Ramallah: Angriff auf die Palästinensische Zivilgesellschaft

Ramallah bei Nacht. Foto: xdfroh, Quelle: Flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0 

14. Dezember 2012
René Wildangel
In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember gegen 3 Uhr wurde das Büro der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Addameer in Ramallah von der israelischen Armee aufgebrochen. Addameer ist seit 2012 auch eine Partnerorganisation der Heinrich-Böll-Stiftung. Die Stiftung hat ein Bildungsprojekt zum Thema Menschenrechte für junge Menschen in Palästina gefördert, das unter anderem die diesjährigen palästinensischen Lokalwahlen in den Blick genommen hat.

Aus dem Büro von Addameer wurden bei dem Angriff mehrere Laptops, eine Festplatte und eine Videokamera entwendet. Neben Addameer wurden noch weitere NGOs attackiert, u.a. auch das Büro des Dachverbandes der palästinensischen NGOs (PNGO) und die Frauenorganisation „Union of Palestinian Women Committees“. Von den Betroffenen selbst wird dies nicht nur als Angriff auf die jeweiligen Organisationen, sondern auf die palästinensische Zivilgesellschaft insgesamt verstanden. Sie bewerten den Vorfall auch als Teil der “Strafmaßnahmen” Israels nach dem Erfolg von Abbas bei der  UN-Abstimmung Ende letzten Monats. Am 29. November hatte die UN-Generalversammlung Palästina mit überwältigender Mehrheit (138 Ja-Stimmen) den Status eines beobachtenden Nicht-Mitgliedsstaates verliehen und damit zumindest implizit palästinensische Staatlichkeit anerkannt. Israel hat mit Strafmaßnahmen reagiert, unter anderem der Einbehaltung von Zolleinnahmen, die der Palästinensischen Autonomiebehörde zustehen.

Von Seiten israelischer Armeesprecher wurde behauptet, dass die durchsuchten Organisationen der Partei PFLP, die in Israel als Terrororganisation eingestuft ist, nahestehen. Unter demselben Vorwurf befindet sich ein Mitarbeiter der Organisation Addameer, Ayman Nasser, seit Oktober 2012 in Haft. Addameer und andere palästinensischen Menschenrechtsorganisationen weisen dies entschieden zurück. Der Verbund palästinensischer Menschenrechtsorganisationen hat ein Statement herausgegeben, in dem tiefe Sorge angesichts des „Angriffs auf zivilgesellschaftliche Organisationen, insbesondere im Menschenrechtsbereich“ geäußert wird. Auch zahlreiche israelische Menschenrechtsorganisationen haben den Angriff scharf verurteilt.

Addameer unterstützt palästinensische Gefangene, die zum Teil ohne Gerichtsurteil (sog. Administrativhaft) in israelischen Gefängnissen sitzen. Addameer arbeitet auch im Bereich der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und der Menschenrechtsbildungsarbeit.

Tom Koenigs, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestages, besuchte die Organisation im Juli und hat sich zu dem Vorfall geäußert. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Grüne hat zum Thema Administrativhaft einen Antrag eingebracht.

Derartige nächtliche Angriffe in Ramallah – das zu den nur ca. 20 Prozent unter vollständiger Kontrolle der Palästinensischen Autorität stehenden so genannten „A-Gebieten“ zählt – sind auch eine offene Provokation gegen Präsident Abbas. Sie offenbaren die Schutzlosigkeit der eigenen Bürger und der palästinensischen Zivilgesellschaft auch nach dem UN-Votum und tragen zur weiteren Schwächung der palästinensischen Autorität bei.
 
Die Behinderung der palästinensischen Zivilgesellschaft ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv. Die Heinrich-Böll-Stiftung wird ihre Unterstützung für jene Kräfte innerhalb der palästinensischen Gesellschaft fortsetzen, die sich friedlich für die Gewährleistung von Menschenrechten in der Region einsetzen.

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Weitere Informationen:

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René Wildangel ist Leiter des Büros der Heinrich Böll Stiftung in Ramallah.