Wir sind die Klimaschutz-Realisten

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Eröffnungsrede von Barbara Unmüßig. Foto: Stephan Röhl.

11. Dezember 2009
Eröffnungsrede von  Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung, anlässlich der Konferenz "Countdown to  Copenhagen" am 17. November 2009.


Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Klimamitstreiterinnen und Klimamitstreiter,
liebe Gäste,

im Namen aller Organisationen, die diese Konferenz vorbereitet haben, möchte ich Sie ganz herzlich willkommen heißen zu unserer internationalen Tagung „Countdown to Copenhagen – Deutschlands Ver­antwortung für die Klimagerechtigkeit“.

Kurz vor dem Klimagipfel in Kopenhagen haben sich Brot für die Welt, der Evangelische Entwicklungsdienst (EED), Misereor, Germanwatch, Oxfam Deutschland und die Deutsche Welthungerhilfe mit der Heinrich-Böll-Stiftung zusammen geschlossen, weil wir gemeinsam den Druck auf die deutsche Politik und Öffentlichkeit erhöhen wollen, damit in Kopenhagen ein Durchbruch für den globalen Klimaschutz gelingt.

Diese Konferenz versteht sich als Teil der mannigfachen Initiativen und Aktionen von Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sowie sozialen Bewegungen in Deutschland und weltweit. Wir brauchen eine Mobilisierung auf allen Ebenen und überall.

Politischer Druck und gesellschaftlicher Aufbruch können etwas bewegen.

Wir wollen einen Wettstreit der besten Vorschläge für ein ambitioniertes neues Klimaschutzabkommen befördern.

Wir lassen uns von den zahlreichen Meldungen, Kopenhagen sei schon gescheitert, nicht irritieren.

Wir werden bis zum Schluss in Kopenhagen mit vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in aller Welt für ein völkerrechtsverbindliches und gerechtes Kyoto-Folgeabkommen kämpfen, in den Lobbies der Konferenz und in den Straßen Kopenhagens, wo am 12. Dezember die Weltöffentlichkeit unsere Forderungen für den Klimaschutz lautstark vernehmen wird.

Die Realisten im Klimaschutz sind wir. Wir verlangen von der Politik nichts Geringeres, als sich endlich an die bitteren Fakten der Klimawissenschaft zu halten und nicht mehr dem Druck der fossilen Lobbyisten nachzugeben.

Wir wollen eine Klimapolitik zum Wohle der Menschen, die heute und in Zukunft unter dem Klimawandel leiden und sterben. Wir erwarten von der Politik Verantwortung für die Schöpfung und den Schutz der Lebensgrundlagen für alle Bürgerinnen und Bürgern auf diesem Planeten.

Deshalb müssen die Industrieländer klare Leistungen erbringen. Sie haben den Klimawandel mehrheitlich verursacht, sie müssen endlich handeln:

Sie müssen ihren Kohlendioxidausstoß bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent auf der Basis von 1990 mindern.
Das Ziel, die Erderwärmung unter 2 Grad zu halten, muss bekräftigt werden und mit Reduktions­zielen der Industrieländer um bis zu einem Minus von 90 Prozent bis zum Jahr 2050 untermauert werden.

Was vor Kopenhagen an Reduktionszielen auf dem Tisch liegt, ist bei weitem nicht ausreichend und umfasst höchstens die Hälfte, allenfalls Zweitdrittel der notwendigen Minderung von 40 Prozent. 

Und auch das notwendige Geld für Investitionen in die Klimavermeidung und Klimaanpassung muss endlich aufgebracht und verbindlich zugesagt werden. Neben den Reduktionszielen ist die Frage des Finanztransfers Konfliktstoff erster Güte.

Was die Industrieländer bislang an Reduktionszielen und Geldsummen vor Kopenhagen angeboten haben, ist klima- und entwicklungspolitisch nicht akzeptabel. Die armen und ärmsten Menschen, die heute schon vom Klimawandel am härtesten betroffen sind und sich kaum wehren können, empfinden dieses Pokerspiel als zynisch.

Die Industrieländer haben bislang nicht genug für die Vertrauensbildung zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern getan. Sie haben aber eine doppelte Verantwortung. Deshalb stellen wir uns hinter die Forderungen der Schwellen- und Entwicklungsländer nach einem radikalen Einstieg in die Reduktion von CO2 und hinter ihre Forderungen nach Geldtransfer. Wir wissen aber auch, dass es noch vieler und tiefgreifender Reformen der internationalen Institutionen bedarf, wenn die Gelder für Klima­anpassung und Klimavermeidung auch wirklich zum Wohle der breiten Bevölkerungen ankommen soll.

Wir wissen längst, dass sich kein Land der Welt mehr dem Klimawandel entziehen kann. Und wir wissen, dass jedes Land seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten muss. Dazu gehört zuallererst der Ausstieg aus den fossilen Entwicklungspfaden. Wir brauchen nicht weniger als den Aufbruch in eine Welt der erneuerbaren und solaren Energie. Sie ist technisch und finanziell durchaus machbar. Deshalb ist es die Politik, die die Weichen stellen muss für einen grundlegenden Wechsel bei der Energienutzung. Deshalb ist es die Politik, die die technischen Potenziale schöpfen helfen und der Wirtschaft Beine machen muss, kohlenstofffrei zu produzieren. Und wir Konsumentinnen und Konsumenten sind es, die andere Produkte nachfragen und der Politik auf allen Ebenen Druck machen müssen.

Denn wir brauchen eine kohlenstoffarme Welt, wenn wir den gefährlichen Klimawandel vermeiden wollen. Und wir brauchen sofort Geld für die Anpassung an und die Vermeidung von Klimawandel. Ministerinnen und Minister und Staatschefs haben es in der Hand, ob Kopenhagen ein historischer Meilenstein für den globalen Klimaschutz wird. Ein weiterer Zeitaufschub ist Wahnsinn. Lasst uns deshalb an vielen Orten gegen den Klimawandel kämpfen – lokal, regional und global. Kopenhagen und der Folgeprozess sind ohne Alternative, wenn wir in Verantwortung und Gerechtigkeit das größte Menschheitsproblem – den Klimawandel – bewältigen wollen.

Unsere Konferenz heute und morgen ist dazu ein bescheidener Beitrag. Wir – die Veranstalterinnen und Veranstalter – hoffen jedoch, dass Sie ermutigt und klima-kampfeslustig von dieser Konferenz aufbrechen und Ihren Beitrag an Ihren Orten für den Klimaschutz leisten. 

Impressionen der Konferenz "Countdown to Copenhagen"