Ronja Röckemann, Eberhard-Karls-Universität – Tübingen

„Gäste von Sexarbeiterinnen“, „zahlende Vergewaltiger“, „Hurentester“ – Deutungsmuster zur Prostitutionsnachfrage in Deutschland (2010-2016)

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Nachdem sie zuvor weitgehend unsichtbar waren, sind Freier, also Prostitutionskunden, in den letzten Jahren politisch-rechtlich und medial immer stärker in den Blick geraten. In Deutschland erfolgte dies insbesondere im Kontext langjähriger Debatten um eine Reform des Prostitutionsgesetzes (ProstG) aus dem Jahr 2002, die im Jahr 2016 in der Verabschiedung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) mündeten.

Die Dissertation analysiert die in diesem Zuge in Deutschland medienöffentlich (re)produzierten Deutungsmuster zur Legitimität oder Illegitimität des Freier-Seins bzw. zu bestimmten Verhaltensweisen von Freiern. Die leitenden Fragestellungen lauten, welches Freierverhalten im Material von wem auf welche Weise als ›normal‹ oder ›natürlich‹ gedeutet wird und welche Grenzen des als ›akzeptabel‹ angesehenen Freierverhaltens ausgehandelt werden.

Untersucht wird eine große Bandbreite medienöffentlichen Materials, in dem in den Jahren 2010 bis 2016 männliche Prostitutionsnachfrage beschrieben bzw. visualisiert wurde oder in denen Freier als Zielgruppe angesprochen wurden. Das Untersuchungsmaterial der wissenssoziologischen Diskursanalyse umfasst dabei unter anderem Zeitungsartikel, Talkshows, Straßenplakate, Online-Prostitutionswerbung und Diskussionen in Freierforen.

Durch die große Bandbreite des Materials wird dabei auch deutlich, wessen und welche Deutungen innerhalb der verschiedenen Diskursarenen unsagbar und unsichtbar bleiben.

Aufgrund der besonderen Bedeutung der Nachfrageseite im Kampf gegen vielseitige Missstände innerhalb des Prostitutionsgewerbes, ist die Analyse des untersuchten gesellschaftlichen Diskurses besonders relevant. Unter Bezugnahme auf den Forschungsstand sowie auf medien-, diskurs-, öffentlichkeits- und sexualtheoretische Ansätze wird argumentiert, dass die herauszuarbeitenden Deutungsmuster den Umfang und die Art und Weise der Prostitutionsnachfrage in Deutschland bedeutend mitprägen.

Nicht zuletzt sind sie bedeutsam für das Selbstverständnis von Prostitutionskunden und ihr Verständnis eines ›normalen‹, ›richtigen‹ oder ›falschen‹ Umgangs mit den in der Prostitution tätigen Personen.