Für Anne Klein von Jutta Wagner, 21.5.2011
Woran werden wir Juristinnen, Rechtsanwältinnen, aber auch Richterinnen und Staatsanwältinnen – und nicht nur die vielen im Deutschen Juristinnenbund organisierten – denken, wenn wir an Anne Klein denken?
Wir denken an eine Anwältin mit hoher Sensibilität und wachem Gespür für Diskriminierung, sicher auch, aber nicht nur zu erklären mit ihrer gleich zweifachen Zugehörigkeit zu diskriminierten Gruppen, nämlich erstens zu einer diskriminierten Mehrheit – den Frauen – und zweitens zu einer diskriminierten Minderheit – den offen gleichgeschlechtlich Lebenden –.
Diskriminierung wahrzunehmen bedeutet nicht selbstverständlich, dagegen aufzustehen und dagegen zu kämpfen.
Anne Klein hat das getan.
Schon als Referendarin entschied sie sich für die Ausbildung in einem feministischen Anwältinnenbüro. Mit ihrem eigenen Büro setzte sie diesen Weg fort. Der Einsatz für die Einrichtung der ersten Frauenhäuser in Berlin und die nicht nur juristisch, sondern auch menschlich herausfordernde Rechtsberatung für Frauen dort waren nur konsequent.
Als Anwältin arbeitet man am Einzelfall. Das ist wichtig, aber es war Anne Klein nicht genug.
Es war für Anne Klein so eine Selbstverständlichkeit, 1985 dem Deutschen Juristinnenbund beizutreten und allein durch ihre Mitgliedschaft dort neben ihren anderen politischen Aktivitäten die vielfältigen rechtspolitischen Initiativen des DJB zu unterstützen, gleiche Rechte für Frauen und Männer zu schaffen und, was leider nicht dasselbe ist, dafür zu sorgen, daß diese nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch umgesetzt werden.
Anne Klein war viele Jahre aktives Mitglied unserer Strafrechtskommission. Aus dem Protokoll einer der Sitzungen zitiere ich hier:
„Die Beratungen der Strafrechtskommission führten in wesentlichen Punkten zu einer Einigung, es blieben aber einige Punkte kontrovers. Die Mitglieder der Strafrechtskommission Jutta Bahr-Jendges, Claudia Burgsmüller, Alexandra Goy und Anne Klein bitten ihre abweichende Meinung mitzuteilen:
„Wir halten es rechtspolitisch nicht für vertretbar, bzw. verfassungswidrig, sexuelle Gewaltfragen in der Ehe oder einer anderen Lebensgemeinschaft geringer zu bestrafen bzw. von der Strafverfolgung ganz auszunehmen. Wir wenden uns insbesondere gegen den Vorschlag, die sexuelle Nötigung von Verbrechen zum Vergehen herunterzustufen, die Mindeststrafe bei § 177 Abs. 1 StGB von zwei Jahren auf ein Jahr herabzusetzen und gegen die Behauptung, sexuelle Gewalt lasse sich wegtherapieren und daran ggf. einen Sanktionsverzicht (§ 177 Abs. 4) zu knüpfen. Dies ist systemwidrig und dogmatisch nicht zu begründen. Wir sehen darin nicht nur eine Verharmlosung des Problems der sexuellen Gewalt von Männern gegenüber Frauen, sondern gleichzeitig eine Rechtlos- bzw. Schlechterstellung der Ehefrau und der Frauen, die in der Lebensgemeinschaft sexuellen Übergriffen seitens der Lebenspartner ausgesetzt sind. Wie inzwischen hinreichend bekannt, finden ca. 70 % der Vergewaltigungen, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Missbrauchs im sozialen Nahbereich statt.
Solange Alternativen zum Strafrecht nicht vorhanden sind, schließen wir uns dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zu § 177 ff. StGB im Rahmen des ANTIDISKRIMINIERUNGSGESETZES an.“
Anne Klein hat die Sache der Frauen, der Juristinnen und Anwältinnen noch auf andere Weise vorangebracht.
Sie hatte den Mut, Spitzenpositionen in den Selbstverwaltungsgremien der Anwaltschaft anzustreben und zu übernehmen. Da war zunächst ihre Zeit von 1997 - 2001als Mitglied des Vorstands und Präsidiums der Rechtsanwaltskammer Berlin.
Da ist weiter ihre Zeit als Präsidentin des neugegründeten Versorgungswerks der Rechtsanwälte in Berlin, dem sie auch nach dem Ende ihrer Präsidentinnenzeit von 1999 - 2006 als Mitglied der Vertreterversammlung verbunden blieb.
Da ist nicht zuletzt zu nennen ihr Mut, als Anwältin deutlich sichtbar in jeder Hinsicht erfolgreich zu sein, wozu durchaus auch der materielle Erfolg gehört. Daß sie damit über den Tod hinaus durch den von ihr gestifteten Anne-Klein-Preis den Feminismus unterstützt, ist wieder typisch für sie.
Überhaupt war Anne Klein immer großzügig mit ihrer Unterstützung und Förderung von Juristinnen und Anwältinnen, auch unter Frauen keine Selbstverständlichkeit. Sie hat ihr Wissen bereitwillig geteilt, nicht nur in vielen Gesprächen und Diskussionen, sondern auch als Referentin bei der Ausbildung von Fachanwältinnen im Familienrecht. Sie war eine große Anregerin, stets voller Ideen und Vorschläge was getan werden könnte und getan werden sollte. Wo möglich und nötig, half sie tatkräftig.
Wie danken wir Anne Klein für alles, was sie über Jahrzehnte mit ihrem Einsatz gegen Diskriminierung geleistet hat? Wir danken ihr, indem wir uns an sie erinnern und wir danken ihr, indem wir, jede an ihrem Platz in ihrem Sinn weitermachen.
Danke, Anne Klein!