Japan ist Frauenfußball-Weltmeister 2011. Wenn man die Geschichte des Frauenfußballs und seine heutige Situation betrachtet, dann ist das alles andere als eine Selbstverständlichkeit.
Die Anfänge
Der Frauenfußball in Japan entwickelte sich im Vergleich zum europäischen Frauenfußball erst sehr spät. Während sich in Europa Anfang des 20. Jahrhunderts immer mehr Fußballvereine für Frauen etablierten, gab es in Japan bis in die späten 60er Jahre hinein nahezu überhaupt kein Fußballinteresse von Seiten der Frauen. Ende der 60er Jahre organisierten sich erstmals Schülerinnen in kleinen Fußballgruppen, die den Frauenfußball an ihren Schulen als Freizeitbeschäftigung vorantrieben. Die erste offizielle weibliche Fußballmannschaft, der FC Jinnan aus Tokyo, ließ noch bis 1972 auf sich warten. Nach einer weltweiten Kampagne zur Förderung des Frauenfußballs seitens der FIFA wurde der japanische Frauenfußballbund im Jahre 1979 gegründet, und zwei Jahre später die erste japanische Nationalmannschaft der Frauen zusammengestellt. Eine japanübergreifende Nationalliga wurde im Jahr 1989 ins Leben gerufen.
Durch Fleiß und Zielstrebigkeit aufgeholt
Trotz seines verspäteten Starts hat der Frauenfußball in Japan eine rasante Entwicklung durchgemacht. Was der westliche Fußball den Japanerinnen an Zeit voraus hatte, machten die diese durch Fleiß und Zielstrebigkeit wieder wett. Nach einer schwierigen Anfangsphase, in der die japanischen Nationalspielerinnen wegen Mangels an Sponsoren und öffentlicher Aufmerksamkeit gezwungen waren, die Kosten für internationale Turniere zur Hälfte selbst zu tragen, erreichten sie bereits 1986, nur fünf Jahre nach Gründung der Nationalmannschaft, die Vizemeisterschaft im Asien-Cup der Frauen. Die Nationalmannschaft machte kontinuierlich Fortschritte und verbesserte sich. Im Jahr 2003 qualifizierten sich die japanischen Fußballfrauen erstmals für die FIFA-Weltmeisterschaft. 2004 gab es in Japan einen landesweiten Wettbewerb, in dem es darum ging, einen offiziellen Namen für die Frauenfußball-Nationalmannschaft zu finden.
Japanische Nelke steht für weibliche Anmut und Stärke
Unter den etwa 2700 eingesendeten Vorschlägen entschied man sich für den Namen Nadeshiko Japan, wobei Nadeshiko vom Begriff Yamato Nadeshiko herrührt, der so viel wie japanische Nelke bedeutet und im Japanischen sinnbildlich für die weibliche Anmut, Eleganz und Stärke steht. Unter diesem Namen nahm die japanische Frauenfußball-Nationalmannschaft im selben Jahr an den Olympischen Spielen in Athen teil, was ihr endlich auch daheim eine große öffentliche Aufmerksamkeit bescherte. Aufgrund der Erfolge in Athen – Japan schaffte es unter die ersten acht Mannschaften – entschied man sich auch, die japanische Frauenliga offiziell in Nadeshiko-Liga umzubenennen. Die japanische Frauenfußball-Nationalmannschaft spielte seit 1986 sehr erfolgreich bei der Asienmeisterschaft mit, qualifizierte sich seit 1991 für jede Fußballweltmeisterschaft, holte zuletzt den vierten Platz bei den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking und arbeitete sich seit 2003 von Platz 14 in der FIFA-Weltrangliste auf aktuell Platz 5 vor.
Frauenfußball ist bei Japanerinnen beliebt
Heute erfreut sich der Frauenfußball in Japan immer größerer Beliebtheit. Es gab 2009 in Japan 1224 Frauenfußballmannschaften mit insgesamt 36.683 aktiven Spielerinnen, und die Zahlen steigen kontinuierlich. Frauenfußball ist eine anerkannte und beliebte Freizeitaktivität für Jung und Alt. Aber nur wenige Frauen können mit Fußball ihren Lebensunterhalt bestreiten. Unter all den Spielerinnen Japans gibt es nur zehn, die ihr Geld professionell mit Fußball verdienen. Die anderen haben einen Beruf, sind Studentinnen oder Hausfrauen und widmen sich in ihrer Freizeit dem Fußball. Selbst die nationale Nadeshiko-Fußballliga ist eine Amateurliga, die sich hauptsächlich aus Angestellten und Studentinnen zusammensetzt.
Anders als in vielen westlichen Ländern wird in Japan nicht so streng zwischen Jungen- und Mädchenmannschaften getrennt. Besonders bei den jüngeren Spielerinnen kommt es durchaus vor, dass die Mädchen mit den Jungen zusammen in einer Mannschaft spielen. Dies ist beispielsweise bei etwa 68 Prozent der unter 12-Jährigen der Fall. Nur etwa ein Drittel der Fußballspielerinnen in dieser Altersgruppe spielt also in Mannschaften, die ausschließlich aus weiblichen Mitspielern bestehen. Der Grund dafür ist, dass es in Japan keine so weitverbreitete Sport- und Turnvereinkultur wie zum Beispiel in Deutschland gibt. Mädchen, die sich sportlich betätigen möchten, haben häufig keinen Sportverein in unmittelbarer Umgebung ihres Wohnortes, so dass die Schulmannschaften die bequemste Möglichkeit darstellen, eine Sportart auszuüben. Grundschulen stellen für gewöhnlich nur eine Schulmannschaft, in der sowohl Mädchen als auch Jungen aktiv werden können. In der Mittelschule wird bereits häufiger zwischen Jungen- und Mädchenmannschaften unterschieden, dort spielen allerdings noch immer etwa 20 Prozent der Mädchen zusammen mit Jungs in einer Mannschaft. Erst in der Oberschule gibt es so gut wie keine gemischten Mannschaften mehr.
Die Gleichstellung mit den männlichen Kollegen und den internationalen Erfolg fest im Blick
Der Frauenfußball in Japan hinkt dem Fußball der Männer noch immer hinterher. Um das zu ändern, den Frauenfußball weiter voranzutreiben und ihm auch international zu größerer Bekanntheit zu verhelfen, rief die JFA das Programm „Nadeshiko Vision“ ins Leben. Die Hauptziele des Programms sind:
1. die Beliebtheit des Frauenfußballs in Japan zu erhöhen,
2. Weltklassespielerinnen auszubilden,
3. dafür zu sorgen, dass das Team Nadeshiko Japan an der Weltspitze des Frauenfußballs mithalten kann.
Um diese Ziele zu erreichen, möchte man die Frauenfußballweltmeisterschaft in naher Zukunft nach Japan holen und schickt bereits jetzt Spielerinnen zu ausländischen Vereinen in die USA und nach Deutschland. Des Weiteren haben sich die Japanerinnen vorgenommen, bei einer Weltmeisterschaft mindestens das Viertelfinale zu erreichen.
Die Weltmeisterschaft in Deutschland 2011 wird für die Nadeshiko-Liga Japan eine hervorragende Gelegenheit sein, weitere Erfahrungen zu sammeln und dem japanischen Frauenfußball sowohl im eigenen Land als auch international zu größerer Popularität zu verhelfen.
Keiko Hamada ist Korrespondentin der Tageszeitung "TheTokyo Chunichi Sports"