Renke Deckarm, Carl von Ossietzky Universität – Oldenburg

European Commissioners – real Europeans or member state government agents?

Die geplante Dissertation soll die Frage beantworten, unter welchen Umständen Mitglieder der Europäischen Kommission (EU-Kommissare) sich eher als Europäer oder als Agenten der Regierungen ihrer Mitgliedsstaaten verstehen. Als politische Köpfe der EU-Exekutive üben die EU-Kommissare eine erhebliche politische Einflussnahme aus. Diese schwören zu Beginn ihrer Amtszeit, ihre „ (...)Tätigkeit in voller Unabhängigkeit im allgemeinen Interesse der Union auszuüben, bei der Erfüllung [ihrer] Aufgaben Weisungen von einer Regierung (...) weder einzuholen noch entgegenzunehmen (...).“ Zweifel an der praktischen Umsetzung sind berechtigt und werden von Beobachtern europäischer Politik wiederholt geäußert. Das Kernproblem, auf dem die Dissertation aufbaut, ist der Ernennungsmechanismus der EU-Kommissare. De facto werden sie von den Regierungen der Mitgliedsstaaten ernannt, denn nur in Ausnahmefällen wird deren Vorschlag nicht angenommen. Basierend auf der Prinzipal-Agenten-Theorie wird argumentiert, dass EU-Kommissare dadurch zu Agenten ihrer heimatstaatlichen Regierungen werden.

Der Forschung ist diese Problemstellung schon lange bekannt. Allerdings ist die empirische Überprüfung der Behauptung schwierig, da die EU- Kommission nicht transparent arbeitet und ehrliche qualitative Interviews mit hochrangigen Politikern eher die Ausnahme sind. Aus diesem Grund wurde die Fragestellung bisher nicht überzeugend beantwortet, obschon es einige wegweisende Beiträge gibt. Es wurde gezeigt, dass Kommissare durchaus unterschiedliche Rollenverständnisse haben. Der nächste Schritt ist nun, zu zeigen, unter welchen Umständen diese wahrgenommen werden. Die Kernhypothese der Dissertation ist, dass die Nähe zur Regierung des Mitgliedsstaates zu einem Agentenverhalten des EU- Kommissars führt. Andere unabhängige Variablen sind unter anderem die Größe des Mitgliedsstaates, die Zeit in der Kommission, Alter, Herkunft, Parteienfamilie, etc. 

Die große Herausforderung dieser Fragestellung liegt in der Operationalisierung der abhängigen Variablen. Die Dissertation entwickelt drei unterschiedliche Möglichkeiten, die jeweils bisher weitestgehend ungenutzte Datenquellen erhebt und damit die Hypothesen überprüft. Diese sind die Zusammensetzung der Kabinette der Kommissare, die Protokolle der Kommissionssitzungen und die öffentlichen Reden der Kommissare. Durch die Nutzung dieser Daten kann nicht nur das Verhalten der EU-Kommissare messbar gemacht werden. Die Daten können auch für viele andere Zwecke genutzt werden und ihre Erhebung wird daher einen erheblichen Fortschritt für die Forschung zur Europäischen Kommission bedeuten. 

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