Bloggen Frauen anders?

Verena Reygers, Freie Journalistin und Bloggerin der "Mädchenmannschaft

1. Juli 2009
Nein, sagt die feministische Bloggerin Verena Reygers. Aber sie ziehen sich schneller zurück, wenn der Ton härter wird


Frau Reygers, waren Sie heute schon im Netz?

Ich bin ständig online, von morgens bis abends. Ich lebe praktisch im Netz. Ich bin ja nicht nur Bloggerin, sondern vor allem Journalistin. Ich recherchiere und kommuniziere im Netz mit meinen AuftraggeberInnen. Als Bloggerin des feministischen Blogs "Mädchenmannschaft" verwende ich allerdings viel weniger Zeit für das Schreiben eines Blogs als viel mehr für die Organisation: Abstimmung mit den anderen von der "Mädchenmannschaft", Themensuche und -diskussion, Suche nach einem guten Titel für die neue Kolumne.

Die Rubriken der "Mädchenmannschaft"-Blogs heißen "Gendertroubles", "Himmelschreiendes Unrecht", "Weibsbilder Mannsbilder". Wo sind die typisch weiblichen Themen wie Kochen und Liebe, über die Frauen auch in Blogs angeblich oft reden?

In der öffentlichen Wahrnehmung beschäftigen sich Männer in ihren Blogs hauptsächlich mit Technik und Musik und Frauen mit Mode und ihrem Tagebuch. Aber das ist Quatsch. Es gibt viele Frauen, die bloggen genauso häufig und ebenso kenntnisreich über Computer, Auto und Motorsport wie Männer. Nur nimmt das kaum jemand wahr.

Frauen bloggen also nicht anders als Männer?

Grundsätzlich nicht. Aber manchmal ist es so, dass Frauen Themen wie Mode und Partnerschaft aufgreifen, weil sie glauben, sie müssten gerade die bearbeiten, weil das von ihnen als Frau erwartet wird.

Bloggerinnen fügen sich also in ein traditionelles Rollenverhalten?

Nein, das nicht. Aber oftmals trauen sich Frauen nicht eine so starke Präsenz im Netz zu, wie Männer das ganz selbstverständlich tun.

Wie meinen Sie das?

Frauen ziehen sich eher zurück, wenn der Ton schärfer wird und die Angriffe härter. Frauen können im Netz zwar auch unverschämt sein, aber auffällig ist, dass sie weichen, wenn die Kommunikation rüder wird.

Frauen kommunizieren also auch anders im Netz?

Das Internet ist ein Spiegel der Gesellschaft: So wie sich die Menschen im öffentlichen Leben begegnen, verhalten sie sich auch digitalen Raum. Wobei die Kommunikation im Netz meistens sogar härter ist, weil sie anonym stattfindet. Aber Frauen überlegen eher, wie das ankommen könnte, was sie sagen. Ihnen ist die positive Reaktion anderer wichtig. Und sie wollen auf keinen Fall blöd klingen. Das überlegen sich Männer oftmals nicht.

Wie könnte Frauen zu mehr Mut im Netz verholfen werden?

Wir als "Mädchenmannschaft" sagen unseren Leserinnen immer: Probiert Euch einfach aus, habt keine Angst, übernehmt vermeintlich männliche Bereiche wie Politik, Wirtschaft, Sport. Im Netz ist alles möglich. Wenn eine Frau in die Sportredaktion einer Zeitung geht und sagt, sie möchte Fußballspiele kommentieren, wird sie vermutlich ausgelacht und wieder weggeschickt. Im Netz kann eine Frau so viele Spiele kommentieren, wie sie will.

Und? Machen die jungen Frauen das?

Zum Teil ja. Aber das reicht trotzdem noch nicht aus. Wir wollen ja nicht nur ein größeres Selbstbewusstsein von Frauen im Netz, wir wollen mit unserem Blog gesellschaftliche Veränderungen bewirken, wir wollen politischen Aktivismus.

Als politische Aktivistinnen werden Sie in der Bloggerszene ja auch gesehen.

Aber trotzdem passiert es immer wieder, dass wir weniger ernst genommen werden, weil wir Frauen sind. Ein Beispiel: Beim letzten digitalen Kongress re:publica, dem jährlichen Bloggertreffen, wurden wir auf ein Panel eingeladen, in dem noch eine Mutti-Bloggerin saß, eine von einem Mode-Blog und eine Technik-Bloggerin. Das Thema lautete: Warum ist ein I-Phone genauso relevant wie Babykotze? Die OrganisatorInnen haben also alle aufs Podium gesetzt, von denen sie dachten, sie decken den Bereich "Wenn Frauen bloggen" vollständig ab. Während es für zahlreiche von Männern besetzte Nischen eigene Panels gab.

Haben Sie sich gewehrt?

Klar. Wir haben gesagt, dass wir ein politisches Blog sind und haben dann einen eigenen Workshop zur feministischen Netzkultur gemacht. Interessant an dem Panel war übrigens, dass jede Menge Männer da waren.

Wie landet eine Frau in einem feministischen Blog?

Eine unserer Userinnen schrieb mir mal, dass sie sich mit ihren feministischen Anschauungen in der Schule ziemlich einsam fühlte, sie dachte, sie sei bescheuert. Aber dann googelte sie das Wort "Feminismus" und wurde auf zahlreiche Websites verwiesen, auch auf unsere. Im Netz trifft man öfter als man denkt auf Gleichgesinnte.

Wie alt sind die Bloggerinnen der "Mädchenmannschaft"?

Die jüngste ist 24, aber die meisten sind Ende 20, Anfang 30.

Die meisten Bloggerinnen sollen Akademikerinnen sein?

Die Internetaffinität hängt heute nicht mehr so sehr vom Bildungsstand ab. Facebook und Partnerseiten beispielsweise werden von nahezu allen sozialen Gruppen genutzt, diese Plattformen sprechen jede und jeden an. Die einzige Voraussetzung für die Netznutzung ist heute lediglich die Fähigkeit, mit dem Computer umzugehen.

Mit welchen Problemen kämpfen Bloggerinnen?

Wir arbeiten ehrenamtlich, wir kriegen also keinen einzigen Cent dafür. Das ist hart und muss sich bald ändern. In den USA, wo die politische Blogger-Szene stärker ist als in Deutschland, tut sich in dieser Richtig schon etwas. Dort gibt es inzwischen Blogger, die mit ihren Kolumnen und kritischen Texten Geld verdienen.

Wie funktioniert das?

Meist über Werbung. Auf den Seiten der "Mädchenmannschaft" wollen wir aber nicht jede Art von Werbung, zum Beispiel keine amazon. Trotzdem kooperieren wir mit den Medien, die für unsere Beiträge auch zahlen könnten. Teilweise verzahnen sich ja auch schon Printmedien und Internet. Für die so genannten Onliner besteht also die Möglichkeit, auch in Printmedien präsent zu sein und umgekehrt.


Interview: Simone Schmollack


Verena Reygers, 33, ist Journalistin und seit einem Jahr Bloggerin beim feministischen Blog "Mädchenmannschaft". Sie hat Geschichte, Germanistik und Volkskunde studiert und lebt in Hamburg.