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Grüne Streifen am Horizont

Cover des Policy Brief "Global Green New Deal" (PDF) des UNEP von März 2009.

23. April 2009
Von Achim Steiner
Von Achim Steiner, Direktor des UN-Umweltprogramms
Übersetzung: Andreas Bredenfeld

Weltweit wurden zur Bekämpfung der aktuellen Krise 2,5 bis drei Billionen Dollar mobilisiert. Zusammen mit den Billionen Investorengeldern, die in den Depots darauf warten, gewinnbringend eingesetzt zu werden, bieten sie eine Chance, die noch vor einem Jahr undenkbar gewesen wäre: die Chance, einen effizienten und intelligenten Kurs einzuschlagen, der nicht nur die Probleme von heute, sondern auch die sich abzeichnenden Bedrohungen – Klimawandel, Ressourcenknappheit, Biodiversitätsverluste, Wassermangel – angeht.

In den USA will Präsident Obama mit einem großen Teil seines 825-Milliarden-Dollar-Konjunkturpakets erneuerbare Energien ankurbeln, Eigenheime wärmedämmen und das ineffiziente Stromversorgungsnetz des Landes verbessern. Damit könnten schätzungsweise fünf Millionen sogenannte Green-Collar-Jobs geschaffen und ein Motivationsschub für die Bauwirtschaft und die Technikbranche ausgelöst werden. Zugleich würde Amerika wieder an die Aufgabe herangeführt, ernsthaft den Klimawandel zu bekämpfen und Energiesicherheit herzustellen.

Auch Südkorea, das zum ersten Mal seit gut fünf Jahren Arbeitsplätze verliert, hat jenseits der trostlosen Konjunktur den „grünen Streifen am Horizont“ ausgemacht. Die Regierung von Präsident Lee Myung-Bak will 38 Milliarden Dollar in ein Beschäftigungsprogramm investieren, das die Reinigung der vier wichtigsten Flüsse des Landes und die Verringerung von Katastrophenrisiken durch den Bau von Uferverstärkungen und Wasseraufbereitungsanlagen vorsieht. Zu den Elementen dieses Green New Deals gehört zudem der Aufbau umweltfreundlicher Verkehrsnetze. Ein Hochgeschwindigkeitszug und Hunderte Radwegkilometer sind geplant sowie die Erzeugung von Energie aus dem auf Abfalldeponien entstehenden Methangas. Das kurz- wie langfristig ausgerichtete Maßnahmenpaket umfasst auch Investitionen in die Autoindustrie zur Weiterentwicklung der Hybridfahrzeugtechnik.

Ähnliche Beschäftigungspakete im Sinne eines Green New Deal wurden in China, Japan und Großbritannien geschnürt. Wichtig sind solche Maßnahmen auch für sich entwickelnde Volkswirtschaften wie Kenia oder Laos – nicht nur für den Arbeitsmarkt, sondern auch zur Armutsbekämpfung und zur Schaffung neuer Erwerbsquellen in Zeiten ungewisser Rohstoffpreise und -exporte.

Auch in Südafrika hat die regierungsgestützte Initiative Working for Water mit ihren gut 30 000 Beschäftigten erkannt, welche Chancen die Krise birgt. Das Land wendet jährlich sechzig Millionen Dollar für die Bekämpfung invasiver, gebietsfremder Pflanzenarten auf. So sollen Bäume und Sträucher wie die nichteinheimische Akazie zurückgedrängt werden, weil sie eine Gefährdung der einheimischen Tierwelt, von Wasservorräten, Ackerland und der wichtigen Touristenziele darstellt. Die „Ernte“ dieser invasiven Pflanzen stellt vierzig Millionen Tonnen Brennstoff für Kraftwerke bereit und entsprechen rund 5000 zusätzliche Arbeitsplätze und ca. 500 Megawatt neu gewonnenen Strom – dies entspricht zwei Prozent des landesweiten Elektrizitätsbedarfs.

Es zeigt sich, dass einige Länder Umweltinvestitionen bewusst als Chancen für einen Wiederaufschwung betrachten. Andere sind unsicher, ob sich Investitionen in Ökosystemleistungen wie die Kohlenstoffeinlagerung in Wäldern oder in erneuerbare Energien für die achtzig Prozent der Bevölkerung Afrikas, die ohne Stromversorgung leben, auszahlen. Wieder andere wissen einfach nicht, wie sie auf den Zug aufspringen können.

Anfang Februar hatte die UNEP einige Wirtschaftswissenschaftler zum Sitz der UNO in New York eingeladen. Dort wurde eine Strategie für einen Global Green New Deal ausgearbeitet, der auf die unterschiedlichen nationalen Herausforderungen reagieren und Regierungschefs wie Ministern aus aller Welt helfen soll, Konjunkturprogramme zu entwickeln, die an mehreren Fronten parallel auf die Probleme antworten.

Wenige Tage später wurden diese Empfehlungen den über hundert Umweltministern vorgestellt, die auf der Ratssitzung der UNEP und dem globalen Umweltforum in Nairobi anwesend waren. Ihre Reaktionen zeigen, dass der GND Fahrt aufnimmt.

Auf die Frage, warum Großbritannien ausgerechnet in Rezessionszeiten in Windkraft und Elektroautos investiert, bekannte sich Premierminister Gordon Brown klar zum Rettungsboot des Global Green New Deal: „Die Umwelt“, so Brown, „ist Teil der Lösung.“

Böll.Thema Ausgabe 1/2009 - Green New Deal

Wir befinden uns inmitten einer Transformationskrise des Kapitalismus. Im Zentrum steht die Idee eines «Green New Deal», die weltweit als Antwort auf die Doppelkrise von Wirtschaft und Umwelt diskutiert wird. Diese Ausgabe von Böll.Thema leuchtet aus, wie die Weichen in Richtung Zukunft gestellt werden können. mehr»

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