KyotoPlus: Wege aus der Klimafalle
Barbara Unmüßig, Vorstand Heinrich-Böll-StiftungSehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
sehr verehrte Gäste,
sehr geehrter Herr Töpfer,
Your Excellency, Minister of State Malik Amin Aslam Khan,
ich freue mich sehr, dass ich Sie im Namen der Heinrich-Böll-Stiftung, des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie, des WWF Deutschland und des European Climate Forums ganz herzlich zu unserer internationalen Konferenz „KyotoPlus. Wege aus der Klimafalle“ begrüßen darf. All unseren Gästen insbesondere aus dem Ausland möchte ich einen angenehmen Aufenthalt hier in Berlin wünschen.
Wir haben diese Konferenz vor mehr als einem Jahr zu konzipieren begonnen. In die Planungen sind viele Details eingeflossen, so zum Beispiel auch die Auswahl dieses Ortes: das Energieforum. Es steht für eine sinnvolle und erfolgreiche Umwandlung eines Gebäudes der alten Gaswerke in ein Zentrum für zukunftsfähige Energiewirtschaft, und ein Vorbild für Energieeffizienz in der Architektur.
Mein besonderer Dank gilt Herrn Töpfer, der die Schirmherrschaft für diese Konferenz übernommen hat.
Ich freue mich riesig, dass sie heute bei uns sind.
Wir Veranstalter wollen mit gutem Beispiel voran gehen. Wir haben erfolgreich eine Teilallianz aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft geschmiedet, die sich seit langem mit den Folgen des Klimawandels und mit Klimaschutz befasst.
Es war und ist eine äußerst fruchtbare, wenn auch durchaus streitbare Zusammenarbeit.
Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
lassen Sie mich skizzieren, warum wir uns auf KyotoPlus als Chiffre verständigt haben,
- Wir wollen das Ende der Blockaden, der Ignoranz und Halbherzigkeiten im Klimaschutz – national wie international. Schluss mit Business as usual. Wir brauchen eine neue Politik für einen umfassenden Klimaschutz
- Wir wollen eine öffentliche und gesellschaftliche Debatte über neue sozial und ökologisch verträgliche Klimaschutz-Technologien führen. Welche Chancen und welche Risiken bergen Sie? Es ist das Thema der Alternativen in Energie- und Mobilitätspolitik, aber auch die kritische Frage nach dem Teufel und dem Belzebub.
- Wir brauchen einen gesellschaftlichen Aufbruch – überall auf der Welt, wenn wir katastrophalen Klimawandel verhindern und das 2 Grad Ziel noch erreichen wollen.
Dieses kleine Bündnis der Organisatoren steht für das was wir in unserer Gesellschaft und überall auf der Welt brauchen: neue Allianzen zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. - Und wir brauchen ein effektives multilaterales Klimaregime mit neuen und ambitionierten Zielen zur Reduktion von Treibhausgasen. Die neuen Ziele müssen sich auch an elementaren Gerechtigkeitsnormen und am Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit orientieren. Wir brauchen ein Klimaregime mit Biss.
Das meinen wir mit KyotoPlus. Das komplementäre und gleichzeitige Vorantreiben neuer politischer , technologischer, ökonomischer und gesellschaftspolitischer Initiativen.
Wir alle wissen:
Klimawandel tötet schon heute. Tausende Menschen verlieren ihr Hab und Gut und sterben durch Wirbelstürme, Überflutungen, Hitzewellen und Dürrekatastrophen. Nahezu täglich legt uns die Klimawissenschaft neue und präzisere Daten vor. Es sind nicht die Umweltverbände, denen man gerne einen Hang zum „Alarmismus“ nachsagt. Wie keine andere gesellschaftliche Gruppe ist es die Wissenschaft, die Alarm schlägt, die Politik zum Handeln drängt.
Wir wissen: Wir haben nur noch ein knappes Zeitfenster von einigen wenigen Jahren, um entschiedene Maßnahmen gegen das Klimachaos zu ergreifen. Business as Usual im Verbrauch fossiler Brennstoffe – so auch der Chefklimatologe des NASA Goddard Institute for Space Studies, James Hansen, ist keine Option mehr.
