Haben und Nichthaben – Das ‚Great Game’ des 21. Jahrhunderts um Afrikas Rohstoffe

Lesedauer: 8 Minuten

26. März 2008
Begrüßung und Einführung zur Veranstaltung

Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung
Berlin, 26. März 2007

Verantwortungsvolle, sozial und ökologisch orientierte Ressourcenpolitik lässt sich heute nicht mehr losgelöst von Klimaschutzpolitik und Geo- und Sicherheitspolitik diskutieren und politisch bearbeiten. Insofern ist es auch für eine Diskussion über Ressourcenpolitik in Afrika und weltweit von zentraler Bedeutung, dass der globale Klimawandel und seine katastrophalen Folgen für Mensch und Natur endlich wieder in der öffentlichen Debatte und auf der politischen Agenda stehen -  zumindest in vielen Industrieländern. Nur, machen wir uns nichts vor: Der Weg aus der globalen fossilen Falle hat noch nicht mit den drastischen Schritten begonnen, die jetzt unerlässlich sind: Weltweit werden knapp 80 Prozent der gesamten Primärenergie durch Verbrennung fossiler Brennstoffe gewonnen. Der Löwenanteil liegt bei Erdöl, gefolgt von Kohle und Erdgas. In Deutschland sind die CO2-Emissionen im letzten Jahr gestiegen, nicht gesunken. Und die weltweite Nachfrage - zumindest der Industrieländer -  nach Öl und Gas wird nicht so schnell nachlassen. Zudem wird der rasante wirtschaftliche Aufstieg Chinas und Indiens den Druck auf die Ausbeutung von Öl, Gas und Kohle und den Hunger nach natürlichen Ressourcen wie Mineralien oder Holz weltweit noch befeuern. Es liegt also auf der Hand, dass wir heute, jetzt, mit aller klimapolitischer Dringlichkeit die Weichen für eine globale Energiewende stellen müssen. Investitionen müssen zuvörderst in eine weltweite und umfassende Energierevolution fließen, denn die Infrastruktur für Energie wird in den nächsten Jahren weltweit erneuert bzw. ausgebaut. Wir brauchen eine radikale Energiesparpolitik, Effizienzsteigerungen und den Umstieg auf erneuerbare Energien. Heutige Investitionen entscheiden über die Klimaemissionen der Zukunft. Vermeiden und Sparen ist also die Priorität Nr. 1 für eine sozial und ökologisch gerechte Ressourcenpolitik.
Jenseits des dringlichen und massiven Abbaus der fossilen Energieträger im gegenwärtigen globalen Energiemix steht als weitere dringliche und politisch äußerst brisante Frage im Raum, unter welchen ökonomischen, politischen, sozialen und ökologischen Bedingungen Ressourcen genutzt und  abgebaut werden  und als Quelle für die  ökonomische Entwicklung der exportierenden Länder dienen können.

Das Great Game hat längst begonnen

Afrika mit seinem großen Reichtum an natürlichen Ressourcen ist nun als letzter Kontinent im Visier derjenigen, die nach neuen Rohstoffquellen suchen - der Run auf die ökonomisch lukrativen neuen Rohstoffquellen in Afrika  – seien es fossile oder mineralische - ist längst in vollem Gange. Die geopolitische Diversifizierung der Erdölquellen und ihrer Transportrouten steht ganz oben auf der politischen Agenda ölimportierender Länder und multinationaler Konzerne.  Die Erschließung der Erdölquellen Äquatorialguineas verläuft in atemberaubendem Tempo. Nigerias heutige Position als sechstgrößter Lieferant der USA  soll noch weiter ausgebaut werden.  Westafrikanische Länder liefern heute bereits 15 Prozent der US-Rohölimporte. Und Angola ist binnen kürzester Zeit zum größten Öllieferanten China aufgestiegen.
Regierungen und globale Unternehmen stecken längst ihre Ressourcenclaims ab, manchmal mit Waffengewalt, mit Drohungen und  Milliardensummen für Expoloration, Konzessionen und Erschließung. Wer eine soziale und ökologisch verträglich Ressourcenpolitik will, muss sich mit den inner- und  zwischenstaatlichen Konfliktpotenzialen und massiven, (auch ökologischen) Sicherheitsrisiken auseinandersetzen, die mit den Zugangsrechten (vor allem bei Offshore-Gebieten) und der Kontrolle der Quellen und Transportrouten verknüpft sind.

