So viel Hoffnung
(Marokko)
Bei Desertec sollte Rabat von Anfang an mitmischen. Zukunftsvorstellungen von Said Mouline, Direktor des marokkanischen Zentrums für die Entwicklung erneuerbarer Energien.
"Bei diesem Projekt wollen wir unter den führenden Ländern sein. Und wir wollen schneller sein als andere." Said Mouline begrüßt den europäischen Plan, Sonnenenergie in der Sahara zu ernten, und verlangt eine führende Rolle für sein Land.
Mouline hofft, dass Desertec Investitionen und Jobs nach Marokko bringen und die Abhängigkeit des Landes vom Öl mindern wird. Auch die für Desertec benötigten Spiegel könnten zu Tausenden in neuen Industrieansiedlungen im Lande hergestellt werden, meint er. Die Produktion vor Ort würde die Kosten niedrig halten und die Armut lindern, die Millionen Marokkaner zur Auswanderung nach Europa zwingt. "Die Herstellung von Spiegeln ist keine komplexe Tätigkeit", sagt der Direktor. "Und mehr Arbeit hier bedeutet weniger Arbeitslosigkeit und weniger Emigration."
Die spanische Firma Abengoa ist schon dabei, an der Grenze zu Algerien ein großes Kraftwerk zu bauen, das mit einer Kombination von Gas und Sonnenenergie gespeist wird. Für das Desertec-Projekt, das bis 2050 15 Prozent der von Europa benötigten Energie liefern will, seien Stellen südlich des Hohen Atlas identifiziert worden, so Said Mouline.
Aus: Alibaba Nachrichten, 16. Juli 2009
"Es gibt ermutigende Signale"
(Südafrika)
Eine Einschätzung der Entwicklung des Solarpotenzials Afrikas.
Von Saliem Fakir, WWF Südafrika
Welche Hoffnungen und Befürchtungen haben Sie beim Gedanken an Projekte wie Desertec?
Desertec steht ja noch ganz am Anfang, und die Lösungen scheinen mehr darauf abzuzielen, Strom für Europa zu erzeugen. Erschwinglich und realisierbar wird das Projekt in dieser Größenordnung nur, wenn es hauptsächlich für den europäischen Bedarf eingesetzt wird. Selbst wenn ein Nutzen für Afrika entsteht, wird er zum größten Teil auf die nordafrikanischen Länder beschränkt bleiben. Wir können allerdings aus der Entstehung von Desertec lernen. Der Einfallsreichtum des Projekts ist mir sympathisch, sein geplanter Umfang ist beeindruckend.
Afrika scheint für Solarenergie perfekt geeignet. Könnte der Kontinent die Industrialisierung samt fossilem Ressourcenverbrauch nicht auslassen und gleich ins Solarzeitalter springen?
Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Afrika besteht aus über 50 Staaten mit jeweils ganz spezifischen Hemmnissen und Chancen. Um sich in Afrika durchzusetzen, muss die Solartechnologie kostengünstiger werden und für die Massenversorgung einsetzbar sein. Bislang ist für afrikanische Haushalte nach wie vor Biomasse die Hauptenergiequelle. Angesichts der Komplikationen, mit denen der Bau zentraler Versorgungseinrichtungen und des Netzes verbunden sind, werden netzunabhängige Lösungen am ehesten Entwicklungspotenzial für Sprünge in Afrika haben.
Wie stark wird diese Entwicklung von der westlichen Welt gefördert?
Es gibt viele Entwicklungsorganisationen, die sich nach Möglichkeiten umsehen, die Nutzung erneuerbarer Energien in Afrika zu verbreiten. Dazu gehören u. a. die Weltbank und staatliche Geber wie das britische Ministerium für Internationale Entwicklung und die GTZ. Die kommerzielle Entwicklung findet zum allergrößten Teil in entwickelten Volkswirtschaften oder in Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien statt.
Wie groß ist das Interesse der afrikanischen Staaten an dieser Entwicklung?
Es gibt ermutigende Signale. In Ländern wie Ägypten, Kenia und Äthiopien sind einige Windkraftvorhaben in Vorbereitung. Vor Kurzem hat Brasilien mit Mosambik einen Vertrag über die Entwicklung eines Wasserkraftprojekts unterzeichnet. Für Länder wie Algerien, Ägypten und Marokko ist eine Reihe von Projekten im Gespräch, bei denen mit konzentrierter Sonnenenergie gearbeitet werden soll. Marokko hat kürzlich einen Fonds für erneuerbare Energien und Energieeffizienz im Umfang von einer Milliarde Dollar angekündigt. Das Solarturmkraftwerk-Projekt in Südafrika ist offenbar wieder auf dem richtigen Weg, die Mittel werden vom Fonds für saubere Technologien, den die Weltbank verwaltet, bereitgestellt. Aber es gibt noch viel Investitionsspielraum in Afrika.