Werden diese Alarmsignale aus der Wissenschaft gehört? Wie agieren Politik und Wirtschaft?
Die Reaktionen in Politik und Wirtschaft nehmen durchaus an Fahrt auf. Jedoch äußerst selektiv und widersprüchlich.
Was meine ich damit?
Zunächst: Noch ist der notwendige Umbau des Weltenergiesystems nicht systematisch und umfassend in Angriff genommen . Im weltweiten ökologischen Strukturwandel sind bisher allenfalls die ersten Schritte unternommen. Ja, es gibt hoffnungsfrohe Entwicklungen, wie zum Beispiel die hohen Wachstumsraten der erneuerbaren Energien.
Beim Beschreiben der (klima)politischen Landschaft komme ich aber nicht darum herum, auf die machtvolle Lobby der Bremser und Blockierer zu verweisen. Es ist eben nicht nur der zu Recht gern zitierte George W. Bush jun., der blockiert. Es ist z. B. auch die deutsche und europäische Automobilindustrie, die weit davon entfernt ist, den
CO2-Ausstoß ihrer Autoflotte gemäß der eingegangenen Selbstverpflichtung auf 140 g CO2/km zu senken.
Es sind die großen deutschen Stromkonzerne, die den Ausbau der Kraft-Wärmekopplung blockiert haben, weiter auf Braunkohle setzen, den Aufstieg der erneuerbaren Energien behindern und im Ringen um den Emissionshandel ihren gewaltigen Einfluss für falsche Weichenstellungen nutzten. Stattdessen liefern sie sich rückwärts gewandte, altbackene Gefechte mit der Politik um die Laufzeitverlängerung ihrer Atomkraftwerke.
Diese Politik ist eine Politik der klimapolitischen Blockade und Ignoranz der klimawissenschaftlichen Erkenntnisse.
Aufmerksam machen möchte ich auf ein weiteres Problem selektiver Strategien im Klimaschutz. Ich beziehe mich dabei auf technologische Antworten:
Technologien sind nicht alles, aber ohne einen raschen, groß angelegten technologischen Wandel werden wir das Klimachaos nicht verhindern. Ergänzend, nicht alternativ zur Setzung von Emissionsreduktionszielen und der Entwicklung von CO2-Märkten, brauchen wir daher eine Technologiepolitik für den Übergang in eine klimafreundliche Zukunft. Es gibt ein breites Portfolio von Optionen und CO2-armen Technologien, doch nicht alle sind risikoarm, sozial und ökologisch verträglich. Hier eine informierte Wahl zu treffen, muss Gegenstand intensiver gesellschaftlicher Diskussionen werden.
Wir werden uns auf dieser Konferenz zum Beispiel mit dem Thema CO2-Abscheidung und –Lagerung beschäftigen. Denn auf diese neue Technologie setzen nun viele Akteure aus den bisherigen fossilen Sektoren große Hoffnungen. Doch was für diese Akteure der größte Charme ist, ist gleichzeitig ihr Pferdefuß: Es ist eine klassische End-of-the-pipe-Technologie, der notwendige Strukturwandel zu einer nicht-fossilen Wirtschaft wird damit nicht angegangen.
Werden wir diese Technologie dennoch brauchen, um ambitionierte Klimaschutzziele noch einhalten zu können? Bilden Sie sich selbst ein Urteil im entsprechenden Forum, das von der Deutschen BP mitveranstaltet wird.
Ähnliche Fragen stellen sich auch für die Bioenergien. Ja, sie bieten eine große Chance für den Klimaschutz. Aber längst ist noch nicht ausgemacht, wie gravierende Fehlentwicklungen wie z. B. die Abholzung der letzten tropischen Regenwälder vermieden werden kann. Hier muss rasch politisch gegengesteuert werden, weil sich bereits heute eine enorme wirtschaftliche Dynamik rund um die Bioenergien entfaltet.
