Israel im Orient – Orient in Israel

Lesedauer: 10 Minuten

Orientalisches Erbe der jüdischen Diaspora

11. Januar 2011
Filmliste nach Programmchronologie geordnet
Israelische Filmtage der Heinrich-Böll-Stiftung im Kino in der Kulturbrauerei
Freitag, 28. – Montag, 31. Januar 2011
kuratiert von Andrea Peschel 

» Programm der Israelischen Filmtage

My Fantasia

Regie: Duki Dror
Dokumentarfilm, Israel 2001, 54 Min., OmeU
Im Jahr 1959 flohen die Darwish-Brüder von Bagdad nach Israel und etablierten "Fantasia" - eine Menora-Fabrik im Industrieviertel von Tel Aviv. Aufgewühlt durch die Bombardierung Bagdads und Tel Avivs im Golfkrieg 1991 begann der Regisseur Duki Dror, Sohn des jüngsten der drei Brüder, seine irakischen Wurzeln zu entdecken. Trotz des anhaltenden Schweigens seines Vaters gräbt er Stück für Stück Familiengeschichte aus. Am Ende erfährt er von seinem Vater ein lange gehütetes Geheimnis. Das enthüllende Familienportrait ist humorvoll und schmerzhaft zugleich.

Sallah Shabati

Regie: Ephraim Kishon
Retro-Spielfilm (Boureka), Israel 1964, 100 Min. OmeU
Aus der Diaspora kommt der jemenitische Jude Sallah Shabati mit seiner kinderreichen Familie als Einwanderer nach Israel. Im Lande angekommen versucht der Patriarch, vollkommen unangepasst an die europäisch-geprägte Kultur des gerade gegründeten Staates Israel, durch verschiedenste Projekte und mit viel List an Geld zu gelangen, um eine Wohnung zu finanzieren. So müssen sich er und seine Familie durch den Dschungel der Bürokratie des europäischen Establishments schlagen und zumindest die Grundbegriffe der im Einwanderungslager und dem daran angrenzenden Kibbuz herrschenden sogenannten Demokratie lernen - auch wenn diese dem guten Menschenverstand manchmal widersprechen.
Sallah mag ungebildet sein, ist aber mit Sicherheit kein Trottel. Wie der brave Soldat Schweijk wurde Sallah zum Synonym für die traditionsreiche humoristische Figur des schlauen Idioten, der absichtlich oder unabsichtlich (so genau weiß man das nie) das System auf den Kopf stellt, auf ihm und mit ihm spielt und am Ende über es obsiegt. Sallah ist eine Figur, die einem sogleich sympathisch ist, und das, obwohl er einige offensichtliche Charakterschwächen besitzt: Er ist ein miserabler Vater, behandelt seine Frau geringschätzig bis beleidigend, weigert sich, mit Frauen zu sprechen und ist bereit, seine älteste Tochter an den Höchstbietenden zu verkaufen. Zu seinem Hausstand gehört auch eine alte Frau, über deren verwandtschaftliche Verbindung mit der Familie Sallah ebenso wenig weiß wie über die genaue Anzahl seiner Kinder, deren weibliche er grundsätzlich ignoriert. Außerdem ist Sallah faul und dem Sheshbesh (israelisch-arabische Variante des Backgammon) verfallen, das seine einzige Einnahmequelle darstellt, und er hat seine ganz eigenen Vorstellungen von Geschäftemacherei. Aber an Geld zu kommen ist gar nicht so leicht, besonders da Sallah nicht gerade darauf versessen ist, zu arbeiten. Als seine Berufsbezeichnung gibt Sallah Schuster an, hat aber in seinem Leben noch keine Leiste gesehen.
Die Politiker haben in Sallah den starken Mann der Maabarah erkannt, der ihnen bei den anstehenden Wahlen die Stimmen des gesamten Flüchtlingslagers garantieren wird. Sallah geht aber nicht mit einer Partei einen Deal ein, die Stimmen gegen eine schöne Wohnung oder Bestechung zu liefern, sondern gleich mit allen Parteien. Wie versprochen stimmt er dann auch für jede Wahlpartei, was unverständlicherweise die Wahl ungültig und die Aussicht auf die schöne Wohnung zunichtemacht. Aber natürlich gibt es hier ein Happy End.
Es folgt der alten Weisheit, dass man das bekommt, was man nicht will. Sallah verkündet lautstark, sich zu weigern, eine Wohnung in der neuen Siedlung zu beziehen, woraufhin die große Politik Sallah zu seinem Glücke »zwingt«.

