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Energieträger der Zukunft

Hans-Josef Fell, 2009

5. März 2010
Von Hans-Josef Fell
Von Hans-Josef Fell

Die Welt steht, was Energie angeht, vor zwei großen Herausforderungen, dem Klimaschutz und der Sicherung der Versorgung. Steigende CO2-Emissionen einerseits und absehbar unaufhörlich steigende Preise für konventionelle Energien andererseits belegen unerbittlich, dass die europäische und weltweite Energiepolitik weitgehend versagen. Dies ist kein Wunder – verfolgen doch die EU-Kommission, mit ihrer strategischen Energieinitiative, der Ministerrat und die Mitgliedstaaten Strategien, die Lösungen auf die lange Bank schieben und somit die Probleme verschärfen.

Die beiden Herausforderungen werden mit sich widersprechenden Strategien angegangen. Geht es beim Klimaschutz darum, den CO2-Ausstoß möglichst drastisch zu senken, wird für die Sicherheit der Versorgung versucht, möglichst viele fossile und atomare Rohstoffquellen für die zukünftige Ausbeutung zu sichern.

Krampfhaftes Festhalten an fossilen und atomaren Energien

Kann durch das krampfhafte Festhalten an fossilen und atomaren Energien wenigstens die Versorgung garantiert werden? Die Antwort ist ein klares Nein. Beim Erdöl ist es bereits soweit, dass sich die weltweite Förderung nicht mehr steigern lässt und, wenn die Nachfrage anzieht, Verknappungen auftreten. Das Erdgas wird in absehbarer Zeit folgen. Entweder, wir bleiben im fossilen Zeitalter stecken und müssen uns mit den übrigen Nationen um versiegende Quellen streiten, oder wir verabschieden uns von der Abhängigkeit.

Die Frage, die sich Europa heute stellen muss, lautet folglich nicht, ob es möglich ist, bis 2020 den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent zu erhöhen. Die erneuerbare Primärenergie ist vorhanden und ebenso die Technik, sie bereitzustellen. Die Frage lautet: Wo sollen die verbleibenden 80 Prozent herkommen? Eine falsche Antwort auf diese Frage wäre es, weitere fossile Vorkommen zu erschließen und ihre Sicherung militärisch durchzusetzen. Die richtige Antwort muss lauten, den Anteil an erneuerbaren Energien schnell auszubauen und zusätzlich den Verbrauch an fossilen Energien durch Einsparung drastisch zu senken.

Alle anderen Strategien werden zu höheren Emissionen von Klimagasen führen, ganz zu schweigen von den Problemen durch Radioaktivität.

CO2-Abscheidung eine Sackgasse

Strategien wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) sind ebenso hilflose wie teure Versuche, die Vergangenheit in die Zukunft zu retten. Wir wissen heute schon, dass CCS nie wettbewerbsfähig sein wird. Hinzu kommen mögliche Risiken, die wir noch gar nicht vollständig abschätzen können. Dennoch wird dieser Weg weitgehend von Regierungen und in der EU-Kommission unterstützt. Man kann sich einfach nicht vorstellen, sich von der Kohle als Energieträger zu trennen – koste es, was es wolle. Mittlerweile gibt es bereits Untersuchungen, die aufzeigen, dass selbst Solarstrom in Mitteleuropa schon in zehn Jahren günstiger sein wird als CCS – wobei wir nicht einmal wissen, ob CCS 2020 überhaupt technologisch ausgereift sein wird. Der Versuch, der Kohle einen grünen Anstrich zu geben, wird an der Realität scheitern. Leider wird dieser Versuch einige Milliarden Euro kosten, Geld, das wesentlich sinnvoller für Forschung und Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien ausgegeben werden könnte.

Die Atomenergie ist, neben „clean coal“, die zweite Energieform, die unter dem PR-Begriff „clean energy“ verkauft wird. Atomenergie deckt heute nur etwas über zwei Prozent des weltweiten Energiebedarfs. Eine Steigerung dieses Anteils wird aus einer Vielzahl von Gründen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht möglich sein. Dazu zählen die beschränkten Kapazitäten für den Bau von Kraftwerken ebenso, wie Beschränkungen beim Abbau von Uran. Es ist vollkommen undenkbar, dass Uran jemals eine relevante Rolle für den Klimaschutz spielen oder zur Sicherheit der Energieversorgung beitragen kann.

