Kerstin Hinrichsen, Universität Siegen

Kulturelle Aneignung der Ziemia Lubuska 1945-1975

Infolge der durch die Alliierten beschlossenen Westverschiebung Polens im Jahr 1945 wurden die östlich der Oder gelegenen Teile der preußischen Provinz Brandenburg polnisch. Die Region, die mit Teilen Schlesiens und Großpolens zur Ziemia Lubuska (Lebuser Land) zusammengefasst wurde, erlebte einen kompletten Bevölkerungsaustausch – die deutsche Bevölkerung flüchtete, wurde vertrieben und ausgesiedelt, PolInnen aus anderen Woiwodschaften, den ehemaligen polnischen Ostgebieten und dem Ausland wurden angesiedelt. In den folgenden Jahren galt es, hier eine neue Region entstehen zu lassen – sowohl im Bewusstsein der Menschen als auch institutionell. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte es, die Fremdheit, die bei vielen NeusiedlerInnen gegenüber ihrem neuen Wohnort herrschte, zu überwinden, um eine möglichst rasche wirtschaftliche wie kulturelle Entwicklung der Region sowie ihre vollständige Integration in den polnischen Staat zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund steht im Zentrum der vorliegenden Arbeit die Aneignung der Ziemia Lubuska durch ihre Bevölkerung und die Popularisierung der Region vor Ort und in den übrigen Teilen Polens. Es wird gefragt nach der auf verschiedenen Ebenen stattfindenden Konstruktion der Region. Welche Identifikationsangebote wurden den Lebusern und den Polen zur Verfügung gestellt? Welche Versuche wurden unternommen, das Lebuser Land bekannter und beliebter zu machen? Bildeten sich regionale Eigenheiten heraus? Wer waren die Akteure dieser Prozesse? Vor dem Hintergrund, dass die Region 1945 nicht nur als neue territoriale Einheit bei Null anfangen musste, sondern aufgrund der Kriegszerstörungen, der Veränderung der nationalen Zugehörigkeit und des Bevölkerungsaustausches in allen anderen Bereichen des täglichen Lebens, verschränkten sich diese Bemühungen natürlicherweise mit dem generellen (Wieder-)Aufbau der Infrastruktur und des gesellschaftlichen Lebens.