Eine Analyse der Potenziale und Probleme
Von Stefanie EngelDossier: Klima und Wandel in Amazonien
Die jüngste Ökosystemstudie der UNO (Millennium Ecosystem Assessment) kommt zu dem Ergebnis, dass sich zwei Drittel der weltweiten Ökosystemleistungen rückläufig entwickeln. Häufig ist Entwaldung und Walddegradation Begleiterscheinung oder sogar Quelle wirtschaftlichen Wachstums. Ohne politische Impulse besteht also für den einzelnen Grundbesitzer kein Anreiz, die vom Wald erbrachten Ökosystemleistungen für die Gesellschaft insgesamt zu erhalten.
Die Idee. Ein Impuls, der zunehmend diskutiert wird, sind Zahlungen für Umweltleistungen (Payments for Environmental Services, PES). Dabei werden Werte, die nicht über den Markt bestimmt werden, in reale finanzielle Anreize übersetzt und zwar für solche lokalen Akteure, die Leistungen für das Ökosystem erbringen. Costa Rica ging dabei als Pionier voran und das mit Erfolg: Das Land, das vor nicht langer Zeit für eine der höchsten Entwaldungsraten bekannt war, hat zu Beginn des neuen Jahrtausends eine negative Abholzungsrate erzielt.
Weitere Länder in der Region sind dabei, vergleichbare Programme zu entwickeln. Zu den Beispielen für PES in großem Maßstab zählen ein nationales Programm in Mexiko, Agrarumweltprogramme in den USA und zunehmend auch in der EU sowie der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls. Darüber hinaus gibt es viele kleinere Initiativen unter Beteiligung von NGOs oder Privatunternehmen, die als Käufer von Umweltleistungen agieren.
Beispiel Costa Rica. Aus Sorge über schwindende Holzvorräte wurden in Costa Rica in den 1970er Jahren – zunächst in Form von Steuernachlässen – Anreize für die Anlage von Holzplantagen entwickelt. In den 1980ern und 1990ern wurde der Kreis der Beteiligten über Großunternehmen hinaus erweitert und die Förderung vom Erhalt des Waldes verstärkt. Als 1997 das nationale PES-Programm entstand, konnte Costa Rica bereits auf ein System von Zahlungen für Wiederaufforstungs- und forstwirtschaftliche Maßnahmen sowie die entsprechenden Verwaltungseinrichtungen zurückgreifen.
Zwei wichtige Veränderungen brachte das 1997 verabschiedete Waldgesetz. Zum einen wurden die Zahlungen nicht mehr mit der Unterstützung der Holzindustrie, sondern mit der Erbringung von Umweltleistungen begründet. Zum anderen wurden zur Finanzierung nicht mehr der Staatshaushalt, sondern spezifische Steuern und Zahlungen von Nutznießern herangezogen.
Abbildung 1: Das costaricanische PES-System (Quelle: Engel, S., Wünscher, T., and S. Wunder, 2007.)
Am costaricanischen Beispiel lässt sich das PES-Konzept gut veranschaulichen (Abbildung). Die Gelder für die Finanzierung von Umweltleistungen werden von der ausführenden Behörde FONAFIFO gesammelt. Das Geld stammt von internationalen Gebern, die an der Erhaltung der biologischen Vielfalt interessiert sind, von Käufern von CO2-Zertifikaten, von lokalen Industrieunternehmen, die ein Interesse an der Wasserqualität und Wasserzirkulation haben, und von den costaricanischen Steuerzahlern, die über eine nationalen Kraftstoffsteuer und demnächst auch eine Wassergebühr beteiligt sind. Das Geld wird durch FONAFIFO an die Landbesitzer ausgezahlt. Im Gegenzug verpflichten sich diese dazu, den Boden nur auf bestimmte Weise zu nutzen. Gegenwärtig werden über neunzig Prozent der Gelder für den Erhalt des Waldes ausgegeben. Dabei wird davon ausgegangen, dass Wälder vier Kategorien von Umweltleistungen erbringen: Erhalt der Biodiversität, CO2-Sequestrierung, Leistungen zur Regulierung des Wasserkreislaufs und landschaftliche Schönheit. Ein Begleitziel des Programms ist die Armutsbekämpfung.
