Auszug aus Bölls Roman "Billard um halb zehn"

Sie befinden sich in "Kapitel 5: Der Kritiker des deutschen Katholizismus (1959 - 1966)".

1959 erscheint der Roman "Billard um halb zehn". Böll zeigt darin die Gegenwart der Bundesrepublik als Fortsetzung der deutschen Geschichte der letzten fünfzig Jahre.

Auszug aus Heinrich Bölls Roman "Billard um halb zehn", 1959

»Ich lauschte, weil ich so gern etwas von wirklichen Sorgen erfahren hätte; immer wieder flüsterten sie einander ehrfürchtig den Namen des Stars zu, den sie an diesem Abend erwarteten. Kretz - hast du den Namen schon mal gehört?«

»Kretz«, sagte Robert, »ist sozusagen ein Star der Opposition.« »Das Wort ‚Opposition‘ hörte ich immer wieder, aber aus ihrem Gespräch wurde mir nicht klar, wem ihre Opposition gilt.«

»Wenn sie auf Kretz warteten, müssen sie von der Linken gewesen sein.« »Ich habe wohl recht gehört: dieser Kretz ist eine Art Berühmtheit, das, was man eine Hoffnung nennt?«
»Ja«, sagte Robert, »sie versprechen sich viel von ihm.«

»Ich habe ihn gesehen«, sagte Schrella, »er kam als letzter; wenn der eine Hoffnung ist, möchte ich wissen, was eine Verzweiflung sein könnte... ; ich glaube, wenn ich mal jemand umbringen würde, dann ihn. Seid ihr denn alle blind? Der ist natürlich klug und gebildet, zitiert dir den Herodot im Original, und das klingt in den Ohren dieses Fußvolks, das seinen Bildungsfimmel nie los wird, natürlich wie göttliche Musik; aber ich hoffe, Robert, du würdest deine Tochter oder deinen Sohn nicht eine Minute mit diesem Kretz allein lassen; der weiß vor Snobismus ja gar nicht mehr, welches Geschlecht er hat. Die spielen Untergang, Robert, aber sie spielen ihn nicht gut, da fehlt nur das Largo, und du hast ein Begräbnis dritter Klasse...«

aus:
„Billard um halbzehn“ von Heinrich Böll
© 1959, 1995 by Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln

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