Die Diskussion verschiedenster technologischer Optionen für den Klimaschutz ist ein gewichtiges Element dieses Kongresses.
Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
kohärenter, umfassender Klimaschutz mit ökologisch und sozial verträglichen Technologien muss Topthema der Politik werden. Dies wird jedoch nur gelingen, wenn neue Akteure ins Spiel kommen und neue gesellschaftliche Allianzen geschmiedet werden. Es ist ein besonderes Anliegen dieser Konferenz gesellschaftlichen Aufbruchsignalen Öffentlichkeit zu verschaffen. Sie kommen derzeit verstärkt nicht aus good old Europe oder dem selbstzufriedenen Deutschland, sondern von jenseits des Atlantiks. Dort zeigen neue Allianzen und Akteure, dass George Bush in der Klimafrage nicht länger die Vereinigten Staaten repräsentiert.
Ich freue mich sehr, dass Repräsentanten dieses Aufbruches heute unsere Gäste sind:
- Herzlich Willkommen Jerome Ringo! Er wird hier die Apollo Alliance präsentieren - ein eindrucksvolles Bündnis von Umweltorganisationen, Gewerkschaftern, Unternehmern und Bürgerrechtsorganisationen, das dafür wirbt, dass die USA ihr enormes ökonomisches und technologisches Potential für ein Crash-Programm für nachhaltige Energiesicherheit einsetzt.
- Aber auch auf der Ebene der US Bundesstaaten gibt es viele positive Beispiele. 9 Staaten des Nordostens haben ein Emissionshandelssystem gestartet, das in vieler Hinsicht ambitionierter ist als das EU-System. Stellvertretend dafür heiße ich Representative James Marzilli aus Massachusetts herzlich willkommen.
- Selbst an der Wall Street macht sich das Thema Klimawandel bemerkbar: Das Investors Network on Climate Risk und seine britisches Gegenstück, die Institutional Investors Group on Climate Chance, thematisieren erfolgreich den Klimawandel als ein materielles Risiko für Unternehmen und entsprechende Anlageentscheidungen. Das Carbon Disclosure Project befragte im Auftrag von Pensions- und Investmentfonds sowie Versicherern mit einer Kapitalisierung von 31 Billionen USD Anlagekapital 1.900 der größten Firmen der Welt zum Umgang mit Klimarisiken. Willkommen Paul Dickinson, Direktor des Carbon Disclosure Project, der hier die Ergebnisse der vierten Befragung vorstellen wird.
- Nun verklagte der kalifornische Generalstaatsanwalt Bill Lockyer sechs große Autohersteller (General Motors, Ford, Daimler-Chrysler, Toyota, Nissan und Honda) wegen Klimaschäden auf Schadensersatz. Daher ein besonderes Willkommen auch an John Geesman, Energy Commissioner von Kalifornien. Als die siebtgrößte Ökonomie der Welt hat sich Kalifornien das ambitionierte Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen bis 2020 um 25% zu senken. Wo bleibt hier die EU?
Wir brauchen auch mehr soziale Bewegungen im Klimaschutz.
In Großbritannien hat die Kampagne „Stop Climate Chaos“ ein breite zivilgesellschaftliche Koalition weit jenseits der klassischen Umwelt-Gemeinde zusammengebracht, um ein sehr viel massiveres Engagement im Klimaschutz zu fordern. Wir freuen uns, dass Ashok Sinha, Koordinator dieser Kampagne, heute bei uns ist. Langsam, so scheint es, wächst aus solchen Bündnissen eine globale Bewegung von Bürgern, die Druck für mehr Klimaschutz macht.
Von solchen Beispielen können wir in Deutschland lernen und uns inspirieren lassen. Die EU- und G8 Präsidentschaft muss für die deutsche, europäische und internationale Politik und die Zivilgesellschaft eine neue Aufbruchstimmung für den Klimaschutz erzeugen.
Neue Ziele
Last, but not least brauchen wir aber auch eine Weiterentwicklung des multilateralen Klimaschutzes auf der Grundlage der Klimarahmenkonvention und des
Kyoto-Protokolls.