Potenziale und Grenzen von PES. Die Attraktivität des PES-Modells liegt in seiner Direktheit. Zahlungen für Umweltleistungen können häufig effizienter und wirksamer zum Erhalt des Waldes beitragen als weniger direkte Ansätze, die etwa auf Bewusstseinsbildung bei der lokale Bevölkerung setzen. PES bietet außerdem eine alternative Einkommensquelle für lokale Landbesitzer. Dies ist gerade in Entwicklungsländern attraktiv, wo die Erbringer von Umweltleistungen meist arm sind.
Dass die Zahlungen direkt an die Leistungen für die Umwelt geknüpft sind, soll außerdem die Privatwirtschaft animieren, sich finanziell zu beteiligen. Und da mit einer bestimmten Landnutzung unter Umständen mehrere Leistungen erbracht werden, können Zahlungen zum Beispiel für Leistungen zu Gunsten des Wasserkreislaufs gleichzeitig dem Erhalt biologischer Vielfalt dienen. Trotz alledem bestehen noch erhebliche Spielräume für die Verbesserung der bisherigen Programme.
Zahlungen für Umweltleistungen sind ein sinnvolles Instrument, um solche lokalen Landbesitzer oder Waldnutzer umzustimmen, die sich eigentlich für die Abholzung entschieden hätten, obwohl diese weder im regionalen noch im globalen Interesse ist. Überall dort hingegen, wo es im direkten Interesse der einzelnen Grundbesitzer liegt, sich mit Blick auf rein lokale Nutzeffekte für nachhaltigere Praktiken zu entscheiden, dürfte man mit der Bereitstellung von Krediten oder Umwelterziehung auskommen.
Andererseits sollte man die Möglichkeiten, die Privatwirtschaft als Nachfrager zu gewinnen (z. B. Unternehmen oder Landwirte, die ein Interesse an der Sicherung der Wassermenge und Wasserqualität an ihrem Standort haben) nicht überschätzen. Viele Ökosystemleistungen sind öffentliche Güter und stehen somit allen zur Verfügung.
Spielräume für Verbesserungen: Präzisierung und Flexibilisierung. Überall dort, wo Zahlungen für Umweltleistungen als taugliches Instrument betrachtet werden, müssen wichtige Fragen bei der Ausgestaltung der konkreten Programme bedacht werden. Dies gilt zunächst für die geographische Auswahl der Bewerber. Ende 2004 zum Beispiel umfasste das vertraglich in das costaricanische PES-Programm eingebundene Gebiet eine Gesamtfläche von 230 000 Hektar. Doch die Zahl der Interessenten überstieg bei weitem das verfügbare Budget, Anträge für insgesamt 800 000 Hektar waren eingereicht worden. Bislang erfolgt die Standortwahl dort nach dem Grundsatz „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, sofern die Standorte innerhalb festgelegter Prioritätsgebiete liegen. Welche Umweltleistungen allerdings tatsächlich erbracht werden, kann von Ort zu Ort sehr unterschiedlich sein.
Überdies wird an manchen Standorten zwar ein hohes Maß an Umweltleistungen erbracht, aber es hatte dort keine oder nur wenig Entwaldungsgefahr bestanden. In welchem Maß Costa Ricas PES-Programm Umweltleistungen erreicht, die über die Baseline - einen festgelegten Referenzwert – hinausgehen (Zusätzlichkeit), ist überaus umstritten. So kam vor kurzem Alexander Pfaff von der Duke University (USA) zum Ergebnis, dass das PES-Programm nur sehr geringe Auswirkungen auf die Entwaldung hat. Vor allem dort, wo PES etwa für die Reduzierung von Abholzungsvermeidung gezahlt werden, kommt es entscheidend auf die Bemessung der Baselines an, damit die Zusätzlichkeit der erbrachten Leistungen gesichert und auch verhindert wird, dass zerstörerische Aktivitäten nur an einen anderen Ort verlagert werden (Leakage).
Problematisch ist auch, dass die Zahlung für jede einzelne Landnutzungsart festgelegt ist - für Walderhaltung zum Beispiel auf 64 US-Dollar pro Hektar und Jahr. Die effektiven Kosten für die Teilnahme an dem Programm sind jedoch von Landbesitzer zu Landbesitzer sehr unterschiedlich. Sie umfassen die mit der Walderhaltung verbundenen Opportunitätskosten (d. h. die möglicherweise mit der alternativen Landnutzung verbundenen Gewinneinbußen), Erhaltungskosten (Einzäunungen und Brandschutzstreifen) und Transaktionskosten (Grundbesitzregistrierung, Sammeln von Informationen).
