Carmaker’s nightmare continues – die Autoindustrie ganz unten

19. Februar 2009
Von Andrea Fischer

Von Andrea Fischer

Die amerikanische Autoindustrie ist weiter auf dem Abstieg und braucht mehr Hilfe. Eine Chance für eine Umkehr einer Gesellschaft, die auf die Nutzung von Autos baut?

In Washington selbst ist der Niedergang der US-Ökonomie nicht zu spüren, eine wohlhabende Stadt, die ihren Wohlstand auch zeigt. Aufgeräumt, schön gestaltet, viele gute große Autos auf der Straße. Aber ein aufmerksamer Blick in die Medien zeigt, dass alle um diese Wohlstandsinsel herum spüren, dass die Situation schwieriger wird.

Heute haben die beiden großen Autofirmen General Motors und Chrysler gesagt, dass sie mehr Rettungsgelder brauchen: GM 17 Mrd. Euro, Chrysler vier Mrd. Euro. Das ist nicht nur ohnehin viel Geld, vor allem aber ist es alarmierend, weil sie bereits über zehn Mrd. erhalten haben. Dieses erste Hilfsgeld erhielten sie mit der Auflage, bis 31.März zu zeigen, dass sie als Unternehmen überleben.

Zwischen zwei Übeln wählen müssen

Das ist jetzt die interessante Frage: Ist die Automobil-Industrie ein Fass ohne Boden? Schlimmer als ihre Autos, die große Mengen Benzin verlangen? Der Chef von GM hat in seinem Plan, mit dem er um mehr Staatsgeld nachsucht, bereits auf die Frage geantwortet, ob ein Bankrott ein Ausweg sein könnte. Nein, sagt Rick Wagoner, ein Bankrott werde den amerikanischen Staat 80 Mrd. Euro kosten und mindestens drei Millionen Arbeitslose. Allerdings kündigt GM in seinen Sanierungsplänen auch die Schließung von weiteren  Standorten in den USA an, so dass in den nächsten drei Jahren insgesamt 14 Standorte weltweit geschlossen werden, was 47 000 Jobs weltweit wegfallen lässt und 20 000 in den USA. Klingt nach einer Wahl zwischen Skylla und Charybdis.

Es ist bekannt, dass amerikanische Autos vergleichsweise viel Benzin verbrauchen, dass die amerikanische Industrie nicht gerade ein Vorreiter für energieeffiziente Fahrzeuge ist und dass das lange kein großes Thema in den USA war. Der Gedanke liegt nahe, dass hier doch eine Chance für den Ausstieg aus dieser Auto-fixierten Lebensweise liegt, Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel. Das ist ein sehr deutscher Gedanke, denn die Alternative öffentlicher Nah- und Fernverkehr besteht in den USA nicht, allein wegen der großen Fläche, aber auch, weil öffentliche Verkehrsmittel nicht in einem auch nur annähernd europäischen Standards vergleichbaren Maß ausgebaut sind.

Bleibt also die  Alternative, dass die Industrie Autos baut, die effizienter in ihrem Verbrauch von Benzin sind. Sagt jedenfalls Tom Collina, Direkor am 2020visions-Think Tank, einem Forschungsinstitut, das den Kongress und den Senat schon lange zu Themen der Ökologie berät. „Es wäre furchtbar, würde die Krise verschwendet.“ Die Industrie müsse andere Autos produzieren, welche, die weniger Benzin brauchen. Das tue sie bislang, habe aber solche Autos zu wenig in den Markt gebracht. Aber jetzt wollten die Menschen solche effizienteren Autos, so müsse die Industrie andere Schwerpunkte setzen. Das könne rasch gehen und die Regierung könne dafür Anreize setzen. Schon im vergangenen Jahr habe sie höhere Standards gesetzt für den Benzinverbrauch von Autos und jetzt, wo die Autoindustrie quasi mit öffentlichem Geld gefördert werde und damit auch der Öffentlichkeit gehöre, gebe es noch mehr Gründe, diese Standards zu erhöhen.

Aber wollen denn die Menschen sparsamere Autos?

