Fortschritt oder Rückschlag? Der Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg

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Der Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg

26. März 2008
 Pressegespräch der Heinrich-Böll-Stiftung am 14. August 2002
mit Ralf Fücks, Barbara Unmüßig und Jörg Haas

Ralf Fücks (Vorstand der Stiftung) wies darauf hin, dass die aktuellen Überschwemmungen erst das Vorspiel noch schlimmerer Umweltkatastrophen als Folge des weltweiten Klimawandels seien. Er zog eine sehr "gemischte Bilanz" der Entwicklung seit dem Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992. Die globale Umweltzerstörung setze sich kaum gebremst fort, begleitet von der wachsenden Kluft zwischen einer wohlhabenden Minderheit und einer verarmten Mehrheit der Weltbevölkerung. Die internationale Umwelt- und Entwicklungspolitik habe mit dieser Entwicklung nicht Schritt gehalten. In der Bundesrepublik gebe es positive Impulse von der rot-grünen Koalition, den lokalen Agenda 21-Initiativen und auch von ökologisch aufgeklärten Unternehmen.

Die Hauptsache aber stehe auch 10 Jahre nach Rio noch bevor: verbindliche, finanziell abgesicherte Verpflichtungserklärungen zwischen den Staaten und die Errichtung einer starken Welt-Umweltorganisation unter dem Dach der UN. Die Gipfelkonferenz in Johannesburg werde zur "Bewährungsprobe des Multilateralismus". Ihr Erfolg hänge davon ab, dass Ökologie und Armutsbekämpfung miteinander verknüpft würden. Sonst drohe die Degeneration des Begriffs "Nachhaltige Entwicklung" zu einer leeren Worthülse.

Barbara Unmüßig (ebenfalls Vorstand der hbs), die bereits 1992 in Rio war, stellte fest, dass der Vorbereitungsprozess des Johannesburg-Gipfels von grundsätzlichen Auseinandersetzungen zu den Themen Handel und Finanzen geprägt sei. Vor allem seien bislang keine anspruchsvollen Ziele und Zeitpläne zu so zentralen Themen wie Energie und Wasser oder zum Abbau umweltschädlicher Subventionen erkennbar. Die überfällige soziale und ökologische Gestaltung der Globalisierung sei kaum auf der offiziellen Agenda von Johannesburg zu finden.

Die EU vertrete im Gipfelprozess am verlässlichsten die Umweltinteressen und setze sich für klare Zielvorgaben bei der Einführung erneuerbarer Energien ein. Ökonomisch sei sie den Entwicklungsländern jedoch noch wenig entgegengekommen, so etwa beim Subventionsabbau in der Landwirtschaft oder beim Marktzugang. Die USA wollten keine verbindlichen multilateralen Abkommen. Sie setzten ganz auf freiwillige Initiativen der Privatwirtschaft. Die G-77-Länder forderten in erster Linie verbindliche ökonomische Zusagen bei der Entwicklungshilfe und in Handelsfragen und lehnten ebenfalls klare Ziele für erneuerbare Energien ab. Sie verweigerten sich Umweltzielen, solange sie hier kein Entgegenkommen des "Nordens" bei der Marktöffnung ihrer exportfähigen Produkte sähen.

Unmüßig und Fücks forderten von den Industriestaaten glaubwürdige Signale für eine ökologisch zukunftsfähige und sozial gerechte Gestaltung der Weltwirtschaft (verbindliche Standards für Direktinvestitionen, Fairness im Welthandel, Abbau schädlicher Subventionen, Entschuldung und Entwicklungsfinanzierung für den Süden). Differenziert bewerte die Heinrich-Böll-Stiftung die sogenannten Typ II-Ergebnisse: Partnerschaften für Projekte nachhaltiger Entwicklung zwischen Staaten, Unternehmen und Zivilgesellschaft in unterschiedlichen Konfigurationen. Sie brächten ein Element von Dynamik in den ansonsten relativ festgefahrenen Prozess, könnten aber Regierungsabkommen nicht ersetzen. Das Instrument freiwilliger Vereinbarungen dürfe nicht zu einem billigen "greenwash" von Unternehmen verkommen.

Die Vorbereitung des Weltgipfels in Johannesburg habe in den letzten zwei Jahren im Mittelpunkt der Arbeit der Heinrich-Böll-Stiftung gestanden, berichtete Jörg Haas, Programmkoordinator für Nachhaltige Entwicklung. Die Auslandsbüros der Stiftung hätten sich intensiv am Vorbereitungsprozess beteiligt, über 60 Konferenzen und Veranstaltungen seien weltweit durchgeführt worden. Zwei Websites (http://www.worldsummit2002.de/ und http://www.worldsummit2002.org/), Buchpublikationen und 19 programmatische "World Summit Papers" markierten die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit. "Kernprodukt" der Stiftung sei das Jo'burg Memo, ein von einer 16köpfigen internationalen AutorInnengruppe verfasstes Memorandum. Es stoße auf ein überwältigendes Echo und sei inzwischen in 8 Sprachen übersetzt.

Die Heinrich-Böll-Stiftung werde in Johannesburg mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm präsent sein. Auf dem "Böll-Forum" würden zahlreiche Initiativen der Stiftung und ihrer Partnerorganisationen vorgestellt, darunter eine Uraufführung des südafrikanischen Community Theatre zu Themen globaler Gerechtigkeit. Auch an zahlreichen anderen Orten des Gipfelgeschehens werde die Stiftung präsent sein. Für die Medien biete sie einen aktuellen Newsletter (zu abonnieren unter joburgnews-addme@boell.org.za) sowie die Vermittlung von Kontakten zu interessanten ExpertInnen und AktivistInnen aus aller Welt an.

Kontakt
Heinrich-Böll-Stiftung e.V.
Schumannstr. 8, 10117 Berlin

Albert Eckert, Leiter Öffentlichkeitsarbeit (eckert@boell.de)
Lars Gaede, Pressearbeit Weltgipfel 2002 (gaede@boell.de)
Telefon 030. 285 34-202
Philipp Casula, Pressearbeit Weltgipfel 2002 (casula@boell.de)
Telefon 030. 285 34-200
Jörg Haas, Ökologiereferent (haas@boell.de)

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht. 

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