„Financing for Adaptation“
Dokumentation des dritten Fachgesprächs der Veranstaltungsreihe: „Die Zukunft der Entwicklungspolitik – eine Reformdebatte“ in der Heinrich-Böll-Stiftung, am 21. 01. 2008 in Berlin (in Zusammenarbeit mit der BAG Nord-Süd von Bündnis 90/Die Grünen)
Die vollständige Dokumentation ( 15 S., 80 KB, PDF) können Sie sich als PDF-Dokument herunterladen.
Zusammenfassung
Anknüpfend an die beiden vorhergehenden Fachgespräche a) zu den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen an die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) sowie b) den institutionellen und instrumentellen Anforderungen an diese, befasste sich der dritte Teil der Workshopreihe zur Zukunft der Entwicklungspolitik schwerpunktmäßig mit der Finanzierung von Entwicklungszusammenarbeit und darin besonders mit der Finanzierung für Anpassung an den Klimawandel (Financing for Adaptation). Dieses bislang wenig diskutierte Thema ist eine mögliche Antwort auf die globale Herausforderung des Klimawandels und dringend erforderliche Gegen- oder Schutzmaßnahmen. Im Fachgespräch wurde der Themenkomplex „Finanzierung von EZ“ (Aufkommen neuer Mittel, Umwidmung / Nutzung privater bestehender Kapitalflüsse, Erhöhung des ODA-Aufkommens u.a. Fragen) mit der Debatte um das „Woher“, „Wie viel“ und „Wohin“ der Mittel für die Klimaanpassung verknüpft.
Zu Beginn des Fachgesprächs wurden in einer offenen, synoptischen Diskussionsrunde die voraussichtlich gescheiterte Reform der deutschen EZ-Vorfeldinstitutionen kommentiert sowie aktuelle Herausforderungen an die deutsche und internationale EZ debattiert.
Ausblick: Die Herausforderungen an die deutsche EZ durch Veränderungen globaler Machtverhältnisse
Was in den ersten beiden Fachgesprächen teilweise noch als nahes Zukunftsszenario analysiert wurde, hat sich im Jahr 2007 bereits als deutliche Schwerpunktverschiebung der EZ-Großthemen herauskristallisiert: die Bedeutung und Rolle neuer Geber aus dem Süden, insbesondere Chinas und Indiens, internationale Handelsfragen, in der eine zunehmende Verzahnung von Entwicklungspolitik mit wirtschaftlichen Eigeninteressen in den Vordergrund tritt sowie die notwendige Verknüpfung von Klimaschutz mit der EZ. Aber diese Entwicklung scheint sowohl im BMZ, als auch in Brüssel nicht hinreichend wahrgenommen zu werden.
Vielmehr hat die internationale Gemeinschaft, insbesondere aber die EU, in der Reaktion auf die neue Multipolarität drei schwerwiegende Fehlreaktionen zu verantworten, die langfristig auch zu einem Bedeutungs- und Glaubwürdigkeitsverlust der europäischen Entwicklungspolitik führen können:
- Die Weltbank, der IWF und die EU-Entwicklungsbank bezichtigten China des so genannten „Free Ridings“, d.h. der willkürlichen Vergabe von Krediten zu unterschiedlichen Konditionen an afrikanische Partnerländer (PL). Das wiederum stürze die ohnehin mit Schuldendienst belasteten LDCs in neue Verschuldungen. Wissenschaftliche Studien haben diese Vorwürfe widerlegt. Auch für die EU und westliche Gebergemeinschaft gilt es, ihre Überheblichkeit gegenüber China abzubauen, denn die chinesische Entwicklungshilfe ist davon gekennzeichnet, dass sie schnell, preiswert und sichtbar ist. Die so genannten „Steinzeitmerkmale“, wie der hohe Einsatz eigener Arbeitskräfte oder ein geringes Umweltbewusstsein, werden jedoch relativ schnell abgebaut. Komparative Vorteile beispielsweise der deutschen EZ werden hier also zusehends verschwinden.
- In der handelspolitischen Debatte um die Economic Partnership Agreements (EPAs) hat die EU trotz internationaler Kritik unbelehrbar an einer Fehlagenda festgehalten, die den Handlungsspielraum afrikanischer PL sehr stark eingeschränkt hätte. Das BMZ ist Brüssel gegenüber nicht deutlich genug für seine kritische Position eingetreten.
