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Grüne Imagepflege und Tanz mit den Islamisten

In Deutschland haben viele erstmals von dem Emirat Katar gehört, als der winzige Wüstenstaat am Golf 2010 überraschend die Ausrichtung der Fußballweltmeisterschaft 2022 gewann. Da war zwar der arabische Fernsehsender Al-Dschasira schon ein Begriff – aber Doha hatte er im Westen noch nicht wirklich auf die Landkarte gesetzt.

Seit dem Ausbruch der Aufstände in der arabischen Welt ist das anders: Fast täglich erscheint Katar in den Nachrichten, weil sein Emir Hamad bin Khalifa al-Thani in allen Konflikten in der Region die Finger im Spiel hat. Das Land mit den 1,7 Millionen Einwohnern, von denen nur etwa 300.000 Einheimische sind, hat sich zur dynamischsten Kraft der arabischen Welt entwickelt und erhebt immer offener Ansprüche, als Regionalmacht ernst genommen zu werden.

Vom 26. November bis 7. Dezember 2012 will das winzige Emirat auch noch als Gastgeber des 18. Weltklimagipfels von sich reden machen. Doch ebenso wie die Unterstützung der islamistischen Gruppen in den Rebellionen der arabischen Welt als traditioneller Alliierter der USA von einer gewissen Binnenspannung zeugt, so ist die Ausrichtung eines internationalen  Klimagipfels für das Land mit dem höchsten Pro-Kopf-Ausstoß von Treibhausgasen ein Balanceakt.

Weg vom Image eines uneinsichtigen Opec-Staats?

Welche Ziele verfolgt ein Emir, der sein Reich als absolutistischer Monarch regiert, wenn er die Welt einlädt, um über den Klimawandel und seine Folgen zu verhandeln? Womöglich sieht der 59-Jährige, der seinen Vater 1995 in einem unblutigen Coup absetzte, eine große internationale Konferenz – rund 17.000 Delegierte, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs und Journalisten werden erwartet – als Testlauf für die Fußballweltmeisterschaft. So ähnlich wie Brasilien offenbar den Weltnachhaltigkeitsgipfel in diesem Sommer in Rio de Janeiro verstanden hat.

Katar dürfte sich auch um die Ausrichtung des 18. Weltklimagipfels beworben haben, um vom Image eines uneinsichtigen Opec-Staats wegzukommen. Der erdgasreiche Staat am Golf setzte sich beim Weltklimagipfel in Durban vor einem knappen Jahr gegen Südkorea als Gastgeber durch. Doch womöglich überschätzt das Emirat die Möglichkeiten zur Imagepflege bei einem Weltklimagipfel. Seit dem gescheiterten Gipfel in Kopenhagen 2009 kann Dänemark ein Lied davon singen. Zwar ist Dänemark ein Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien – sie liefern heute schon 40 Prozent des Stromverbrauchs. Doch das Scheitern von Kopenhagen verdeckt diese Leistung.

Andererseits muss Katar aber auch nicht allzu viel fürchten. Denn es geht ohne jeden Ehrgeiz in den Gipfel. Katars Chef der Kontroll- und Transparenzbehörde, Vizepremier Abdullah bin Hamad al Attiyah, der dem Klimagipfel vorsitzt, hält es schon für einen Erfolg, dass die jährliche Vertragsstaatenkonferenz COP 18 (Conference of the Parties) überhaupt in Doha und damit in einem Gas- und Ölförderland, stattfindet. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Doha gelingt, einen Verhandlungsfahrplan bis 2015 zu beschließen, ist nicht sehr hoch, obwohl das schon beim Vorgängergipfel in Südafrika im vergangenen Jahr beschlossen worden ist. Denn ein umfassendes Weltklimaabkommen soll 2020 in Kraft treten.

