Kritik der Debatte

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24. April 2008

« zu "Chancen & Risiken Grundeinkommen"

Die feministische Kritik an der Grundeinkommensdebatte zielt vor allem darauf ab, dass das gesamte Konzept wie die Ökonomie überhaupt vor allem „männlich“ gedacht werden, und die Frage nach geschlechterspezifischen Auswirkungen und Erfordernissen außerhalb feministischer Kreise auch beim sonst so gerechtigkeitsorientierten Grundeinkommens-Diskurs kaum erörtert wird. Allerdings weist auch die Diskussion aus der feministischen Perspektive noch einige klärungsbedürftige Aspekte auf:

Patriarchale Herrschaftsformen und Diskursmuster

Auch die feministische Perspektive fragt vor allem nach frauenpolitischen Konsequenzen des Grundeinkommens: werden Frauen materiell besser abgesichert als bisher, könnte die Lohndifferenz für Frauen und Männer überwunden werden? Diese vordergründigen Fragen sind zweifelsohne wichtig, allerdings wird die hintergründige Geschlechterungleichheit dagegen deutlich seltener betont: So gehen nur wenige der Frage nach, wie geschlechtlich-kulturell bedingte Herrschaftsformen in dieser Gesellschaft konkret geändert werden könnten, oder wie der feministische Diskurs um das Grundeinkommen hier auch schon zu einer veränderten Wahrnehmung und politischen Prioritätensetzung beitragen könnte/sollte. Die Texte der feministischen Publizistin Antje Schrupp sind hier eine lobenswerte, aber noch zu einsame Ausnahme – ein Ansatzpunkt für die weitere Debatte!

Aufwertung von "Frauenarbeit" statt gerechter Arbeitsteilung?

Zudem ist es fraglich, ob es aus feministischer Sicht wirklich wünschenswert ist, dass „Frauenarbeit“ aufgewertet würde – muss nicht der Fokus ganz eindeutig auf einer gerechteren Arbeitsteilung zwischen Frauen und Männern liegen? Dies wird zwar von FeministInnen meist „mitgemeint“, aber die häufig verkürzte Darstellung in Reden und Papieren lässt es oftmals als akzeptabel erscheinen, wenn Frauen weiterhin in diesen Bereichen tätig sind, diese nur endlich monetär und politisch-moralisch „anerkannt“ wären. Dass sich an dieser Anerkennung das traditionelle Rollenmodell brechen muss, um Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen, ist eine viel weiter gehende Forderung, die aber öfter auch so deutlich ausgesprochen werden sollte.

Migration, Illegalität, Flucht – wer bekommt das Grundeinkommen?

Die Debatte klammert einen Großteil der Frauen in spezifischen Problemlagen und mit weiteren Minderheiten-Zugehörigkeit aus: Die feministische Perspektive muss auch fragen, wem nach welchen Kriterien das Grundeinkommen zustehen soll. MigrantInnen, Sans-Papiers (sogenannte „Illegale“), SchwarzarbeiterInnen kommen in der Debatte selten vor. Die Festlegung, ab welchem Aufenthaltsstatus und welcher -dauer das Grundeinkommen gezahlt wird, muss Ausnahmeregelungen vorsehen. Was passiert beispielsweise mit einer aus Zwangsprostitution oder einer arrangierten Ehe geflohenen Frau? Diese Frauen brauchen Sicherheit und Schutz, und zwar in ganz anderem Maße als eine Hausfrau aus der Mittelschicht. Der feministische Diskurs muss auch hier für Aufmerksamkeit sorgen, Fragen stellen und für Geschlechtergerechtigkeit in komplexen Problemlagen streiten.

Verlagerung von Arbeit von Frauen an arme Frauen?

Die Forderung nach mehr haushaltsnahen Dienstleistungen parallel zum Grundeinkommen, um eine höhere weibliche Erwerbsbeteiligung zu erreichen, ist ambivalent: Handelt es sich dabei wirklich um Empowerment im Sinne gestiegener Wahlfreiheit, sich z.B. auf der Basis des Grundeinkommens Haushaltshilfe zu organisieren, oder wäre dies nicht auch eine Art Verlagerung des Problems von Inklusion oder Exklusion von höher qualifizierten zu niedrig qualifizierten Frauen? Schließlich würden es hauptsächlich wiederum Frauen sein, die diese „Frauenarbeit“ professionell übernähmen. Das Grundeinkommen befähigt und emanzipiert dann vor allem jene, die es sich leisten können, Hausarbeit auszulagern – damit wäre Exklusion nicht mehr nur geschlechtsspezifisch, sondern auch wieder stärker einkommensabhängig. Auch an diesem Punkt ist das Grundeinkommen zwar nicht die eigentliche Ursache einer solchen Entwicklung, sondern eher die Grundlage der gesamten, dynamischen Entwicklung, die in einzelnen Punkten erheblich variieren könnte. Dennoch sollte im Sinne Robeyns' auch daran gedacht werden, inwiefern sich die Einführung des Grundeinkommens je nach Qualifikation, sozialer Herkunft unterschiedlich auswirkt und die Geschlechtergerechtigkeit auf gesellschaftlicher Ebene beeinflusst.

Mangelnde Nachhaltigkeit: Die Bedeutung von Bildung

Auch Nachhaltigkeit spielt im feministischen Diskurs eine noch zu geringe Rolle. Die Bedeutung von Bildung und eigener Sozialisation für die geschlechtersensible Wahrnehmung und Interpretation von Gesellschaft, also für die Erwartungen an Rollenmuster und das Selbstbild als Mann/Frau ist evident. Ein durch das Grundeinkommen beeinflusster „Rückfall“ in traditionelle Rollenbilder und geschlechtsspezifische Arbeitsteilung wäre daher nicht nur die unmittelbar betroffenen Frauen problematisch, sondern würde der Geschlechtergerechtigkeit auch langfristig schaden. Wenn Kinder aufgrund einer gesellschaftlichen Erwartungshaltung oder schlicht mangelhafter Betreuungskapazitäten wieder verstärkt zu Hause erzogen würden, anstatt in qualitativ hochwertiger Betreuung zu sein, hätte das zum einen – besonders für Kinder von gering Qualifizierten oder aus bildungsfernen Haushalten – Nachteile für die Bildung der Kinder selbst, aber auch zum anderen negative Konsequenzen für die Gender-Sensibilisierung, zumal viele Kinder dann wohl eher wieder ein traditionelles Familien- und Rollenmodell vermittelt bekommen würden. Nachhaltigkeit ist deshalb auch ein Thema für die feministische Kritik.

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