Pauschalzahlungen bescheren Landbesitzern, für die die Teilnahme am Programm mit geringen Kosten verbunden ist, hohe Erträge, während sich Landeigentümer mit hohen Teilnahmekosten meistens nicht am Programm beteiligen – es wird ihnen zu teuer. Wenn jedoch an einem Standort ein hohes Maß an Umweltleistungen erbracht wird und die Entwaldungsgefahr groß ist, kann es sich lohnen, für den Schutz dieses Standorts mehr auszugeben. Das bedeutet, dass mehr Umweltleistungen erreicht werden könnten, wenn man die Zahlungen differenziert und bei der Standortauswahl den Umfang der zu erbrachten Umweltleistungen und die Entwaldungsgefahr berücksichtigt. Eine Studie des Lehrstuhls für Umweltpolitik und Umweltökonomie an der ETH Zürich (kurz PEPE) und des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn über die Halbinsel Nicoya (Costa Rica) ergab, dass sich mit einem verbesserten Mechanismus bei der Auswahl der Bewerberstandorte die Gesamtmenge der erbrachten Umweltleistungen nahezu verdoppeln ließe.
Spielräume für Verbesserungen: Armutseffekte und Permanenz. Die Ausgestaltung der Programme kann auch einen Einfluss darauf haben, ob die Zahlungen für Umweltleistungen den Armen zugute kommen. Aus früher in Costa Rica durchgeführten Untersuchungen weiß man, dass arme Grundbesitzer seltener am PES-Modell teilnehmen, weil sie oft keine formellen Besitzrechte haben und die Antragskosten für sie eine Barriere darstellen. Um dieses Problem zu lösen, werden inzwischen auch Anträge ohne formelle Besitzrechte akzeptiert und Gruppen kleiner Landbesitzer können Sammelanträge stellen.
Ein letzter Aspekt: Kritiker heben die Anfälligkeit von PES-Modellen für den Einfluss externer Faktoren hervor. So kann eine Verteuerung der Agrargüter Landbesitzer bewegen, aus PES-Programmen auszusteigen und zu schädlicheren landwirtschaftlichen Praktiken überzugehen, wenn die Zahlungen nicht entsprechend angehoben werden. In einem vor kurzem begonnenen Forschungsprojekt soll nun bei PEPE analysiert werden, wie PES-Verträge so gestaltet werden können, dass die Vorteile langfristiger Verträge und die Flexibilität, die zur Anpassung an solche veränderten Rahmenbedingungen nötig ist, bestmöglich zum Ausgleich gebracht werden.
Kurzes Fazit. Da zurzeit viele Länder das costaricanische Programm als Modell für die Einführung ähnlicher PES-Programme nutzen, ist es wichtig, sich sowohl dessen Stärken als auch dessen Schwächen vor Augen zu führen. Costa Ricas Erfolg im Kampf gegen die Entwaldung ist natürlich nicht allein dem PES-Modell zu verdanken. Dieses ist vielmehr Teil einer komplexen Kombination aus Walderhaltungspolitik und einem vorteilhaften institutionellen Rahmen. PES ist in vielerlei Hinsicht ein Erfolg versprechender Politikansatz, aber kein Patentrezept. Ein wohl durchdachtes Design unter Berücksichtigung ortsspezifischer Gegebenheiten ist notwendig, um das Potenzial von PES tatsächlich zu nutzen.
Vita
Stefanie Engel ist Professorin für Umweltpolitik und Umweltökonomie am Institut für Umweltentscheidungen an der ETH Zürich.
Veröffentlichung zum Thema: Engel, S., Wünscher, T., and S. Wunder: "Increasing the Efficiency of Conservation Spending: The case of Payments for Environmental Services in Costa Rica". In: C.B. Schmitt, T. Pistorius and G. Winkel (eds.), A Global Network of Forest Protected Areas under the CBD: Opportunities and Challenges. Freiburger Schriften zur Forst- und Umweltpolitik 16. Verlag Kessel 2007.