Die  Frage des ökologischen Umgangs mit natürlichen Ressourcen berührt also weitere Kernaufgaben einer grünen politischen Stiftung. Es geht um Verteilungsgerechtigkeit, um Demokratie, Menschenrechte und Konfliktprävention.  Wer Zugang zu natürlichen Ressourcen hat, zu Entscheidungen darüber, wie die Kontrakte zur Ressourcenausbeutung verhandelt werden und wie die wirtschaftlichen Erträge aus der Nutzung umverteilt werden, entscheidet konkret darüber, ob Ressourcennutzung Armut beseitigen hilft, demokratische Teilhabe befördert und Konflikte verhindert oder geradezu das Gegenteil provoziert: politische Instabilität, Krieg und Unsicherheit.

Wir wissen alle: Korruption in großem Maßstab von der Vergabe der Konzessionen bis hin zur Verwaltung und Verteilung der Renteneinnahmen ist nicht die Ausnahme, sondern leider die Regel. Für viele rohstoffreiche Länder des Südens entscheiden sich in diesem Sektor Kernfragen der Demokratie, ist es oft eine Frage von Krieg oder Frieden, ob es gelingt, eine nachhaltige Ressourcen-‚Governance’ zu etablieren. Angesichts begrenzter Ressourcen und wachsender Nachfrage geht es um „Haben und Nichthaben“ und darum, wie sich Rohstoffausbeutung mit Ökologie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit überhaupt in Einklang bringen lassen. 

Dies gilt aktuell und ganz besonders für die Länder Subsahara-Afrikas. Afrika will endlich Teil der Welt-Ökonomie sein. Es hat viele Ressourcen und ist der letzte „Emerging Continent“.

Rentenökonomien haben Afrika lange und ausschließlich charakterisiert. Die Folgen waren und sind politische Instabilität, Armut und Kriege, die die afrikanischen Bürger ertragen müssen. Ob die neuen Investitionen in die Rohstofferschließung und Infrastruktur, wie sie derzeit zahlreich afrikanische Länder erleben, diesen Ländern oder gar dem ganzen Kontinent einen Sprung auf der ökonomischen Leiter, in der Armutsbeseitigung und in einer friedlichen und demokratischen Entwicklung bescheren wird, ist die große politische Herausforderung für alle involvierten Akteure.

Sie müssen  politische Verantwortung zeigen:

  • Das sind zunächst die afrikanischen Regierungen. Sie müssen ihren Bürgern Rechenschaft ablegen, wo die wirtschaftlichen Gewinne aus der Ressourcenausbeutung bleiben, wie sie für soziale Entwicklung und Armutsabbau eingesetzt werden.  Demokratische Kontrolle ist bitter nötig, damit politische Macht nicht der Absicherung der wirtschaftlichen Eigeninteressen dient, wie dies leider in vielen afrikanischen Ländern nach wie vor der Fall ist.  Bis heute ist es in vielen afrikanischen Ländern lebensgefährlich, sich für mehr Transparenz und Demokratie einzusetzen. Die afrikanische Zivilgesellschaft arbeitet unter sehr schwierigen und gefährlichen Rahmenbedingungen und braucht unsere Solidarität und Unterstützung. Die politische Drangsalierung des EITI-Board-Mitglieds Christian Mounzeo aus Kongo-Brazzaville oder die kürzliche Verhaftung von Sarah Wykes von Global Witness in Angola sind inakzeptabel und dürfen nicht schweigend hingenommen werden – gerade dann nicht, wenn sich die G8-Führer das Thema „Transparenz“ so groß auf die Fahnen schreiben.
  • Politische und ökologische Verantwortung müssen vor allem die alten und neuen Investoren  der Rohstofferschließung und –ausbeutung zeigen. Es ist daher eine der wichtigsten Herausforderungen der kommenden Jahre, dass sich die traditionellen Rohstoffnachfrager (vor allem Europa und die USA) und die neuen Akteure wie China oder Indien mit den afrikanischen Rohstoffexporteuren auf gemeinsame ökologische und soziale Regeln und Standards sowie auf mehr Transparenz und Verantwortung bei Investitionen in den Ressourcensektor verständigen. Die OECD Richtlinien für multinationale Unternehmen, der Kimberley Prozess, die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI) und die internationale Kampagne „Publish What You Pay“ sind durchaus  erfolgreiche und vielversprechende Ansätze, die es zu unterstützen und auszubauen gilt.
  • Multinational agierende Erdöl- und Erdgasunternehmen, Bergbau- und Holzfirmen und vor allem die privaten und öffentlichen Finanzinstitutionen sowie die staatlichen Exportkreditagenturen brauchen politische Vorgaben und klare ökologische und Transparenzregeln. Hinter jedem korrupten Deal im Ressourcensektor steht Geld, in der Regel eben eine Bank. Auch hier reichen die vielen positiven Ansätze der Entwicklung freiwilliger Standards unter Privatbanken wie die „Equator Principles“ nicht aus.

