Während Männern ein Widerspruch von Fußball und Männlichkeit gänzlich unbekannt sein dürfte, sind die kickenden Frauen aufgefordert, Fotoshootings mit aufgebrezeltem Styling für ihre Vermarktung zu nutzen, dabei aber keine Abstriche an ihrem sportlichen Anspruch zu machen. -> Aktuelle Artikel, Publikationen und andere Veröffentlichungen zu Feminismus & Gender.
„Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“, verkündete FIFA-Chef Joseph Blatter 1995 vollmundig. Ist das eine Hoffnung oder eine Drohung? Mit der Weiblichkeit ist es nämlich so eine Sache. Gemeint sein kann damit, dass mehr Mädchen und Frauen im Fußball sichtbar sind als bislang – das wäre ein female kick als überfällig gewordene Selbstverständlichkeit. Gleichzeitig aber wirbt der DFB für die Fußball-WM der Frauen im eigenen Land mit dem Slogan „2011 von seiner schönsten Seite“, die Firma Mattell hat jüngst die Bundestrainerin Silvia Neid und die Spielführerin Birgit Prinz als Barbie-Puppen auf den Markt geworfen, und das slowakische Supermodel Adriana Karembeu wirbt mit der Kampagne für „Football in the Feminine“ als Botschafterin für den französischen Frauenfußball. Die dort inszenierte Weiblichkeit passt besser zur Aussage Blatters, und wie wenig dies einem female kick auf die Sprünge hilft, zeigt ein Schnelldurchlauf durch die kurze Geschichte des Frauenfußballs.
Kleiner Exkurs in die Geschichte des Frauen-Fußballs
Einige Jahrzehnte nach den britischen Vorreiterinnen organisierten sich kickende Frauen 1930 erstmals im 1. Damen-Fußball-Club Frankfurt. Dem DFB waren solche ‚unweiblichen’ Umtriebe ein Dorn im Auge: Am 30.7.1955 untersagte er den Vereinen, Abteilungen für Frauenfußball zu gründen. Dass das Fußballverbot für Frauen kurz nach dem Gewinn der Fußballmänner-WM mit dem ‚Wunder von Bern’ 1954 erfolgte, ist DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg zufolge kein Zufall. Denn nach dem Krieg standen die heimkehrenden Männer angesichts der tatkräftigen Frauen, die Deutschland auch ohne sie wieder aufzubauen begannen, vor dem Zusammenbruch der vermeintlich natürlichen männlichen Vorherrschaft: eine weitere Demütigung. Nicht zuletzt waren der DFB und die Verbände nach wie vor eine Organisation von Männern, die sich Frauen vom Leib zu halten wussten – auch wenn diese sich nicht am Fußballspielen hindern ließen. 1970 fiel das Fußballverbot für Frauen, weil der DFB mit einer drohenden Etablierung eines eigenen Frauenfußballverbands um die Kontrolle über die Frauen fürchtete. Der Preis: Die Frauen mussten mit kleineren Jugendbällen und ohne Stollenschuhe spielen, ihnen wurde eine reduzierte Spielzeit von nur zwei mal dreißig Minuten Spielzeit und eine sechsmonatige Winterpause zur Schonung verordnet, Länderspiele blieben bis 1982 verboten.
In der DDR kam es erst Ende der 1960er zu den ersten weiblichen Betriebssportgemeinschaften, das erste und einzige Länderspiel fand 1990 statt. Frauenfußball war dort nie verboten, aber weil er damals nämlich nicht olympisch war, gab es keine Sportförderung, der Frauenfußball stand auf der Prestigeskala hinter dem Jugend- und Nachwuchsfußball. Die 1979 erstmalig ausgetragene Meisterschaft durfte nicht Meisterschaft heißen, sondern Bestenermittlung, bei der Endrunde in Potsdam 1984 dauerte ein Spiel gerade mal zweimal zwanzig Minuten. All dies wirkt heute plump, hielt aber Eindringlinge in das eigene Terrain auf Distanz. Was heißt das für die Zukunft des Frauenfußballs?
Wie wird heute Frauenfußball wahrgenommen?
Siegfried Dietrich, Manager und Investor des 1.Frauen-Fußball-Club Frankfurt, plädiert offensiv für dessen Professionalisierung, was mit den zumeist amateurhaft organisierten Traditionsclubs allerdings nicht zu machen sei. „Je professioneller der Frauenfußball gestaltet wird, umso besser lässt sich diese Marke auch verkaufen.“ (FR, 21.12.10) Gleichzeitig goutiert er den Frauenfußball als spielerischer und technischer. Es sei weniger Macht und Geld im Spiel als bei Männern, der Sport sei sauber und fair und beflügle zu einem Familienausflug ins Stadion. Der Frauenfußball wird also gerade durch die Vermarktung als Familienevent und die Kommerzialisierung von Heimeligkeit hoffähig gemacht, aber es bleibt abzuwarten, ob er mit einer solchen Strategie nicht dem Image einer biederen Familienidylle verhaftet bleibt und gerade keine Aufwertung erfährt.
Der mediale Anspruch heißt, professionell und glamourös in einem zu sein
Zu einer solchen traditionellen Modernisierung gesellt sich ein seit der letzten WM 2007 zu beobachtender Trend zur Personalisierung wie etwa bei Fatmire Bajramaj, Birgit Prinz, Kim Kulig oder Nadine Angerer. Sie sollen als persönliche Marke vereinen, was sich bislang über Jahrzehnte hinweg als Widerspruch schlechthin in die öffentliche Meinung eingebrannt hat, nämlich fußballerisches Können und Weiblichkeit. Während Männern ein Widerspruch von Fußball und Männlichkeit gänzlich unbekannt sein dürfte, sind die kickenden Frauen aufgefordert, Fotoshootings mit aufgebrezeltem Styling für ihre Vermarktung zu nutzen, dabei aber keine Abstriche an ihrem sportlichen Anspruch zu machen. Etwas länger schon ist dieses Dilemma in der Berufswelt außerhalb des Fußballs virulent, auch dort kämpfen Frauen gegen ähnlich verquaste Botschaften: Professionell sollen sie sein, aber um Gottes willen nicht ihre Weiblichkeit verlieren. So mag bei der weiblichen Zukunft des Frauenfußballs nicht nur Blattner an knappe Bikinihöschen oder sexy geschnittene Trikots gedacht haben, das tat auch die dreimalige Weltfußballerin Birgit Prinz – freilich mit erfrischend anderem Vorzeichen: „Wir möchten unseren Sport vermarkten, nicht unseren Hintern.“ (STERN, 14.2.2004) Lasst sie das also endlich mal machen.
Nina Degele, geb. 1963, seit 2000 Professorin für Soziologie und Gender Studies an der Uni Freiburg. Forschungsschwerpunkte: Soziologie der Geschlechterverhältnisse, Modernisierung, Körper, Sport, qualitative Methoden.
Literatur:
- Fechtig, Beate (1995) Frauen und Fußball. Interviews, Portraits, Reportagen. Dortmund: Edition Ebersbach.
- Hoffmann, Eduard/Jürgen Nendza (2006) Verlacht, verboten und gefeiert. Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland. Weilerswist: Verlag Landpresse.
- Hennies, Daniel/Daniel Meuren (2009) Frauenfußball - der lange Weg zur Anerkennung. Göttingen: Verlag die Werkstatt.