen der Regierung und der Opposition programmiert.”

Ausnahmezustand „eine unausweichliche Notwendigkeit”?

Mit der Verhängung des Ausnahmezustand sind alle lokalen sowie ausländischen Nachrichten-Fernsehsender verboten worden, mehr als 5000 Rechtsanwälte und politische Aktivisten wurden verhaftet, und die Presse einer neuen „Rechtsordnung” unterstellt. Weiter ließ Musharraf am Wochenende den berüchtigten, bislang nur für die Militärs bestimmten „Army Act” dahingehend ändern, dass ab sofort auch Zivilisten des Verrates oder Verstoßes gegen „nationale Interessen” angeklagt werden können.

Unter dem neuen „Code of Conduct”  für die Medien des Landes gilt Zensur total. Die Medien dürfen keine gegen Musharraf, das Militär oder die „Pakistan-Ideologie“ gerichteten Beiträge publizieren. Strafbar sind auch Aussagen, die die Regierung als „gefährlich oder gegen die Interessen  des Landes“ gerichtet einstuft.

Das strikte Verbot  politischer Versammlungen besteht weiter. Zwar genießt Benazir Bhutto bisher gewisse Freiheiten, aber nur, weil die Vereinbarung mit der Regierung, unter der sie nach mehr als achtjährigem Exil am 18. Oktober 2007 nach Pakistan zurückkehrte, von den USA und Großbritannien mit ausgehandelt wurde. Bhuttos Versuch, am 9. November eine Protestkundgebung in Rawalpindi, der Stadt in der sich das Militärhauptquartier befindet, zu organisieren, scheiterte allerdings an massiven Sicherheitsvorkehrungen.

Für den 13. November hat Bhutto einen „langen Marsch” über 300 Kilometer von Lahore nach Islamabad angekündigt. Es ist unsicher, ob die Behörden dies ohne Auflagen zulassen werden. Dem Protestmarsch, sollte er stattfinden, könnten sich Zehntausende anschließen, und General Musharraf fürchtet sich vor den möglichen Konsequenzen. Ganz gleich, ob Bhutto an Kundgebungen teilnehmen kann, die Lage für Musharraf und seine Unterstützer bleibt angespannt.

Musharraf auf dem Rückzug?

Die Opposition verlangt weiterhin die Aufhebung des Ausnahmezustands und damit die Wiedereinsetzung der entlassenen Richter des Verfassungsgerichts. Insgesamt 13 der 18 Richter lehnten den Ausnahmezustand und damit die Aufhebung der Verfassung ab. Wegen ihrer Opposition verloren sie ihre Richterjobs und stehen seither unter Hausarrest. Mindestens 60 Richter – auch an den der vier Provinzgerichten  (High Courts) – wurden nach Hause geschickt. Die Parteien verlangen weiterhin eine neutrale Übergangsregierungen in Islamabad und den vier Provinzen und die Wiederherstellung der Wahlkommission, um faire Wahlen zu sicherzustellen.

Musharraf befindet sich auf unsicherem Grund; seine Zeit scheint abzulaufen. Eine wesentliche Rolle dabei spielt, dass er seinen Status als „Liebling der USA” mehr und mehr einbüßt. Mit jedem Tag verliert General Musharraf mehr an Gesicht und Macht. Kurz nach Verhängung des Ausnahmezustandes gab er den 15. Februar als möglichen Wahltermin an. Nach massivem Druck aus dem Ausland hat er Wahlen für den 9. Januar oder früher bekanntgegeben.

Freie Wahlen und der Übergang von einer Militär- zu einer Zivilregierung war Teil des vom Ausland unterstützten Kompromisses, unter dem Benazir Bhutto nach Pakistan zurückkehrte. Der Ausnahmezustand hat diese Vereinbarung schwer beschädigt und das Land erneut in die Krise gestürzt.
In einer Rede vor ausländischen Diplomaten in Islamabad am Wochenende forderte PPP-Chefin Bhutto die internationale Gemeinschaft dazu auf, Pakistan dabei zu helfen, eine demokratische Kultur zu entwickeln und entsprechend den Druck auf Musharraf und die Militärs zu erhöhen. „Es geht nicht um Benazir Bhutto oder ihre Partei, es betrifft die Zukunft unserer Kinder, die Zukunft des Landes”, sagte die Oppositionsführerin in leidenschaftlichem Ton. Sie bestritt General Musharrafs Behauptung, das Militär sei die beste Antwort auf Terroristen und religiösen Extremisten. Durch Demokratie, Dialog und die Beteiligung des Volkes, durch Fürsorge für die Armen und Hilfslosen könne der Kampf gegen die Extremisten gewonnen werden – nicht durch brutale Militärmacht.

In den ersten zehn Monaten dieses Jahres gab es in Pakistan 43 Selbstmordattentate bei denen etwa 700 Menschen ums Leben kamen. Der schwerste Anschlag ereignete sich während Benazir Bhuttos Fahrt durch die Hafenmetropole Karachi, zu der sich Millionen Bürger versammelt hatten. Es starben mindestens 139 Menschen, hunderte erlitten teilweise schwerste Verletzungen. Beobachter sind sich einig darin, dass die Militärkampagne im Grenzgebiet zu Afghanistan (FATA)  wie auch in Teilen der Nordwestlichen Provinz den Konflikt zwischen den Taliban und den Sicherheitsbehörden nur weiter verschärft hat.

Mangelnde Infrastruktur, Arbeitslosigkeit, das unterentwickelte staatliche Schulwesen und die verdeckte Unterstutzung der Militanten seitens vieler Beamter und Geheimdienstler haben dazu geführt, dass viele Dörfer im nördlichen Pakistan heute praktisch unter der Kontrolle der Taliban stehen.

Fazit

Solange das Militär hinter Musharraf steht und auf eigene Interessen und das eigene Überleben bedacht ist, bleibt die politische Zukunft des Landes unsicher. Es mag Unruhe und Unzufriedenheit im Militär gegenüber Musharrafs Verhalten geben. Solange er aber an der Macht bleibt und es keinen sichtbaren Widerstand gegen seine Politik gibt, muss man daraus schließen, dass die Militärspitze hinter ihm steht. Sollte sich dies nicht ändert, wird permanenter Druck aus den USA und der EU von entscheidender Bedeutung bleiben. Nur so können Musharraf und seine Helfer zum Rückzug bewegt und dazu gezwungen werden, ihre Macht an die politischen Parteien abzutreten.

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