Schließlich brauchen wir eine viel breitere zivilgesellschaftliche Debatte, um politische Lösungen rund um die  Ressourcenprobleme voranzutreiben. In diesem Sinne hat die Heinrich-Böll-Stiftung entschieden, sich in den kommenden Jahren noch intensiver als bisher mit diesem Thema zu befassen. Wir möchten die internationalen zivilgesellschaftlichen Perspektiven für eine verbesserte ökologische, verteilungsgerechte und transparente Ressourcenpolitik stärken und vor allem politische Lösungsvorschläge in die öffentliche Debatte einbringen. Der heutige Abend ist die öffentliche Auftaktveranstaltung zu einer zweitägigen hochrangigen Fachkonferenz: Wir bringen ein einmaliges globales politisches Netzwerk zusammen und diskutieren mit zivilgesellschaftlichen RepräsentantInnen und WissenschaftlerInnen aus Nigeria, Liberia, Kamerun, Tschad, Angola, Südafrika und Kenia, aus China, Indien, Brasilien, Russland, Mexiko, Nordamerika und Europa über die Möglichkeiten einer gerechten und nachhaltigen Ressourcen Governance in Afrika unter Einbeziehung aller Akteure und ihrer Interessen. 

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat sich dazu entschieden, ein Memorandum zu erarbeiten, das die zentralen Herausforderungen und Problemfelder des Great Game um die Ressourcen im 21. Jahrhundert benennt, die verschiedenen regionalen Sichtweisen zu integrieren versucht und vor allem konkrete Handlungsempfehlungen an die G8 und die anderen involvierten Akteure formuliert. Auch hierzu haben wir eine internationale Drafting Group zusammengestellt, die in den kommenden Tagen den ersten Entwurf des Memorandums diskutieren wird. Dieses Memorandum werden wir im Mai anlässlich des African Partnership Forums der Öffentlichkeit präsentieren und im gesamten G8 Prozess in die öffentliche Debatte einbringen.

Wir möchten die internationale zivilgesellschaftliche Positionierung mit dem Memorandum vorantreiben. Das ist bei den unterschiedlichen Interessen nicht immer einfach und auch für uns ein spannendes Experiment. Dass die G8 mit den so genannten Schwellenländern wie Mexiko, Brasilien, China, Südafrika  und Indien einen Dialog zu Ressource Governance führen möchte, begrüßen wir. Mit dem Memorandum möchten wir als zivilgesellschaftliche Akteure  deutlich machen, wie wir gemeinsame Verantwortung definieren und Lösungen suchen und vorschlagen.

Afrika braucht eine ökologisch tragfähige und auf Armutsminderung ausgerichtete Handels- und Investitionspolitik. Afrika braucht politische Stabilität, soziale Entwicklung, Demokratie und Menschenrechte, verlässliche Institutionen und eine aktive Zivilgesellschaft und nicht eine weitere Rohstoffförderung, die Afrika - wie so häufig in der Vergangenheit -  lediglich als Rohstofflager und –exporteur definiert.

Barbara Unmüßig

Barbara Unmüßig ist Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie hat zahlreiche Zeitschriften- und Buchbeiträge zu Fragen der internationalen Finanz- und Handelsbeziehungen, der internationalen Umweltpolitik und der Geschlechterpolitik veröffentlicht. 

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