Übersetzung aus dem Spanischen
Sehr verehrte Frau Christa Nickels, Vorsitzende der Kommission für Menschenrechte des Bundestags,Sehr verehrte Frau Marie Nagy, Senatorin der Belgischen Partei der Grünen „Ecolo“,
Sehr verehrte Frau Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung,
Sehr verehrter Herr Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung,
Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Freunde!
Guten Abend!
An erster Stelle möchte ich der Heinrich-Böll-Stiftung danken und möchte Ihnen sagen, dass ich sehr stolz bin.
Diejenige, die eigentlich hier sein müsste, um sich über den Erhalt des Petra-Kelly-Preises zu freuen, ist Ingrid, doch die weilt hier nicht unter uns, weil in Kolumbien Krieg ist. Für ihre Entführung verantwortlich ist der Krieg. Ein Krieg, der durch Ungerechtigkeit, die Exklusivausübung von Politik in Kolumbien, durch Terror, Angst, der Verschleppung von Personen und dem in Nichtinformation bestehendem Medienkrieg ausgelöst wurde und die Kolumbianer in Unsicherheit und Misstrauen stürzt. Ein Krieg, bei dem diejenigen, die am meisten leiden müssen, die Armen sind, die Landarbeiter, all diejenigen, die niemand in der Politik vertritt.
Nur wenige Male erhebt sich eine unabhängige Kraft in Kolumbien oder, noch besser gesagt, erlaubt man es einer aufständischen Person, durch die Ausübung einer politischen Aufgabe zu wachsen.
Ingrid hat es sich mit viel Mut, Tapferkeit und Entschiedenheit zugetraut, dieses Recht auszuüben und aus diesem Grund stellt sie am heutigen Tage die Ehre Kolumbiens dar und ist ein Beispiel dafür, wie heldenhafte Menschen, die bei der Ausübung ihrer Pflicht ihr Leben gelassen haben, all diese Bürgermeister und Stadtratsmitglieder, die ihr Leben in den kleinen Gemeinden gelassen haben und auch ein Beispiel für all diejenigen, die sich fest im Sattel halten, so wie unser grüner Bürgermeister Nestor León Ramirez in San Vicente, einer Gemeinde, in der er weder leben noch das Amt ausüben kann, für das er durch das Volk mit großer Mehrheit ernannt wurde. Heute hält er sich wahrscheinlich in Bogotá auf, ohne irgendeine Art von Unterstützung seitens der Regierung, vom Staat vollständig vergessen.
Die Schlacht, die man sich in Kolumbien liefert, ist ein Krieg einiger Weniger, weniger als 70.000 Personen machen diesen Krieg in einem Land von 44 Millionen Einwohnern.
Durch ihre Worte, Handlungen und ihr eigenes Beispiel spricht sich Ingrid dafür aus, dass es einen friedlichen Ausweg aus dem kolumbianischen Waffenkonflikt geben muss. Dafür sprach sie sich bereits im Kongress, im Rahmen ihrer Präsidentschaftskampagne und in der Videoaufzeichnung aus, die als Lebenszeichen vor einigen Monaten durch die FARC zugestellt wurde und indem sie erneut betont, dass sie dem kolumbianischen Volk eine Perspektive aufzeigen will, und zwar sich weiterhin dahingehend zu bemühen, dass man zum Frieden findet.
Der Kampf der Grünen findet statt, weil es bei ihm darum geht, die Vielfalt der Ideen ebenso wie die biologische Vielfalt zu respektieren.
Ingrid ist niemals geflohen, obwohl sie sich in Bezug auf den Zugang zu Medien, zu wirtschaftlichen Ressourcen und Sicherheit in einer sehr missgünstigen Lage befand. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Kolumbien hat die Regierung die Sicherheit der Kandidaten dazu verwendet, einige Kampagnen zu unterstützen und dafür andere zu behindern. Es wurde versucht, Ingrid Einhalt zu gebieten, sie zum Schweigen zu bringen und das war schließlich der Grund, weshalb sie entführt wurde.
Ingrid hat sich immer den Problemen gestellt, in dem sie mit lauter Stimme verkündete, was jeder in Kolumbien im Stillen dachte, doch niemand sich zu sagen getraute, vor allem bei Themen wie Korruption.