Energieverschwendung und den offenkundiger Mangel an Umweltbewusstsein

Katar versucht sich schon seit einiger Zeit an grüner Imagepflege. 30 Prozent der Landfläche stünden unter Naturschutz, heißt es auf der Internetseite für die Besucher des Klimagipfels. Ob das nach dem Bau der neun für die Fußballweltmeisterschaft geplanten Stadien und der dazugehörigen Infrastruktur-Flughafen, Straßen, Hotels und eine Brücke zum Nachbarland Bahrain, übrigens die längste der Welt, noch so sein wird, ist offen. Jedenfalls hat Katar schon einmal, nämlich 2007, den Vorsitz der Montreal-Versammlung übernommen. Mit dem Montreal-Protokoll zum Schutz der Ozonschicht ist es der Weltgemeinschaft zumindest einmal gelungen, ein globales Umweltproblem gemeinsam zu lösen. Allerdings liegen die Emissionen ozonschädigender Substanzen in Katar deutlich über dem Weltdurchschnitt. Und wenn man Blogeinträge von europäischen Ex-Patriots in Katar liest, lässt sich daraus eine leichte Fassungslosigkeit über die Energieverschwendung und den offenkundigen Mangel an Umweltbewusstsein ablesen. Das hat offenbar auch der Emir erkannt und deshalb die Katar-Stiftung damit beauftragt, neben einer Reihe weiterer Forschungseinrichtungen auch das Katar-Institut für Umwelt- und Energieforschung aufzubauen. Allzu viel Ergebnisse gibt es noch nicht. Aber ein Weltklimagipfel könnte Umweltforschung und –bewusstsein in dem Golfstaat durchaus erhöhen. Seit diesem Jahr gehört Katar jedenfalls zu den Gründungsmitgliedern des Global Green Growth Institutes, das sich im Umfeld des Rio-Gipfels gebildet hatte.

Doch so erfolgreich wie das Nachbarland Abu Dhabi hat Katar das Umweltthema bisher nicht gespielt. Abu Dhabi hat es geschafft, sich mit der geplanten Öko-Stadt Masdar international Gehör zu verschaffen. Zudem gelang es dem Nachbaremirat, sich den Sitz der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena) zu sichern.

Der Präsident des Weltklimagipfels Abdullah bin Hammad al Attiyah regte sich vor ein paar Wochen bei einem Besuch in Berlin mächtig darüber auf, dass die Vereinten Nationen den Treibhausgasausstoß seiner Mitgliedsländer auch auf den Pro-Kopf-Ausstoß heruntergerechnet hat. Denn Katar liegt dabei mit 55,42 Tonnen pro Kopf und Jahr einsam an der Spitze. Nicht einmal die USA haben einen vergleichbar verschwenderischen Lebensstil zu bieten. Der Gipfel-Chef sieht das als „Trick der großen Länder“. Denn immer seien die „kleinen Länder Opfer der großen Länder“. Die Luft in Doha sei klar, und das von Katar geförderte Erdgas im Vergleich zu Öl oder Kohle klimafreundlich. Al Attiyah war übrigens im Laufe seiner Karriere Energie- und Ölminister, er war bis 2011 Chef des staatlichen Ölkonzerns Qatar Petroleum und wurde 2009 auch zum Präsidenten des Öl-Kartells Opec gewählt. Bis heute sitzt Al Attiyah im Aufsichtsrat von Qatar Helicopters und Gulf Air. Der Ehrgeiz des Gipfelpräsidenten richtet sich jedenfalls vor allem darauf, Gas-Absatzmärkte zu sichern. Auch Flüssiggas als Treibstoff für Flugzeuge gehört zu den von ihm vorangetriebenen Themen. Eine Senkung der Treibhausgasemissionen ist in Katar jedenfalls bisher kein Thema, obwohl nun gerade das verschwenderische Katar die allergrößten Fortschritte bei der Energieeffizienz  machen könnte.

Prekäre Situation von Arbeitern und Arbeiterinnen

Spannend dürfte der Umgang Katars mit den ausländischen NGOs werden. Denn die mehr als 90 Prozent ausländischen Arbeiter und Arbeiterinnen in Katar, die nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vor allem aus Bangladesch, Indien, Nepal, Sri Lanka und Pakistan kommen, haben keinerlei Rechte auf Organisation oder gar eine öffentliche Meinung. Wie den zunehmend aus Afrika zuwandernden weiblichen Hausangestellten, werden ihnen die Pässe entzogen und oft genug müssen sie erst hohe Vermittlungsgebühren abarbeiten, bevor sie das erste Mal ein Gehalt bekommen. Den NGOs ist von der Regierung zugesichert worden, sie dürften sich frei bewegen und auch demonstrieren. Doch was passiert, wenn sich das Heer entrechteter Arbeitsmigranten und Arbeitsmigrantinnen den Protesten anschließen sollte? Was, wenn NGOs das in Katar komplett tabuisierte Thema ansprechen, wenn sie schon mal da sind? Die Frage ist: wie offen kann eine geschlossene Gesellschaft sein, wenn sie die Welt zu Gast hat? Wenn sich Katar beim Weltklimagipfel nicht bewähren sollte, dürfte es dem Land schwer fallen, diesen Imageschaden bis zur Fußballweltmeisterschaft 2022 wieder vergessen zu machen.