Zwischen Tradierung xenophober Imagination und diskreter Integration: Tatarenbilder in Ost-Mitteleuropa im Wandel

Lesedauer: 2 Minuten

Mieste Hotopp-Riecke, Freie Universität Berlin

15. Januar 2010

Spätestens seit den Schlachten von Liegnitz und Grunwald gehören die Tatarenschlachten zu Fixpunkten der Historiografie der Deutschen. Dies drückt sich nicht zuletzt aus in einer Fülle von Literatur über diese „Barbaren aus dem Osten“. Trotz eines durchaus positiven Tataren-Images unter der Elite des Kurfürstentums Brandenburg-Preußen im 18. Jahrhundert und während der Napoleonischen Befreiungskriege, fiel die Literatur immer wieder in den alten Duktus vom wilden Tataren zurück. Und dies setzte sich scheinbar bis heute fort, man sehe sich nur neuere Filme wie „Der goldene Kompass“ an.

Im Rahmen meiner Arbeit untersuche ich den Wandel des seit dem 13. Jahrhundert tradierten Tatarenbildes im kollektiven Bewusstsein der Deutschen, um Schlüsse dahingehend ziehen zu können, inwieweit dieser Wandel bzw. die Stagnation der Stereotype mit Phänomenen wie Islamophobie und Xenophobie korrespondiert bzw. in seinen Tendenzen gegenläufig ist. Und: Fußt die rezente Entwicklung des Tatarenbildes auf historischen Konstanten bezüglich imaginierter Fremd- und Selbstbilder oder nicht? Ich gehe diesen Fragen anhand von Literaturanalysen erstens im Bereich der Belletristik, zweitens der Toponymie und Onomastik und drittens des Bildes der Tataren in deutschen Schulmedien nach. Letzterer  Bereich, der Inhalt von Schulbüchern, ist immer ein signifikanter Gradmesser für den Umgang mit Selbst- und Fremdbildern, eigener und fremder Geschichte, in denen tradierte Perspektiven den nächsten Generationen weitergegeben werden. Wer implementiert also welche Stereotype warum in den Schulbüchern unserer Zeit und wie ist dies zu bewerten? Die Studie verfolgt das Ziel, am Beispiel der Tataren-Stereotype darzustellen, wie komplex diese mit ´abendländischen` Selbstbildern verwoben sind und wie eine entsprechende Geschichtsschreibung via Literatur und andere Medien in das kollektive Bewußtsein der nächsten Generationen transportiert wird. Phänomene wie Nationalismus, Xenophobie und Islamophobie können so beeinflusst werden und können wiederum die Literatur beeinflussen. Die Arbeit stellt einen Beitrag zur historischen Stereotypen-  und turkologischen Geschichtsforschung dar. Der theoretische Zusammenhang wird interdisziplinär aus der Perspektive der Turkologie, Imagologie/Stereotypenforschung, Onomastik, Soziologie und Literaturwissenschaft diskutiert.

Die Arbeit versucht Anstöße für weitergehende Forschungen zu geben, ob das imaginierte Tatarenbild der Vergangenheit immer noch heutige Diskurse (Euro-Islam, EU-Osteuropa) beeinflusst und durch welche Matrix, mittels welcher Medien dieses etwaige Kontinuum transportiert wird.

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