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von Marion R. Müller, Heinrich Böll Stiftung, Kabul
Das Interview fand am 12. Juli 2007 im Camp Warehouse in Kabul, Afghanistan, statt.
Zur Person
Major Peter Schiller ist der Chef der CIMIC (Civil Military Cooperation) des deutschen 12. Kontingents in Kabul. Major Schiller ist Berufsoffizier mit 26 Jahren Berufserfahrung und war unter anderem 1996 in Kroatien, 1997 in Sarajevo für CIMIC tätig sowie drei Jahre in Polen für die NATO im Einsatz.
Major Schiller: Aus unserer Sicht haben wir in der zivil-militärischer Zusammenarbeit schon einige Erfolge zu verzeichnen. In den beiden PRTs in Kunduz und Faizabad sind Schulen aufgebaut worden. In Masar-e-Scharif haben wir auch die Notinstandsetzung von Infra-struktur unterstützt. In Kabul wurden in unserem Verantwortungsbereich in vier Monaten insgesamt 8 Projekte gefördert. Wir haben Schulen unterstützt, sowohl beim Aufbau als auch in der Ausrüstung mit Materialien. Gerade gestern habe ich Medikamente in eine Ambulanz geliefert. Ich denke, wir haben viel für den Wiederaufbau geleistet. Zwar immer nur in kleinen Schritten aber wir wollen in dieser Phase von CIMIC ja Hilfe zur Selbsthilfe anregen, so dass die Bevölkerung aus Eigeninitiative etwas macht.
Wo sehen Sie die Vorteile und wo die Probleme, die sich aus der zivil-militärischen Verknüpfung des deutschen Engagements ergeben?
Probleme ergeben sich daraus, dass man erst einmal eine Basis haben muss, aufgrund derer man eine Struktur aufbauen kann. Das dauert in diesem Land viele Jahre. Die Strukturen sind zwar mittlerweile gefestigt, aber noch nicht so etabliert wie wir uns das vorstellen. Wenn ich auf meine Erfahrung der letzten vier Monate zurückblicke, hatte ich das Gefühl, dass die Basis, die ich hier vorgefunden habe, sehr gut ist. Dies liegt vor allem an der Netzwerkstruktur, auf die ich aufbauen konnte. Insbesondere auf die Verbindungspunkte, die ich hatte zu den GOs, den NGOs, den INGOs, den Ministerien. Da diese Strukturen bereits da waren, musste ich sie nur pflegen das war dann auch mein Schwerpunkt. Über die bisherigen 13 Kontingente hat das sehr gut geklappt. Leider wird es aber kein 14. Kontingent mehr geben, weil man entschieden hat, CIMIC hier in Kabul aufzulösen. Ich hoffe jedoch, dass ich auch den Kommandeur des 14. Kontingents überzeugen kann, dass er dieses weiter übernimmt. Ob er es jedoch in dem Umfang pflegen kann wie ich, weiß ich nicht. Er könnte versuchen, den Runden Tisch zum Informationsaustausch zwischen den zivilen Organisationen und den militärischen Organisationen beizubehalten. In meinen Augen war dies eines der wertvollsten Erfahrungen, die man mitnehmen kann.
Wenn wir über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan generell sprechen, können daraus bereits Lehren gezogen werden?
Um diese Frage zu beantworten, muss man die jeweiligen Kontingentwechsel und die Führungswechsel betrachten, die hier stattgefunden haben. In den letzten Jahren war Deutschland zunächst in Kabul führend, hat sich dann aber mit dem Schwerpunkt in den Norden verlagert. Dann waren die Franzosen die führende Nation und jetzt sind es die Türken. Jede Nation hat ihre eigenen Führungsstrukturen. Nach jedem Wechsel muss sich das erst einmal neu finden und das dauert eine ganze Weile.
Würden Sie also ein längerfristiges Engagement befürworten?
Nein, das Engagement sollte schon so bleiben. Man sollte jedoch jeder Nation die Möglichkeit geben, ihre eigenen nationalen Führungsstrukturen zunächst zu etablieren, und das braucht seine Zeit. Wenn ich das im Laufe eines halben Jahres machen soll, brauche ich vier bis sechs Wochen, um die Strukturen zu etablieren. Dann schaut man auf eine Basis von zwei bis drei Monaten, wo man gesicherte Erkenntnisse hat, wo man gesichert arbeiten kann und dann beginnt im Grunde schon wieder die Übergabe an das nächste Kontingent. Da sollte man sehen, dass man eine größere Kontinuität aufbaut als bisher. Im Gegensatz dazu sind die INGOs und NGOs zwei bis drei Jahre hier. Die haben einen wesentlich größeren Erfahrungshorizont weil sie im Land bleiben und sich mit dem Land entwickeln. Vielleicht sollte man da unser Konzept etwas überdenken.
Macht es Sinn, sich wie die Deutschen auf eine bestimmte Region zu konzentrieren?
Man hat entschieden, dass man erst einmal in den Norden geht. Wenn man aber die Presse derzeit verfolgt, sind ja auch einige Bundestagsabgeordnete dafür, in den Süden zu gehen. Inwieweit dies umgesetzt werden kann, ist eine politische Entscheidung. Wir als Militärs haben dann meistens nur die Auswirkungen davon umzusetzen. Ich denke aber, es war richtig, dass wir erst einmal in den Norden gegangen sind um dort unseren Schwerpunkt zu bilden und um eine gewisse Sicherheit und Stabilität zu etablieren und um den Wiederaufbau voran zu treiben. Dies muss man dann jedoch auch auf das ganze Land übertragen, das ist sehr wichtig. (weiterlesen...)