- In der Debatte um Konditionalitäten verharrt die Gebergemeinschaft des Nordens auf einer kontraproduktiven Position. Insbesondere WB und IWF schaffen es nicht, politische Ex-ante Konditionen in der EZ zu reduzieren. Hinter der rhetorischen Abwehr, Good Governance fördern zu wollen, verbirgt sich tatsächlich jedoch der Unwillen der westlichen Gebergemeinschaft, sich auf den multipolaren Wettbewerb mit neuen Gebern, die kaum Konditionalitäten stellen, einzulassen.
In der Diskussion um diese drei Fehlreaktionen wurden ebenfalls drei wesentliche Leerstellen identifiziert, die eine weitergehende Auseinandersetzung um Rolle und Bedeutsamkeit der deutschen EZ dringend erforderlich machen:
- EU-EZ: Da in der EPA-Debatte deutlich wurde, dass sowohl das BMZ als auch die Generaldirektion Entwicklung (DG Development) mit ihren EntwicklungsexpertInnen eher BeobachterInnen der Verhandlungen waren, jedoch nicht zu Rate gezogen wurden, stellt sich die Frage, wie beide Akteursebenen, die deutsche und die europäische EZ, zukünftig gestärkt werden können, um über ihre Expertise auch inhaltlich Einfluss nehmen zu können. Wie kann und muss eine zukünftige Koordination deutscher und europäischer EZ aussehen? Dabei rücken erneut die Strukturschwächen des BMZ auf nationaler Ebene und im Besonderen gegenüber dem Auswärtigen Amt (AA) in den Blick: Bereits jetzt wird ein Großteil der deutschen EU-EZ über das Auswärtige Amt abgewickelt; mit dem im Entstehen befindlichen Europäischen Auswärtigen Dienst wird ein noch größerer Anteil in die Steuerung des AA fallen. Damit sind weitere Mängel an Politikkohärenz vorgezeichnet. Es wird immer wieder ersichtlich, dass das BMZ zu lange braucht, um eine Führungskompetenz zu entwickeln. Eine starke deutsche EZ wird international sichtbar eher vom AA getragen. Hier hat die interne Reformdebatte ebenfalls zu einer Schwächung des BMZ beigetragen.
- Konditionalitäten: In Reaktion auf die allgemeine Budgethilfe von 40 Mio. Euro, die der Europäische Entwicklungsfonds noch im Januar an Kenia leistete, wird vor dem Hintergrund der vergangenen Diskussionen mit dem Haushaltsausschuss in Deutschland mit einer Verschärfung der Konditionalitäten bei Budgethilfe zu rechnen sein.2 Im multilateralen Kontext wird der Spielraum, in dem allgemeine Budgethilfe angewendet werden kann, eher zurückgehen, Konditionalitäten werden verschärft und Transaktionskosten steigen. Im multilateralen Wettbewerb wird das dazu führen, dass sich viele Partnerländer anderen Gebern zuwenden. Doch wo die internationale EZ eigentlich rhetorisch abrüsten müsste, rüstet sie auf, z.B. über die Paris Deklaration der OECD: Das Problem des eigenen Mittelabflussdrucks außer Acht lassend, verspricht sich die Gebergemeinschaft vom Pooling der Ressourcen auch einen größeren Hebel für Konditionalität. Sinnvoller wäre jedoch eine nüchterne Beurteilung, ob mit EZ politische Konditionen verhängt werden sollen oder ob EZ nicht vielmehr eine Zusammenarbeit mit denjenigen ist, die diese wünschen und darin unterstützt werden wollen, ihre Defizite abzubauen.
- Der Wettbewerb mit neuen Anbietern wird sich für die etablierten Geberländer verstärken. Alle Partnerländer können – wenn sie dies nicht bereits tun – in Zukunft unter staatlichen, nicht-staatlichen und privaten Akteuren und Kapitalgebern auswählen. Für das BMZ stellt sich die – offen gebliebene – Frage, ob es sich nicht von dem Anspruch, globale Strukturpolitik zu betreiben, verabschieden sollte. Sieht man von der WB ab, hat es diesbezüglich in multilateralen Foren de facto keine Vormachtsstellung. Der vorrangige Aufgabenbereich könnte auf dieser Ebene vielmehr darin liegen, afrikanische und andere Partner zu stärken, z.B. gegenüber der EU-Kommission.
Die Debatte zur Reform der EZ hat letztendlich die Frage aufgeworfen, ob das vorhandene Instrumentarium für die neuen Herausforderungen überhaupt ausreicht. Die deutsche EZ muss innovativer werden und Reaktionsschnelligkeit ist gefordert – dies jedoch nicht nur operativ, sondern vor allem auch in der Bereitschaft zur Auseinandersetzung um diese Themen.