Welche Hindernisse gilt es zu überwinden?
Das größte Hindernis ist die Bezahlbarkeit, aber es gibt auch technische Hindernisse. Die Entwicklung der Windenergie zum Beispiel setzt voraus, dass Winddaten gesammelt werden. Häufig fehlt es an Erfahrung oder der Staat ist nicht in der Lage, Stromabnahmeverträge durch Bürgschaften abzusichern. In manchen Ländern müssen die Entwicklung und das Know-how importiert werden. Das treibt die Infrastrukturkosten für erneuerbare Energien in die Höhe.
Es gilt zwischen großen und kleinen Anlagen und Mikrolösungen zu unterscheiden. Netzunabhängige Lösungen sind eine interessante Nische im privaten wie im öffentlichen Sektor. Für Haushalte entstehen derzeit außerdem Mikrolösungen im Bereich von ein bis fünf Watt, die sogenannten "Pico-PVs". Diese Lösungen scheinen ein großes Zukunftspotenzial zu haben, wenn es um das Aufladen von Mobiltelefonen, den Betrieb von Radios und anderer kleinerer Geräte geht. In Kombination mit extrem stromsparenden Leuchtdioden könnten sie bahnbrechende Erfolge erzielen, weil sie massenhaft einsetzbar, kostengünstig und leicht in Betrieb zu nehmen sind.
Die Fragen stellte Elisabeth Kiderlen
Übersetzung: Andreas Bredenfeld
Viel Sonne und keine Solarindustrie
(Äthiopien)
Ein Aufruf von Hilawe Lakew, Geschäftsführer der Ethio Resource Group, einer Energie- und Umweltberatungsfirma in Äthiopien
Länder wie China und Indien haben sich in das Wettrennen um die Produktion und Nutzung erneuerbarer Energien eingeschaltet. Afrika ist nicht mit von der Partie. Ideen wie das Projekt Desertec nähren die Befürchtung, Afrika könnte im Zeitalter erneuerbarer Energien ein weiteres Mal zum bloßen Ressourcenexporteur werden. Um nicht abgehängt zu werden, müssen die Regierungen in Afrika endlich aufwachen und die Chancen nutzen, die insbesondere die Solarenergie bietet.
Die erneuerbaren Energien stehen überall wirtschaftlich, politisch und ökologisch ganz oben auf der Agenda, nur nicht in Afrika. Der Kontinent tritt weder als Verbraucher noch als Produzent signifikant in Erscheinung. Die Erneuerbaren gelten bis heute nicht als Option, von der gewichtige Beiträge zur Energieversorgung zu erwarten sind. Dabei machen das Sonnenpotential und die Flexibilität der Solartechnik Sonnenenergie ideal für netzgebundenen wie netzunabhängigen Verbrauch.
Paradoxerweise war Afrika noch vor fünfzehn Jahren ein bedeutender Markt für Solarenergie und machte damals gar ein Viertel des Photovoltaikumsatzes weltweit aus (1). Ausschlaggebend für die explosionsartige Entwicklung in Europa waren die Anreize, die in wichtigen EU-Ländern durch die Einspeisetarife für erneuerbare Energien geschaffen wurden. Auch in vielen Ländern Afrikas sprechen sich Politiker für ähnliche Anreize aus. Den Absichtserklärungen folgen bislang aber keine Mechanismen zur Umsetzung.
Es bedarf der Unterstützung für eine klare Politik. Der erste Schritt müssen Investitionsanreize für Solarprojekte sein. Dies würde die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich ein Markt entfaltet und damit im Bereich der Technologien und Humankapazitäten Nachfrage und Angebot angekurbelt und der Technologietransfer angeregt werden. Die Regierungen afrikanischer Länder sollten alle denkbaren Finanzierungs- und Investitionsmöglichkeiten prüfen – einschließlich des Handels mit CO2-Emissionsrechten – und außerdem ihre in vielen Fällen mehr als zehn Jahre alte Energiepolitik überdenken und sie den neuen Technologien anpassen.
Übersetzung: Andreas Bredenfeld
Fußnote:
(1) "Rethinking Africa’s Solar Market" von Mark Hankins, 2006.