China 2020

28. April 2008
Christiane Kühl und Martin Kühl
Von Christiane Kühl und Martin Kühl
Entnommen Böll.Thema, Ausgabe 02/2007


Wie wird die Volksrepublik in 13 Jahren aussehen? Wie stellen sich die Chinesen ihre Zukunft vor? Wohlstand, Demokratie, Umwelt und Chinas Rolle in der Weltgemeinschaft – mit welchen Erwartungen und Ängsten, mit welcher Tatkraft oder Skepsis schauen die Menschen nach vorn? Die Weichen werden jetzt gestellt, auf welche mentalen Einstellungen stützt sich der neue Große Sprung nach vorn?

Baohu Deligen

25, Kassiererin Im Restaurant

Ob ich optimistisch bin? Teils, teils. Aber unsere Kinder werden es einmal bestimmt besser haben als wir. Die Entwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in China geht ja immer schneller,die Technik wird immer moderner. Also werden unsere Kinder viel mehr Dinge können und verstehen als wir. Aber die Kluft zwischen Arm und Reich wird größer. Die Reichen werden immer reicher. Und ihre Kinder nehmen sich einfach das Geld ihrer Eltern und leben davon. Sie müssen gar nicht mehr selbst arbeiten. Und die Armen werden immer ärmer, vor allem die Menschen auf dem Land. Es gibt ja immer weniger Land für den Ackerbau, dafür immer mehr Wohnblöcke, in denen die Bauern leben müssen. Dabei haben sie keine Bildung, sie können all diese modernen Geräte nicht bedienen, nur das Land bestellen. Also wandern sie in die Städte, um auf den Baustellen Geld zu verdienen, aber es wird immer schwieriger für sie, Arbeit zu fi nden. Unendlich viele dieser Jobs gibt es auch nicht.

Wu Meng

26, Verkäufer in einem AntiquitätenladenDie chinesische Gesellschaft wird 2020 insgesamt wohlhabender sein, aber auf vielen Menschen wird ein noch größerer Druck lasten als heute. Die Arbeitslosigkeit wird noch höher sein, weil dann noch mehr Migranten in die Städte drängen. China befindet sich in einem Prozess, den auch der Westen durchgemacht hat. Im Moment geht es den meisten Menschen nur darum, Geld zu verdienen und die Wirtschaft zu entwickeln. Und den Armen geht es darum zu überleben. Das wird sicher noch dreißig oder vierzig Jahre so bleiben. Bis dahin werden sich die Widersprüche weiter verschärfen. Erst bei einem ausreichenden Wohlstandsniveau wird es auch einen geistigen Wandel geben. Dann werden die Menschen nicht mehr ihren Müll einfach auf die Straße werfen. Die Wohlhabenden beginnen schon jetzt, sich an der Umweltverschmutzung zu stören. Es gibt Leute, die wegen der Luftverschmutzung aus Beijing wegziehen, etwa nach Yunnan im Südwesten. Sie verdienen ihr Geld hier, aber leben möchten sie hier nicht mehr. Immerhin passiert endlich etwas, zum Beispiel hat Beijing gerade das Shougang-Stahlwerk, das die Luft verpestete, 150 Kilometer nach Nordosten ausgesiedelt. Generell glaube ich, dass die Umwelt in der Zukunft sauberer sein wird.

Wang Zhansuo

68, Rentner

Ich habe wenig zur Zukunft Chinas zu sagen. Natürlich hoffe ich, dass das Leben immer besser wird, und dass meine Kinder froh und gesund bleiben. Aber es wird sich nicht alles verändern. Chinas Position in der Welt wird vielleicht noch eine lange Zeit die gleiche sein wie heute, und natürlich können wir den Westen technisch nicht überholen. Bei der Umweltverschmutzung können wir vielleicht das jetzige Niveau halten, ohne dass es schlimmer wird - aber lösbar ist das Problem nicht, glaube ich. Und natürlich wäre es am besten, wenn die Menschen an politischen Entscheidungen teilhaben könnten. Aber wenn wir es nicht können, wäre es auch keine Veränderung zum schlechten. Wir sind ja schon daran gewöhnt, dass es so ist.

Tong Jingjing

30, Bankangestellte

Ich bin von Natur aus optimistisch. Die Einkommensschere wird immer kleiner werden und den Menschen wird es 2020 besser gehen. Rückständig ist China ja schon heute nicht mehr. Aber ob wir den Westen wissenschaftlich überholen können? Das Land ist so groß, es gibt so viele Menschen. Die Länder in Europa sind kleiner, dort ist es einfacher, die Entwicklung voranzutreiben. Ich hoffe, dass 2020 auch die politische Situation besser sein wird, und wir dann auf mehreren Ebenen unsere Politiker wählen können. Und dass die normalen Menschen mehr mitentscheiden können, sei es durch Eingaben bei der lokalen Regierung oder durch Verhandlungen mit der Regierung. Heute ist es ja so, dass die Regierungen entscheiden, und so wird es dann auch gemacht. Deshalb gibt es so viele große neue Gebäude und so wenig Bäume und Grün.

Li Ying

30, Galeristin

Ich bin zuversichtlich. Unsere Kinder werden es auf jeden Fall besser haben als wir, das Wohlstandsniveau wird weiter steigen, die Einkommenskluft wird 2020 deshalb auch kleiner sein als heute. Ich glaube auch, dass wir 2020 mehr Politiker selbst wählen und mehr mitentscheiden können als heute. Und China wird bei der Forschung und Technik die entwickelten Länder überholen. Der Westen wird dann nicht mehr auf uns herabsehen, so wie es heute der Fall ist. Damit wird auch Chinas Einfluss in der Welt wachsen, er wird 2020 sehr groß sein.

Dossier

China: Öffentlichkeit und Medien im Olympiajahr

Auf unserer Konferenz am 20. Mai 2008 haben deutsche Olympia- und Medienexperten, Sport- und Außenpolitiker gemeinsam mit chinesischen Referentinnen und Referenten über die Wechselwirkungen zwischen chinesischer Politik und Medien diskutiert.

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