Es ist unabdingbar, hier rasch ambitionierte und langfristige neue Ziele zur Reduktion der Emissionen festzulegen. Was wir nicht brauchen, ist ein Zielfindungsprozess in dessen Verlauf die Ambitionen immer weiter heruntergefahren werden. Das wäre der sichere Weg in die Klimakatastrophe.
Weiterhin müssen sich die Ziele künftiger Klimaschutzverpflichtungen an elementaren Gerechtigkeitsnormen orientieren. Im Rahmen eines Nord-Süd-Dialogs mit Wissenschaftlern aus aller Welt unter Leitung des Wuppertal Instituts wurde ein Vorschlag für Kriterien zur Differenzierung verschiedener Klimaschutzverpflichtungen erarbeitet. Besonders Willkommen heißen will ich an dieser Stelle Dr. Pan Jiahua aus China, der an diesem Dialog mitgewirkt hat.
Gemäß des in der Klimarahmenkonvention verankerten Prinzips der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit“ müssen die Industrieländer endlich ihre
Glaubwürdigkeit wiedergewinnen. Dann kann es auch gelingen, Schwellenländer wie China, Indien oder Brasilien in das Klimaregime differenziert und schrittweise einzubeziehen.
Auch die bisher ungebremst steigenden Emissionen des internationalen Flug- und Schiffsverkehrs müssen in die Reduktionsziele einbezogen werden.
Schließlich brauchen wir ein multilaterales Klimaregime mit Biss, damit notorisch Klima schädigende Staaten sanktioniert werden können.
Mit gutem Beispiel voran gehen und glaubwürdig für Klimaschutz eintreten, gilt auch für unsere gemeinsame Initiative, diese internationale Konferenz möglichst klimafreundlich zu organisieren. Die Emissionen der Flüge unserer ReferentInnen werden über atmosfair, eine von Germanwatch gegründete Initiative, durch Einsparprojekte im globalen Süden
ausgeglichen.
Und Sie meine Damen und Herren möchte ich bitten, für Ihre Anreise nach Selbsteinschätzung zu spenden, damit wir über die Initiative „TheCompensators“ mit ihren
Spenden Emissionsrechte im europäischen Emissionshandel stilllegen. Bitte wenden Sie sich dazu an den Stand der Initiative an der linken Seite des Atriums.
Zu allerletzt möchte ich mich bei allen bedanken, die diese Konferenz vorbereitet haben.
Stellvertretend für die vielen möchte ich hier die Vorbereitungsgruppe nennen: Hermann Ott (WI), Regine Günther (WWF), Antonella Battaglini (ECF) und Jörg Haas von der Heinrich-Böll-Stiftung, sowie Andrea Peschel und Michaela Birk als Konferenzmanagerinnen.
Dank gilt auch Lewis Milford von unserem US-Partner Clean Energy Group und Marc Berthold vom Böll-Stiftungsbüro in Washington, die eine ganze US-Delegation hierher
brachten.
Ein ganz großes Dankeschön geht an die finanziellen Unterstützer und unsere Sponsoren: an das BMU, die Deutsche Telekom mit der Global e-Sustainability Initiative, an BP
Deutschland, an Greenpeace Energy, an die US Botschaft, an den British Council, an die Oak Foundation und schließlich an das Energieforum.
Fazit
Auch dieses illustre Bündnis zeigt: Klimaschutz kann Top-Priorität der verschiedensten Akteure in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft werden. Nur so stellen wir die richtigen
Weichen in einem allzu knappen Zeitfenster, das uns noch zu bleiben scheint, um schwerste Klimaschäden zu verhindern. Das Kyoto-Protokoll ist ein erster, historisch angelegter Schritt, doch wir können die Herausforderung nicht an globale Klimakonferenzen delegieren: Heute brauchen wir mehr als Kyoto: Wir brauchen KyotoPlus - einen gesellschaftlichen und politischen Aufbruch für den Klimaschutz.
Danke für ihre Aufmerksamkeit!