Brief an die Mutter, 1942

Sie befinden sich in "Kapitel 2: Im Zweiten Weltkrieg (1939 bis 1945)".

Heinrich Böll war 1940 (Juni-September) und von Mai 1942 bis Oktober 1943 in den französischen Ortschaften Le Treport, St. Omer und Cap Gris-Nez stationiert.

Brief an die Mutter, 1942

"Frankreich, den 19. Juli 1942

Liebe Mutter,

ich bekam eben Deinen Brief von Eurem Umzug in ein anderes Quartier; hoffentlich erholt Ihr Euch alle wirklich, das ist das Wichtigste. Mache Dir nur keinen Kummer, weil Du nun nichts schicken kannst; ich weiß ganz sicher, daß Du mir alles schicken würdest, was Du hast, ich weiß das, und das ist doch genug; nötig habe ich wirklich nichts. [...]

Ich bin es maßlos leid, so jahrelang als einfacher Soldat herumzulaufen, ohne die geringste Bequemlichkeit und Vergünstigung; vor allem aber ist es so beschissen, immer, immer mitten in der Masse drinzustecken. Ich habe es mir oft und lange, lange überlegt, ob ich nicht Offizier werden soll; es wäre so einfach; in wenigen Monaten schon könnte ich als Leutnant herumlaufen, da ich ja die nötige Dienstzeit auf dem Puckel habe ... aber ich will es nicht; nein, ich werde mir niemals mehr Gedanken darüber machen, ich will es nicht [...] ich meine fast, es wäre ein Verrat an allem, was wir haben mitmachen und erleiden müssen, wenn ich jetzt Offizier werden wollte, weil mir der Dreck da unten nicht mehr gut genug ist. [...]"


aus:
„Briefe aus dem Krieg 1939 – 1941“ von Heinrich Böll
Hrsg. von Jochen Schubert
© 2001 by Verlag Kiepenheuer & Witsch Köln

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