Forget Baghdad: Jews and Arabs - The Iraqi Connection

Regie: Samir
Dokumentarfilm, Schweiz/Deutschland 2002, 112 Min., OmdU
Jüdische Araber? Arabische Juden? Sephardim? Mizrahim? Samir erzählt von einer lang vergessenen Geschichte aus dem Nahen Osten: der Emigration irakischer Juden nach Israel. Erst seit wenigen Jahren findet in Israel eine lebhafte Debatte statt: Intellektuelle Mizrahim, orientalische Juden, kritisieren die Politik der Entfremdung und Instrumentalisierung der arabischen Juden durch die kolonialen Ansprüche der europäisch geprägten Gründergeneration Israels.
Samir, selbst Kind irakischer Einwanderer in die Schweiz und seit Jahren als Filmemacher, Produzent und Videokünstler mit Entfremdung und Identität befasst, befragt fünf prominente arabische Juden irakischer Herkunft mit Wohnsitz in Israel und New York: Ella Shohat, Filmhistorikerin in NYC, Shimon Ballas, Professor für arabische Literatur und Bürgerrechtler, Sami Michael, Bestseller-Autor, Moshe Houri, Bauunternehmer, und Samir Naqash, preisgekrönter Autor unveröffentlichter arabischer Romane.

Turn Left at the End of the World [Biegen Sie am Ende der Welt links ab]

Regie: Avi Nesher,
Spielfilm, Israel 2004, Spielfilm 110 Min., OmeU
Es ist das Jahr 1969. In eine kleine Stadt in der israelischen Wüste, die überwiegend von marokkanischen Einwanderern bewohnt wird, kommen ein paar indische Familien, die nach Israel eingewandert sind, um ein besseres Leben im Westen zu suchen. Nicht genug damit, dass es die Inder an einen Ort verschlägt, der weit entfernt ist vom mythischen „Westen“ – sie werden sich überdies in einen Kulturkampf mit den Marokkanern verwickelt wieder finden.
Die leidenschaftlichen und temperamentvollen Marokkaner, die sich selbst als „Franzosen“ sehen, schauen auf die dunkelhäutigen Inder herab. Die zurückhaltenden und schweigsamen Inder, die sich selbst als „Briten“ betrachten, sehen die Marokkaner als ungehobelte Raufbolde.
Um ihre britische Identität zu behaupten, stellen die Inder eine bunt zusammengewürfelte Kricketmannschaft auf. Die Marokkaner, die dieses Spiel als einen rituellen Akt in Richtung einer Verdichtung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse betrachten, versuchen mit allen Kräften, diesen Plan zu durchkreuzen. In ihrer Verzweiflung bitten die Inder das britische Konsulat um eine Ausrüstung aus zweiter Hand. Die Briten sind überrascht von dem Interesse, das von einem so abgeschiedenen Teil der Welt an „ihrem“ Spiel gezeigt wird, senden die Ausrüstung und als eine postkoloniale Geste guten Willens gleich noch eine britische Mannschaft dazu, um einen freundschaftlichen Wettkampf mit der lokalen Mannschaft abzuhalten. Obwohl sie überhaupt nicht mit den Spielregeln vertraut sind,
verbünden sich die Marokkaner mit den Indern, um der Stadt zu Ansehen zu verhelfen.
Das zieht eine große Heiterkeit nach sich, als alte Feinde kulturelle Minenfelder durchqueren und zwei Mädchen, ein Marokkaner und ein Inder die sexuelle Revolution der Sechziger entdecken.

Home

Regie: David Ofek
Kurzdokumentarfilm, Israel 1994, 18 Min, OmeU
David Ofek erzählt die Geschichte seiner aus dem Irak eingewanderten Familie - wie sie während des Golfkriegs in ihrem israelischen Zuhause sitzen und auf das ausgebombte Bagdad im Fernsehen schauen. Sie begreifen, dass die Ruinen auf dem Bildschirm einmal ihre Heimat waren.

