Offener Brief der Internationalen Gesellschaft Memorial an den russischen Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin
Sehr geehrter Wladimir Wladimirowitsch,heute hat der Generalstaatsanwalt der russischen Föderation, Wladimir Ustinow, vor der Staatsduma vorgeschlagen, als Maßnahme im Kampf mit dem Terrorismus Verwandte von Terroristen als „Gegengeiseln“ zu nehmen. Aufmerksamkeit gebührt auch dem zweiten Vorschlag Ustinows „vereinfachte Gerichtsverfahren“ bei Anklagen wegen Terrorismus einzuführen.
Diese Vorschläge des Generalstaatswanwalts stehen in einer ernsten historischen Tradition. Wir haben hier, unter anderem, Folgendes im Sinn: den Beschluss des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR vom 8. Juni 1934, nach der Verwandte von „Vaterlandsverrätern“ mit Verbannung bestraft wurden; den Beschluss des Präsidiums des Zentralen Exekutivkomitees der UdSSR vom 1. Dezember 1934 „Über die Führung von Fällen von Vorbereitung oder Dürchführung terroristischer Anschläge“ (die direkt nach der Ermordung Kirows in Leningrad angenommen worden war); den operativen Befehl Nr. 00486 des Volkskommissars des Inneren Jeschow vom 15. August 1937 (umgangssprachlich „Befehl über Familienmitglieder von Vaterlandsverrätern“ genannt); dazu noch eine ganze Reihe anderer Gesetze, Anordnungen und anderen staatlichen Akten der 30er und 40er Jahre des vorigen Jahrhunderts.
Der Verfassung nach ist der Generalstaatsanwalt der wichtigste Wächter über das Gesetz in der Russischen Föderation. Sie, Wladimir Wladimirowitsch, sind diejenige offizielle Person, die dem Föderationsrat einen Vorschlag zur Ernennung des Generalstaatsanwalts macht und nach Paragraph 83 der Verfassung der Russischen Föderation dem Föderationsrat auch vorschlagen können, den Generalsstaatsanwalt zu entlassen.
Wir sind der Meinung, dass Sie, nach dem, wie der Generalstaatsanwalt Russlands öffentlich in der Duma vorgeschlagen hat, Schritte zur Wiedereinführung der stalinschen Gesetzgebung zu unternehmen, nur noch zwei Möglichkeiten haben, zu reagieren.
Die erste ist, dem Föderationsrat sofort die Entlassung Wladimir Ustinows vom Posten des Generalstaatsanwalts vorzuschlagen.
Die zweite ist, genau das nicht zu machen.
Jede dieser beiden Entscheidungen wird ein Zeichen setzen. Jede wird die Zukunft Russlands bestimmen, zumindest soweit, wie diese Zukunft von Ihnen persönlich abhängt.
Sie haben die Wahl.
Hochachtungsvoll,
Vorstand der Gesellschaft Memorial
Für den Vorstand: Elena Schemkowa
Geschäftsführerin, Gesellschaft Memorial