Ohne gründliche Vorabrecherche läuft nichts

24. März 2010
Von Shirin Saber
Wie steht der Jurist und Datenschutzexperte Thilo Weichert zur Piratenpartei? Wie viele Sprachen spricht Cem Özdemir? Und was hat die Politik, die Claudia Roth macht, eigentlich mit Theater zu tun? Beim journalistischen Seminar „Das politische Interview“ der Heinrich-Böll-Stiftung vom 8. bis 10. Oktober galt es, das und noch viel mehr herauszufinden. Das nötige Handwerk vermittelte Workshop-Leiterin Gudula Geuther vom Deutschlandfunk. Die Aufgabe für uns Stipendiaten war, ein kurzes Live-Hörfunk-Interview zu produzieren. Das war insofern nicht unbedingt leicht, als dass wir nur einen Versuch hatten, an dem im Nachhinein nicht mehr gebastelt werden konnte.

Für eine authentische Interview-Situation sorgten diverse Politiker und Experten als Gesprächspartner. Die sinnvollen, präzisen und am besten noch kritischen Fragen sollten von uns kommen. Gar nicht so einfach. Warum? Obwohl wir wussten, dass es sich beim Interview nur um eine Übung handelte: Die Aufregung ließ sich trotzdem nicht ganz abstellen.

Schnell merkten wir: Ohne eine gründliche Vorabrecherche läuft beim politischen Interview gar nichts. Um kluge Fragen zu stellen, mussten wir uns vorab bis ins Detail über unsere Gesprächspartner und ihre politischen Haltungen und Aktivitäten informieren. Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, Zeitvorgaben einzuhalten: Das Gespräch durfte nicht länger als sechs Minuten dauern. Aber was tun, wenn das Gegenüber ohne Punkt und Komma redet? Wenn das Thema so spannend ist, dass man glatt die Zeit vergisst und vom Journalisten zum Zuhörer wird? Oder wenn – und das ist noch viel schlimmer – der Interviewpartner einem so sympathisch ist, dass man ihm eigentlich gar kein Kontra bieten konnte?

Diese Probleme versuchten wir im Anschluss beim Abhören unserer aufgezeichneten Interviews in der Gruppe zu erörtern. Dabei lernten wir, das Gespräch besser zu steuern, gezielter zu fragen, den Interviewten festzunageln und vielleicht sogar zu provozieren. An anschaulichen Beispielen aus der realen Medienwelt sahen wir, dass die Regel „Der Interviewte bestimmt den Inhalt, der Interviewer die Form“ nicht immer zutrifft und manchmal sogar ganz schön in die Hose gehen kann. So erhält Friedrich Nowottny in seinem berühmten Interview mit Willy Brandt nur einsilbige Antworten, weil er Brandt zuvor gebeten hatte, sich kurz zu fassen.

Uns passierte so etwas glücklicherweise nicht. Unsere Gesprächspartner waren uns freundlich gesinnt, plauderten vor und nach den Interviews sogar noch recht offen aus dem Nähkästchen: über ihre Erfahrungen mit den Journalisten. Denn, wie Wolfgang Wieland es ganz treffend zusammenfasste: „Politiker sind auf die Medien angewiesen, und andersherum auch.“

 

Medienvielfalt, anders: Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus

Mit ihrer gemeinsamen journalistischen Nachwuchsförderung ermöglichen die Heinrich-Böll-Stiftung, die tageszeitung «taz», radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg – rbb, die Agentur «Zum goldenen Hirschen» und die Deutsche Welle interessierten jungen Migrantinnen und Migranten einen Einstieg in den Journalismus. mehr »

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