Atomkraft - die Risiken trägt die Allgemeinheit

Bezeichnend ist, dass auch heute noch die Risiken der Atomenergie auf die Allgemeinheit umgelegt werden. Bis heute gibt es kein Atomkraftwerk, das vollständig versichert ist. Neubauten ohne staatliche Bürgschaften und staatlich verbilligte Kredite sind in den meisten Ländern unvorstellbar.

Die Träume von der Kernfusion entpuppen sich als Milliardengrab für Forschungsgelder. Erfolglos aber kostenintensiv wurde 60 Jahre lang geforscht und entwickelt. Auch in den nächsten 50 Jahren wird es keinen Strom aus Kernfusion geben. Die erneute Kostenexplosion  beim Experimentalreaktor ITER sollte zum Anlass genommen werden, die teuren Versuche ein für alle mal zu beenden. Die frei werdenden Milliarden sollten in Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien und in die Einsparung von Energie fließen.

Hundert Prozent erneuerbare Energien

Anstatt auf veraltete Technologien und Energieträger zu setzen, müssen wir umstellen auf erneuerbare Energien. Je schneller wir hier einen Anteil von hundert Prozent erreichen, desto größer sind unsere Chancen, den Klimawandel aufhalten und Konflikte um knappe Energiequellen vermeiden zu können.

Die Rohstoffe für erneuerbare Energien – Wind, Sonne, Wasser, Meereswellen oder Erdwärme – sind und bleiben kostenlos. Die Technologiekosten für erneuerbare Energien werden ständig sinken. Eine Umstellung auf erneuerbare Energien garantiert eine bezahlbare Versorgung. Es handelt sich vor allem um eine technologiepolitische Herausforderung, die auch als solche begriffen werden muss. Dass dies bislang noch nicht geschehen ist, zeigen schon die geringen Summen, die in nationalen und europäischen Forschungsbudgets für erneuerbare Energien bereitstehen.

Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat sich als vorbildlich, kosteneffizient und erfolgreich erwiesen. Einige europäische Länder haben das Gesetz bereits übernommen, in der EU sollte es über eine Richtlinie für alle verpflichtend werden.

Ein transeuropäisches Netz zur dezentralen Erzeugung von Energie 

Für eine Politik der erneuerbaren Energien brauchen wir ein starkes Stromnetz, das sowohl Europa als auch Europa mit seinen Nachbarregionen verbindet. Hiermit können die Fluktuationen von Wind- und Solarstrom sowohl aus dezentraler als auch zentraler Erzeugung abgefangen und verteilt werden. Der Bau von so genannten Supernetzen in der Nordsee und anderswo ist eine wichtige europäische Aufgabe. Ein starkes transeuropäisches Netz wird für eine Strategie der primär dezentralen Erzeugung von Energie ein wichtiger Baustein sein. Dazu können Ansätze, wie der von Desertec, das heißt die Übertragung von in Wüstenregionen erzeugtem Solar- und Windstrom nach Europa, eine gute Ergänzung darstellen. Vernetzung erweist sich hier als Alternative zur einseitigen Abhängigkeit, die wir heute im Öl- und Gassektor haben. Eine europäische Strategie für Biogas sollte dies weiter ergänzen.  Kombiniert man die Einspeisung von Biogas mit einer gezielten Strategie, Gas einzusparen, wird es gelingen, die einseitige Abhängigkeit von wenigen Ländern, in denen Erdgas gefördert wird, zu reduzieren. Die Elektrifizierung mit Ökostrom im Verkehrssektor –  Autos, Busse, Bahnen – wird die Abhängigkeit vom Erdöl genauso verringern, wie die Sanierung und Dämmung von Altbauten sowie der Einsatz von erneuerbaren Energien im Gebäudesektor.

Die europäische Zusammenarbeit kann und muss in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durch einen starken Ausbau der erneuerbaren Energien und eine Anpassung des europäischen Systems der Energieversorgung gestärkt werden. Sicherheits-, Wirtschafts- und Umweltinteressen gehen hierbei Hand in Hand.

Hans-Josef Fell ist Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und deren energiepolitischer Sprecher.

Das Webdossier versammelt zum Teil kontroverse Beiträge von Expertinnen und Experten, die an der Konferenz teilnahmen. Die in den Beiträgen vertretenen Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Sicht der Heinrich-Böll-Stiftung wider.

Dossier

Europäische Energiepolitik

Der Abschied von Kohle, Öl, Gas und Atomkraft ist machbar. Der Übergang ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien muss politisch vorangetrieben werden. Es geht um Investitionsanreize und Zukunftsmärkte, um Energiesicherheit und Machtfragen, um technische Innovationen und gesellschaftliches Umdenken.



Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert.
Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.