Geleitwort: Briefwechsel Böll-Kopelew

Der vorliegende Band setzt die Reihe von Editionen zu Heinrich Bölls Leben und Werk fort, die in den letzten Jahren unter Mitwirkung der Heinrich Böll Stiftung erschienen sind. Er schließt unmittelbar an die nach mehr als zehnjähriger Arbeit abgeschlossene Kölner Ausgabe der Werke Heinrich Bölls an. Weitere Editionsprojekte werden folgen, die bestimmte Aspekte des Böll‘schen Œuvres für die Nachwelt aufbereiten. Dabei geht es nicht um eine Kanonisierung Bölls. Er hat sich zeitlebens dagegen gesträubt, in den Rang einer unfehlbaren moralischen Instanz erhoben zu werden, das sollte man ihm auch posthum nicht antun. Seine Werke sind Bestandteil der Weltliteratur, und seine  Essays, Artikel, Reden und Briefe reichen über die Zeitgebundenheit hinaus. In seinen Romanen, Kurzgeschichten und öffentlichen Interventionen wird eine Haltung sichtbar, die nichts an Aktualität verloren hat. Man kann sie mit Stichworten wie intellektuelle Redlichkeit, Zivilcourage, Empathie für die an den Rand Gedrückten, Skepsis gegenüber der Macht, unbedingtes Eintreten für Bürgerrechte und künstlerische Freiheit umschreiben. Diesem Erbe fühlen wir uns als Stiftung verpflichtet.

 

Nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln am 3. März 2009 wird die Aufarbeitung des umfangreichen Schaffens Heinrich Bölls und seines enormen Wirkungskreises umso wichtiger. Bei diesem Unglück gingen auch große Teile seines Nachlasses verloren oder sind noch nicht identifiziert worden. Andere Teile blieben erhalten, weil sie sich zum Zeitpunkt des Einsturzes glücklicherweise zur Auswertung für die Edition der Werkausgabe und des vorliegenden Briefwechsels im Heinrich-Böll-Archiv der Stadtbibliothek Köln befanden.

Heinrich Böll war ein großer Korrespondent, der diesbezügliche Nachlass ist sehr umfangreich. Vieles davon ist Spiegel der Zeitgeschichte, ein bisher weitgehend unerschlossener Schatz. Herausgeber der letzten großen Briefedition – Briefe aus dem Krieg 1939-1945, erschienen 2001 bei Kiepenheuer & Witsch – war Jochen Schubert, Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung im Kölner Böll-Archiv. Nach dem Briefwechsel mit dem Jugendfreund Ernst-Adolf Kunz ist die mit Lew Kopelew die umfangreichste überlieferte Einzelkorrespondenz. Sie ist eine bedeutende zeitgeschichtliche Fundgrube, insbesondere durch den Blick auf die Andersdenkenden in der Sowjetunion der 1960-er und 1970-er Jahre.

Lew Kopelew war in vielem ein Geistesverwandter Heinrich Bölls, und es ist kein Zufall, dass bis heute eine große Nähe zwischen dem Freundeskreis des einen und des anderen besteht. Wem Böll etwas bedeutet, der (oder die) schätzt in der Regel auch Kopelew und umgekehrt. So wirkt der intensive Austausch zwischen beiden bis heute fort.
 
Angeregt wurde die vorliegende Briefedition durch Viktor Böll, bis zu seinem viel zu frühen Tod im Jahr 2009 Leiter des Heinrich-Böll-Archivs. Die Sicherung und Aufbereitung des Nachlasses seines Onkels war sein Lebenswerk.

Wir bedanken uns bei den Erben der beiden Schriftsteller, namentlich bei Marija Orlowa und René Böll, für die Förderung dieses Vorhabens. Unser Dank gilt auch dem Verleger Gerhard Steidl für sein spontanes und anhaltendes Interesse an dieser Veröffentlichung. Zu guter Letzt möchte ich Elsbeth Zylla für die Hingabe und Ausdauer danken, mit der sie sich diesem Projekt gewidmet hat. Es setzt in vieler Hinsicht ihr langjähriges Engagement für den Dialog zwischen Künstlern und Bürgerrechtlern aus Ost und West fort.

Berlin, im April 2011
Ralf Fücks
Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung

 
 
 

Ralf Fücks ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung

Er publiziert in großen deutschen Tages- und Wochenzeitungen, in internationalen politischen Zeitschriften sowie im Internet zum Themenkreis Ökologie-Ökonomie, Politische Strategie, Europa und Internationale Politik.