Biografie

Heinrich Böll. Biografie

29.95 €

Die Biografie ist im Buchhandel erhältlich.

Vorwort von René Böll

Mein Vater hatte ein bewegtes Leben. Geboren noch im Kaiserreich, erlebte er bewusst die Weimarer Republik, das Dritte Reich und als Soldat den Zweiten Weltkrieg, vom ersten bis zum letzten Tag. Die unmittelbare Nachkriegszeit und der „Kalte Krieg“ prägten ihn. Die Fehlentwicklungen der alten Bundesrepublik hat er in vielen seiner Texte aufgezeigt.

Schon früh, noch als Schüler, begann Heinrich Böll zu schreiben, was seine Mutter zu der in solchen Fällen üblichen Frage veranlasste, was denn aus dem Jungen werden sollte. „Irgendwas mit Büchern“, lautete die Antwort, die der Sohn Jahre später im Titel seiner 1981 entstandenen Erinnerungen an die letzten Schuljahre unter der Naziherrschaft gab.

Mein Vater war zuallererst Schriftsteller – und als Schriftsteller und Künstler wollte er wahrgenommen werden. Zur Kunst gehört das Spontane, die Bereitschaft zur Kürze und zum Verzicht gerade auf die scheinbar so gelungene Passage, das Rücksichtslose und die Kälte gegenüber der eigenen Arbeit genauso wie der fast rauschhafte Zustand beim Schreiben, diese beispiellose Mischung aus Intuition und Kalkül. All das beherrschte er meisterhaft.

Um eine öffentliche Rolle, gar als „moralische Instanz“, hat er sich nie beworben. Er bekam sie zugewiesen. Doch obwohl er mit seiner Prominenz haderte, hat er sie zu nutzen gewusst. Nicht umsonst ist er Präsident zunächst des nationalen, später des internationalen PEN geworden und hat sich für die Belange von Schriftstellern, nicht nur der verfolgten, eingesetzt. Er war ein Vorkämpfer für die gerechte Bezahlung von Autoren und Übersetzern. Und sein Engagement bot oppositionellen Schriftsteller die Chance, im Westen zu publizieren. Selbst große persönliche Risiken scheute er nicht, wenn es galt zu helfen.

Bewundert habe ich an meinem Vater immer, dass er sich seine Meinung vollkommen unabhängig bildete, sich von keiner Gruppe, keiner politischen Richtung und keiner Partei abhängig machte. Er war ein Einzelgänger und im positiven Sinne eigensinnig. Es gab für ihn kein Lagerdenken, sein Eintreten für Menschenrechte war unteilbar – keineswegs selbstverständlich im „Kalten Krieg“.

Und obwohl diese Zeiten längst vorbei sind, haben sich Heinrich Bölls Denken und Haltung eine bemerkenswerte Aktualität bewahrt. Viele der Debatten von damals erinnern erschreckend an die ungelösten Probleme von heute.

Mein Vater war übrigens kein Asket, er konnte auch genießen, und Irland war für ihn ein Rückzugsort, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Hier wurde er mit seiner Familie seit 1955 willkommen geheißen. Seine Bekanntheit sprach sich in Irland erst herum, als er 1972 den Nobelpreis erhielt, aber auch danach spielte sie nie eine Rolle. Monatelang begleiteten wir Kinder meine Eltern nach Irland und gingen nicht zur Schule. Als dies nicht mehr möglich war, weil wir inzwischen das Gymnasien besuchten, war mein Vater oft für Wochen alleine in Irland. Dort genoss er die Ruhe von all den Telefonaten und Briefen und Presseanfragen, die auf ihn einstürmten.
Wie alle Menschen hatte mein Vater Stärken und Schwächen. Ich selbst habe ihn immer als selbstkritisch, tolerant und großzügig erlebt. Wichtig ist mir deshalb heute wie früher, dass seine Bücher gelesen werden und sich die Menschen unvoreingenommen ihr eigenes Bild von seiner Person machen. Dass dies nun möglich ist, ist auch ein Verdienst der vorliegenden Biografie.

Mein großer Dank gilt deshalb Jochen Schubert, der sich der ungeheuren Mühe unterzogen hat, den umfangreichen Nachlass zu erschließen, und dem es gewohnt umsichtig gelungen ist, ein Porträt zu erstellen, das zuverlässige Informationen liefert, zur Lektüre anregt und Irrtümer und Klischees benennt, wo Korrektur geboten ist.

René Böll
Köln, im Sommer 2017

 

Produktdetails
Veröffentlichungsdatum
04. Oktober 2017
Herausgegeben von
Heinrich-Böll-Stiftung / Theiss-Verlag - WBG
Seitenzahl
344
Lizenz
Alle Rechte vorbehalten
Sprache der Publikation
deutsch
ISBN / DOI
978-3-8062-3616-3
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