Ja, auf jeden Fall, der Anstieg der Benzinpreise habe da viel verändert, jetzt müssten auch die Produktlinien entsprechend verändert werden, die Beendigung der Hummer-Produktion sei da ein erster richtiger Schritt. Dass die Benzinpreise jetzt wieder sinken, sei zwar nicht hilfreich, aber nun, da der Kongress noch mehr Rettungsgeld geben solle, könne er noch höhere Standards setzen. Der Alternative, die amerikanische Automobilindustrie untergehen zu sehen, mag Collina sich nicht nähern, zu viele Jobs hängten davon ab, das könne der Kongress nicht einfach mit ansehen.

Collina ist erneut ein Vertreter des Optimismus, dass die Krise viele positive Möglichkeiten biete. Allerdings ist in den Berichten über die Pläne der Auto-Industrie für die Krise – außer der Beendigung von bestimmten Produktlinien – nicht weiter die Rede davon, dass ein spürbarer Wechsel der Produktlinien vorgesehen ist, ganz zu schweigen von der Entwicklung von effizienten Elektroautos. Es gibt bereits Volt, ein Elektroauto von Chevrolet, aber das ist mit über 30 000 Euro immer noch relativ teuer und daher noch kein rechter Erfolg. Immerhin hat der republikanische Senator Richard Lugan in Zeitungsartikeln eine Art Ökosteuer auf Benzin gefordert, als Anreiz, effizientere Autos zu fahren und damit die Abhängigkeit von ausländischem Öl zu verringern. Vielleicht ein Hinweis, dass es überparteiliche Unterstützung geben könnte für Pläne, die Standards für Bezinverbrauch zu erhöhen?

Gleichwohl ist Collinas Optimismus nicht einfach zu teilen. Die Automobilindustrie war bislang einer der wenigen Wirtschaftszweige, in dem die Beschäftigten relativ hohe Standards an sozialer Absicherung bei Renten und Gesundheitsversicherung genossen. Es wird bereits berichtet, dass Verhandlungen mit der Auto-Gewerkschaft laufen, die Sozialleistungen zu kürzen, über die Ergebnisse ist noch nichts bekannt. Aber es darf vermutet werden, dass dabei geringere Löhne und geringere soziale Absicherung herauskommen. Die Angst der Menschen in Michigan, dem Zentrum der amerikanischen Autoindustrie, vor Arbeitslosigkeit ist hoch,  zumal in Michigan wenig andere Jobs den Menschen zur Verfügung stehen, die eventuell entlassen werden.

Die Autoindustrie ist nur eine von den vielen Sorgen Obamas

Und – sieht man sich einschlägige Blogs an –  ist die Unterstützung der gut gesicherten Arbeiter in der Autoindustrie durch andere Bürger nicht hoch, sondern die hohen Löhne und hohe Absicherung werden eher verantwortlich für die schlechte Wettbewerbsposition der amerikanischen Industrie gemacht. Da taucht auch der Gedanke häufig auf, dass ein Ende der amerikanischen Autoindustrie zu begrüßen wäre, anstatt weiter Steuergeld darein zu geben. Erste Umfragen, die in Zeitungen veröffentlicht werden, bestätigen die geringe Neigung, dieses Herzstück der amerikanischen Ökonomie weiter mit öffentlichem Geld zu unterstützen.

Mit all diesen Problemen enden die Herausforderungen für die amerikanische Gesellschaft und Politik nicht. Heute hat Präsident Obama ein weiteres „Rettungspaket“ für die Hausbesitzer angekündigt, das die Menschen bei der Abzahlung ihrer Raten für Häuser unterstützen soll. Neun Millionen Menschen sollen davon profitieren, das Paket soll 60 Mrd. Euro kosten. Auch wenn sich Obama beeilt hat zu versichern, dass damit weder Banken unterstützt werden sollen, die verantwortungslose Kredite vergeben haben, noch Hausbesitzer, die ein Haus gekauft haben, obwohl sie es angesichts ihres Einkommens nie bezahlen konnten, die Fragen, wie das verhindert werden soll, werden den Kongress mit Sicherheit noch ausführlich beschäftigen.

Heute kann man sagen, dass die neue amerikanische Regierung viel unternimmt, um die Folgen der Krise zu bewältigen – ob all diese Bemühungen erfolgreich sein werden oder nur viel Geld ohne nennenswerte positive Folgen ausgegeben wird, wird man frühestens in ein oder zwei Jahren beurteilen können.

 

Andrea Fischer, ehemalige Bundesministerin für Gesundheit, ist Kommunikationsberaterin und publizistisch tätig, unter anderem als Kolumnistin beim Berliner "Tagesspiegel" und der "Financial Times Deutschland".