Erster Preis des Edinburgh International Film Festivals, Channel 4 Competition, 1994 Bester Dokumentarfilmpreis des Oberhausener Internationalen Filmfestivals, Deutschland, 1995, Special Jury Award, Short Narrative Category, Golden Gate Awards, San Francisco, 1995

Pleading

Drehbuch und Regie: Idan Hubel
Kurzspielfilm, Israel 2004, 19 Min., OmeU
Ruth verbrachte ihr Leben damit, sich von ihren marokkanischen Wurzeln zu distanzieren. Jetzt, da ihre Tochter kurz vor der Hochzeit steht, bringt das Doppelleben ihrer Mutter die Tochter dazu, ihre Geduld zu verlieren, und so weigert sie sich, zu kooperieren. In einem Versuch, die Beziehung zu retten, arrangiert Ruth eine traditionelle marokkanische Hennazeremonie für ihre Tochter.

Bestes Drehbuch – Internationales Festival der Filmhochschulen, München, 2004; Erster Preis – Jewish Film Days, Jerusalem, 2004; The Jerusalem International Film Festival, Israel 2004; Internationales Festival der Filmhochschulen, Deutschland 2004; Jewish Film Days, Jerusalem, 2004;

Rabbi Hay Tayeb is not Dead (He is in a Place of Truth)

Drehbuch und Regie von Joachim Touati
Kurzspielfilm, Israel 2009, 15 Min., OmeU
Nachdem ihn seine Freundin verlassen hat, begibt sich Hezi verletzt und verwirrt auf eine Suche in die Wüste, um dort nach Zeichen eines alten tunesischen Rabbis zu forschen, der ihm im Traum erschienen ist. Er beginnt diese Suche mit ein paar Bier und Sasson, seinem treuen Gefährten. Die Fragen, die sich Hezi stellt, sind mystisch und führen die beiden durch eine eigentümlich bevölkerte Wüste.

The Repentance of Rahamim Hanuka [Die Buße des Rahamim Hanuka]

Regie: Ariel Benbaji,
Kurzspielfilm, Israel 2008, 22 Min., OmeU
Rahamim Hanukas Hoffnung auf einen Neuanfang, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, ist zerstört, als er erfährt, dass sein Vater, ein Sofer, sich verpflichtet hat, ein Thorabuch für die Hamisha-Familie zu schreiben. Beider Leben ist in Gefahr, sollte das Werk nicht rechtzeitig fertig gestellt werden.

Neilah (Closing Prayer)

Regie: Zohar Markman und Amir Busheri,
Kurzspielfilm, Israel 2005, 15 Min., OmeU
Ya’akov ist der Leiter von „Heaven’s Gate” – einer kleinen, armseligen Synagoge in Jerusalem, die schon bessere Zeiten gesehen hat. Die große Synagoge in unmittelbarer Nachbarschaft zieht alle Leute an, und „Heaven’s Gate“ wird vielleicht geschlossen. Ya’akov kommt mit einigen Leuten, die er zusammenklauben konnte, bei der Synagoge an, um das Gebet Neilah (das Yom-Kippur-Abschlussgebet) zu sprechen und entdeckt, dass der taube Wächter im Inneren bei verriegelter Tür schläft. Ya’akov ist bereit, alles zu tun, um die Tür zu öffnen und das Gebet abzuhalten.

The Barbecue People [Barbecue]

Regie: David Ofek
Spielfilm, Israel 2002, 102 Min., OmeU
Israel Ende der achtziger Jahre: In den grünen Hügeln vor einer kleinen Arbeiterstadt findet eine wilde Grillparty statt, mit der eine irakische Einwandererfamilie den 40. Jahrestag der Unabhängigkeit Israels feiert. Überraschend taucht ein ehemaliger Geliebter der Mutter auf.
Unter Täuschungen bringt er ihren Ehemann dazu, in die USA zu reisen. Die Mutter, die nun mit ihrer alten Liebe allein ist, gerät in einen Sturm der Gefühle. Dabei geht es auch um das traumatische Zusammentreffen zwischen dem irakischen Erbe der Eltern und der israelisch-zionistischen Kultur der Kinder.