Heute, in dieser ganz besonderen Situation, in der Ingrid sich befindet, wird das ganze Leiden des kolumbianischen Volks zum Ausdruck gebracht. Ihr Kampf, denn Ingrids Laufbahn ist keineswegs die Karriere einer Politikerin, ist ein politischer Kampf für eine bessere und gerechtere Verteilung von Reichtum, Land und Macht in Kolumbien. Das Schweigen von Ingrids Stimme schmerzt vielen Kolumbianern sehr.
Ihre Entführung ist eine der traurigsten Arten, diesen Krieg in Kolumbien zu erleben. Sie bedeutet Leiden und die bösartige Beraubung einer Person um ihre Freiheiten, ihrer Vorlieben, Verantwortlichkeiten, ihrer persönlichen Entwicklungen und Herausforderungen. Doch das Thema Entführungen ist vom Standpunkt der Krieger aus betrachtet (die Regierung, die Guerilla und die paramilitären Kräfte) unwichtig, denn sie befinden sich nun einmal in einem Krieg und dieser ist derart absurd, dass alles in ihm erlaubt ist. Vor kurzem sprach man sich seitens der Regierung und der Medien für die Befreiung der Geiseln mit Feuer und Schwert aus.
Die ständige Verletzung der Grundrechte ist in Kolumbien zu einer Alltäglichkeit geworden und zwar so sehr, dass eine Verletzung eben dieser noch nicht einmal als eine Neuigkeit gilt. Manchmal ist es erforderlich, dass ein Massaker viele Tote fordert, sonst nimmt niemand davon Notiz. Die Verletzung der Rechte der Kinder die Schule zu besuchen, die Rechte der Frauen, den ihnen zustehenden Schwangerschaftsschutz wahrzunehmen, die gewaltsam erzwungene Landvertreibung, nun auch unterstützt durch die zahlreichen Ausräucherungen, die nicht allein der Umwelt schaden, sondern ein großes, anhaltendes soziales Problem nach sich ziehen und zwar dies gerade jetzt im Moment, da aufgrund des Kolumbienplans diese neue Regierung den Bereich der Kaffeeanbaugebiete ausräuchern wird, der aktuell für den Koka-Anbau genutzt wird, zum Teil aufgrund des internationalen Verfalls des Kaffeepreises.
Die Regierung in Kolumbien hat sich dazu entschlossen, der Situation mit Gewalt entgegen zu treten. Dies bedeutet den Krieg gegen die bewaffneten Aufständischen – die Guerilla- und nicht gegen die Paramilitären und zwar dies auf eine Weise, dass die Guerilla, nach dem Scheitern des Friedensprozesses in den Krieg zieht, wobei die Regierung mit ihrem Widersacher vollständig einer Meinung ist, so dass diese sich heute gemeinsam für den Weg der bewaffneten Auseinandersetzung aussprechen. Diese erklärt die passive Haltung der Regierung in Bezug auf die Befreiung der kolumbianischen Geiseln aus der Hand ihres Widersachers und Kriegsverbündetem.
Das große Paradox, das große Unglück Ingrids besteht darin, dass sie seit zehn Jahren gegen eine traditionsgemäß korrupte Klasse von Politikern ankämpft, und nun stellt es sich so dar, dass ihr Leben oder ihre Freiheit von genau diesem Personenkreis abhängig ist. Präsident Uribe hat die einzige Möglichkeit, zu einer humanitären Einigung zu gelangen, der UNO überlassen und die FARC haben verkündet, dass sie nicht zum Dialog mit der UNO bereit seien.
Aus diesem Grund bitte ich Sie um Hilfe und Solidarität, denn ich bin davon überzeugt, dass die einzige Möglichkeit, damit Ingrid die Freiheit wiedererlangt, am Leben bleibt und zurückkehrt, um sich wieder ihrer mutigen politischen Arbeit mit der Partei der Grünen „Verde Oxígeno“, die ihrer so stark entbehrt, widmet, darin besteht, dass wir auf den internationalen Druck bauen können, den wir in jedem Land, in jeder Regierung und in jeder Partei und, in diesem Fall, unter den Deutschen, für unsere Sache gewinnen können.
Ingrid ist eine kolumbianische Grüne, eine Welt-Grüne, daher ist der Angriff der FARC gegen Ingrid auch ein Angriff gegen Sie und gegen die Welt. Kolumbien, die Partei der Grünen „Verde Oxígeno“ und Ingrid Betancourt brauchen Ihre Hilfe, wir dürfen nicht zulassen, dass sie weiterhin im Urwald wie begraben liegt.