Spielstand #6: Der Weg ist das Spiel - Soziale Plattformen und „Serious Gaming“

Lesedauer: 3 Minuten

Von Teflonpfannen und Schäublestädten

9. April 2008

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Die Losung „Der Weg ist das Spiel“ bedeutete im Kontext der Veranstaltung ganz konkret, dass auch die Besucherinnen und Besucher spielerisch in den Diskurs eingeführt wurden. Dafür sorgte die Ausgestaltung des Saals, wo auf der Microsoft-Konsole X-BOX-360 oder auch online auf der Webseite der Berliner Firma „Binary Madness“ sich selbst als ernsthaft definierende Computerspiele praktisch erprobt werden konnten. Auch das vermeintliche „Orchideenfach“ Game Studies war mit einem Infostand der Mediendesign-Hochschule präsent.

Ebenso interaktiv begann die Diskussion, die von Oliver Passek moderiert wurde: Ralph Stock von der Firma „Sixteen-Tons-Entertainment“ zeigte am Beispiel der Rettungssimulation „Emergency“, welche pädagogischen Implikationen ein so genannter „finaler Rettungsschuss“ im Spiel auslösen kann. Auch machte er deutlich, dass ein solches Szenario – die Organisation eines Rettungseinsatzes nach einem Erdbeben – insbesondere auch beruflich damit befasste Zielgruppen begeistert und emsige Entwickler-Communities herausbildet, die eigene Zusatzmodule programmieren.

Malte Behrmann, Geschäftsführer des GAME-Bundesverbandes, versuchte sich an einer allgemeinverständlichen Definition von „Serious Games“, indem er in Anlehnung zur umstrittenen Pionierrolle militärischer Entwicklungen den Begriff der „virtuellen Teflonpfanne“ prägte. Unterstützung erhielt er dabei von Arne Busse von der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB), der anhand der Politik-Simulation „Genius – Der Weg zur Macht“ verdeutlichte, welche progressiven Wege die BPB zur Erreichung der von ihr selbst so bezeichneten „politikfernen Zielgruppen“ zu gehen bereit ist. Schnell zeigt sich, dass Politik so nicht automatisch „sexier“ wird, aber das spielerische Werben für mehr Politisierung durchaus Lust, Spaß und Neugier erzeugen kann.

Doch wie vorbereitet ist die Computerspielbranche auf einen erhöhten Bedarf nach spielerischer Politikvermittlung, Konfliktbewältigung oder Alltagssimulation? Jan Dèrer von der privaten Berliner Mediendesign-Hochschule hatte die spannende Aufgabe, die Bedeutung von „Serious Games“ für die noch sehr zarte Pflanze der Hochschulausbildung im Bereich Computerspieleinwicklung zu skizzieren. Die Herausbildung interessanter narrativer Strukturen, die Nähe zur Komplexität des Alltagslebens (Versuch und Irrtum, Erfolg und Scheitern) wurde von ihm als absolut notwendig erachtet. Angesichts der rein männlichen Podiumsbesetzung warb er in diesem Zusammenhang um die stärkere Repräsentanz von Frauen in diesem sehr spannenden und interdisziplinären Ausbildungsfeld. Das von anwesenden Studierenden vorgeführte Projekt  – die Entwicklung einer an aktuelle sicherheitspolitische Debatten angelehnten „Schäublestadt“ mit perfektionierter Überwachungsarchitektur – war jedenfalls vielversprechend, weil es die ethische Reflexion des eigenen Handelns ins Spiel mit einbezog. Der Bedarf an Orientierung und Leitlinien an eine gerade im Entstehen befindliche Ausbildungsstruktur scheint indes riesengroß. 

Doch ähnlich wie in der Musik- oder Filmindustrie die Distributoren – in der Regel die Majorstudios und deren Vertriebsstrukturen – die ökonomischen Spielregeln bestimmen, sind es im Bereich Computerspiele die Publisher, welche die wirtschaftliche Macht und die „Gatekeeper-Funktion“ auf sich vereinigen. Olaf Wolters vom Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware (BIU) weckte anhand des zarten kommerziellen Erfolges einzelner Serious-Games-Titel diesbezüglich die Hoffnung, dass diese noch relativ junge kreativwirtschaftliche Branche bald eine ähnliche Akzeptanz und Diversifizierung erfährt wie andere Medien.

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