Late Marriage

Regie: Dover Kosashvilli,
Spielfilm, Israel 2001, 100 Min., OmeU
Yasha und Lily möchten, dass Zaza, ihr 32 Jahre alter Sohn, heiratet. Aufgrund seiner georgischen Herkunft muss es eine junge, wohlhabende, wunderschöne Braut sein, die einen guten Ruf innerhalb der Gemeinde genießt.
Jeden Abend machen sie sich auf den Weg, um die potentiellen Bräute auszukundschaften. Zaza bezaubert sie und gibt ihnen das Gefühl, dass er der Prinz ihrer Träume ist. Gleichwohl gelingt es ihm, alles im entscheidenden Augenblick wieder zu verderben. Keine der Partien wird erfolgreich sein, da Zaza hoffnungslos in Judith verliebt ist. Sie ist älter als er, allein erziehende Mutter einer sechs Jahre alten Tochter, unabhängig, weiblich, fesselnd und Marokkanerin. Judith ist der Inbegriff all dessen, was er nicht innerhalb seiner Familientradition finden kann.
Durch eine rein zufällige Begebenheit werden Zazas Eltern auf sein Verhältnis mit Judith gestoßen, und dadurch wird seine Zukunft in die eine oder andere Richtung bestimmt. Wer behauptet, Liebe kann alles überwinden?!

The Black Panthers (in Israel)

Regie: Eli Hamo und Sami Shalom Chetrit
Dokumentation, Israel 2003, 53 Min., OmeU
Die Schwarzen Panther Israels sind eine soziale Bewegung der zweiten Generation von Mizrahim–Juden aus arabischen und muslimischen Ländern. Der Aufstand der Schwarzen Panther in den frühen 70er Jahren hatte radikale Umwälzungen der israelischen Gesellschaft zur Folge. Er bedeutete das Erwachen des kulturellen Bewusstseins der Mizrahim. Die Bewegung verbreitete den Klassenkampf über den lokalen und nationalen Rahmen und verband ihn mit den Menschenrechtsbewegungen der USA, dem Marxismus der Dritten Welt und zum ersten Mal überhaupt mit dem Kampf der Palästinenser in Israel.
"Mutig und witzig attackieren die Filmemacher die offizielle Geschichtsschreibung des westlich orientierten israelischen Establishments. Zum ersten Mal erhalten die alten Führer der Black Panther Bewegung eine Möglichkeit, ihre damaligen Gründe der Öffentlichkeit darzulegen und geben damit endlich den orientalischen Juden ihre Stimme zurück. Der Film eröffnet 7 auch für uns in Europa eine neue Sicht über die Zukunft des Staates Israel inmitten eines arabischen Orients." Samir (Regisseur von FORGET BAGHDAD)

Cafe Noah

Regie: Duki Dror
Dokumentarfilm, Israel 1996, 26 Min., OmeU
Nach Gründung des Staates Israel 1948 immigrierten jüdische Musiker von Bagdad und Kairo nach Israel. Sie waren Meister der arabischen Musik, doch ihre Musik wurde in ihrer neuen Heimat nicht sehr hoch geschätzt. Der anhaltende arabisch-israelische Konflikt ließ wenig Raum für ihre arabisch-jüdische Identität. Im Cafe Noah fanden sie einen Platz, an dem sie ihre Musik und Kultur ausleben konnten.

Bagdad Bandstand/Tc'halri Bagdad

Regie: Eyal Halfon
Dokumentarfilm, Israel 2002, 70 Min., OmeU
In den frühen 50er Jahren kamen mit der ersten Einwanderungswelle aus dem Irak auch eine Handvoll Musiker nach Israel. In der arabischen Welt wurden sie wie Stars gefeiert, doch in Israel kannte sie kaum jemand. Also gründeten sie das «Israeli Broadcasting Company›s Arabic Orchestra», ein mittlerweile legendäres Orchesterensemble. In der arabischen Welt galten sie fortan als Feinde, in Israel als Araber, aber eigentlich wollten sie immer nur Musik machen.