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Vertrag von Lissabon und Grundgesetz passen gut zusammen!

1. Juli 2009
von Rainder Steenblock.
Für verfassungskonform hat das Bundesverfassungsgericht den Vertrag von Lissabon erklärt. Somit ist er ist nicht nur mit unserem Grundgesetz vereinbar, vielmehr impliziert das Urteil eine positive Deutung des Grundgesetzes und der europäischen Integration.

Die Klagen von Lafontaine und Gauweiler gegen den Vertrag sind demnach unbegründet. Das Bundesverfassungsgericht hat es bestätigt: weder wird durch den Vertrag von Lissabon ein Bundesstaat gegründet noch die nationale Sozialpolitik eingeschränkt oder aus Brüssel über Einsätze der Bundeswehr entschieden. Dem Populismus von Links und Rechts wird endlich ein Riegel vorgeschoben. Die geforderten Nachbesserungen sind zu begrüßen: Der Bundestag muss mehr Rechte erhalten und er muss sie auch wahrnehmen.

Demokratie wird gestärkt

Kernanliegen des Bundesverfassungsgerichts ist, dass die Rolle der Volksvertreter im europäischen Integrationsprozess gestärkt wird. Der Bundestag muss aktiv handeln, wenn Änderungen des Vertragsrechts ohne Ratifikationsverfahren oder maßgeblich durch die Organe der Europäischen Union – auch unter dem Einstimmigkeitserfordernis im Rat - herbeigeführt werden. Die nationalen Parlamente bilden als Zentrum der staatlichen politischen Willensbildung die demokratische Legitimation für Politikgestaltung in einem Staatenverbund, wie wir ihn derzeit als Europäische Union haben. Wir Grüne begrüßen das sehr und wir setzen uns dafür ein, dass die gesetzliche Ausgestaltung des Kräfteverhältnisses von Bundestag und Bundesregierung in Fragen der europäischen Gesetzgebung zügig überarbeitet wird.

Seine Kontrollkompetenz sieht das Bundesverfassungsgericht durch den im Vertrag verfügten Vorrang des Europarechts nicht berührt, denn Grund und Grenze für die Geltung des Rechts der EU in Deutschland ist, dass nur im Rahmen der jeweils geltenden Verfassungsordnung Recht angewendet werden kann. Dennoch werden wir noch ausführlicher diskutieren müssen, wie die Rolle des Bundesverfassungsgerichts im europäischen Integrationsprozess aussieht, das heißt seine Beziehung zu seinem judikativen Partner, dem Europäischen Gerichtshof, aber auch zu seinem legislativen Partner, dem Bundestag,.

Was wollen wir europäisieren?

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Reihe von Grenzen beschrieben, die inhaltliche Themen von europäischer Vergemeinschaftung nennen, wie zum Beispiel bei Fragen des Steuer- oder Strafrechts. In der nächsten Legislatur des Bundestages wird diese Grenzziehung politisch und rechtlich konkretisiert werden müssen.

Aber zweierlei ist schon mal klar: Auch bei Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon besteht der Parlamentsvorbehalt für den Auslandseinsatz der Bundeswehr fort. Der Vertrag von Lissabon überträgt der Europäischen Union keine Zuständigkeit, auf die Streitkräfte der Mitgliedstaaten ohne Zustimmung des jeweils betroffenen Mitgliedstaats oder seines Parlaments zurückzugreifen.

Zudem beschränkt der Vertrag von Lissabon die sozialpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten des Deutschen Bundestages nicht in einem solchen Umfang, dass – wie von den Linken behauptet – das Sozialstaatsprinzip beeinträchtigt und dadurch notwendige demokratische Entscheidungsspielräume unzulässig vermindert wären.

Rainder Steenblock ist europapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

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