Die MENA-Region: weit enfernt von Wassersicherheit

Ägypten nutzt bereits 92 Prozent seiner Wassserressourcen.
Foto: Nasser Nouri/Flickr; Lizenz: CC-BY-NC-SA

7. November 2012
Nadim Farajallah
Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sowie Landnutzungsänderungen führen zu einer gesteigerten Nachfrage nach Wasser. Dies führt zu großen Belastungen der Süßwasserressourcen (Heathwaite 2010). Weltweit wird die Nachfrage nach Wasser bis 2030 um 40 Prozent steigen (Catley-Carlson 2011). All dies wird durch den Klimawandel verschlimmert, bei dem global betrachtet die Temperaturen steigen und die Niederschläge abnehmen werden (IPCC 2007), so dass geringere Ressourcen einer steigenden Nachfrage gegenüberstehen. Wingqvist (2010) stellte fest, dass der Nahe Osten und Nordafrika, die MENA-Region, besonders stark durch den Klimawandel gefährdet sind, und zwar aufgrund ihrer bereits heute knappen Wasserressourcen, der starken Aridität und der langen Küstenlinie.

Die MENA-Region gilt als die Region mit der gravierendsten Wasserknappheit der Welt. Die tatsächlich erneuerbaren Wasserressourcen betragen etwa 1.100 m³/Jahr pro Kopf (Weltbank 2007), weit unterhalb der Grenze zur Wassersicherheit, die bei 1.700 m³ liegt. Außerdem nutzt die Region einen größeren Anteil ihrer erneuerbaren Wasserressourcen als andere Regionen und mehr Wasser als sie pro Jahr erhält (Weltbank 2007).

Beispielsweise schätzen Ragab und Prudhomme (2000), dass Tunesien 83 Prozent seiner verfügbaren erneuerbaren Ressourcen nutzt; die Zahlen für Ägypten betragen 92 Prozent, für Libyen 644 Prozent und für Gaza 169 Prozent. Einer Schätzung der FAO (2012) zufolge nutzen alle Länder des Golf-Kooperationsrats mit Ausnahme von Oman mehr als 100 Prozent ihrer verfügbaren Süßwasserressourcen.

Die Weltbank (2007) berichtete, dass der durchschnittliche nationale Prozentsatz der gesamten erneuerbaren, in der MENA-Region geförderten Wasserressourcen für den Zeitraum 1998 bis 2002 fast 338 Prozent betrug. Es wird erwartet, dass die Nachfrage nach Süßwasser in der MENA-Region bis 2050 um 50 Prozent steigen wird, bei einer gleichzeitigen Halbierung der verfügbaren Menge Wassers pro Kopf (Weltbank 2007; UN ESCWA 2006). Gegenwärtig werden fast 75 Prozent der Wasserressourcen in der MENA-Region in der Landwirtschaft genutzt, 22 Prozent von privaten Haushalten und 3,5 Prozent von Industrie und Gewerbe (FAO 2012).

Exzessive Nutzung knapper Wasserressourcen

Eine Verbesserung der Situation ist nicht zu erwarten, denn – wie mehrere Studien aufzeigen (Evans 2009; Kundzewicz et al. 2007; Ragab und Prudhomme 2000) – der Niederschlag in der MENA-Region wird um 5 bis 30 Prozent zurückgehen. Daher werden die Grundwasserneubildung und die Regeneration der Oberflächengewässer in der Region abnehmen. Die Weltbank (2012) berichtete, dass das Jahr 2010 das wärmste seit dem 19. Jahrhundert war, wobei 5 der 19 Länder, die nationale Rekord-Höchsttemperaturen verzeichneten, arabische Länder waren. Die durchschnittliche globale Oberflächentemperatur wird bis 2100 wahrscheinlich um 0,6°C. bis 4°C. steigen (Barghouti 2009), was zu erhöhter Verdunstung und Evapotranspiration führen wird. Diese prognostizierten Trends würden zusammengenommen mehr Überschwemmungen und Dürren bedeuten, mit negativen Auswirkungen auf die Bevölkerung und die Volkswirtschaften der Region.

Gregoire (2012) hat auf einen wichtigen Aspekt hingewiesen, nämlich die steigende Häufigkeit von Naturkatastrophen in der MENA-Region. Auf Grundlage einer Zusammenschau von Daten der FAO und des Forschungszentrums für Katastrophenepidemiologie (CRED) bemerkte er, dass die Häufigkeit gemeldeter wetterbezogener Naturkatastrophen sich zwischen den beiden Zeiträumen 1988 bis 1997 und 1998 bis 2007 mehr als verdoppelte. Im ersten Zeitraum gab es 50 verzeichnete Dürren, Überschwemmungen und extreme Wetterereignisse; im zweiten 116. Gregoire stellte fest, dass es einen Zusammenhang zwischen Dürren und stärkeren Regenfällen gibt. Die Folge: Bodenerosion und -degradation, exzessiver Oberflächenabfluss und Überschwemmungen.

Zukunftsszenarien: Überschwemmungen, Dürren und schlechtere Wasserqualität

Die erwarteten Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserressourcen können wie folgt zusammengefasst werden:
  • Verminderte Wasserstände in den meisten Flüssen aufgrund geringerer Niederschläge. Der Nil könnte eine bedeutende Ausnahme sein.
  • Qualitätsverlust von Süßwasser führenden Schichten aufgrund des Eindringens von Meerwasser als Folge des Meeresspiegelanstiegs
  • Verstärkung der Intensität von Überschwemmungen
  • Geringere Schneedecke in vielen Bergregionen
  • Steigende Häufigkeit und Dauer von Dürren

Eine Anpassung muss heute beginnen

Die Anpassung an solche Auswirkungen muss heute beginnen, um die Resilienz der betroffenen Länder und ihrer Gemeinschaften aufzubauen:

  • Verbesserte Investitionen in den Wassersektor
  • Verlagerung des Schwerpunkts auf ingenieurtechnische Lösungen hin zu Lösungen, die auf besseres Management bauen, wobei gute Regierungsführung der Eckstein solcher Bemühungen sein muss. Dazu gehören u.a.:

    - Integration des Wasserressourcenmanagements in nationale und regionale Entwicklungsstrategien
    - Mehr Nachfragemanagement anstelle der Entwicklung neuer Quellen
    - Verbesserter institutioneller Rahmen für effizienteres Wasserressourcenmanagement
    - Koordination von nationalem und transnationalem Ressourcenmanagement
  • Konflikte um die Allokation von Wasser in einer Art und Weise lösen, die die Existenzgrundlagen von Gemeinschaften im ländlichen Raum und den Erhalt eines angemessenen Lebensstils gewährleisten
  • Investitionen in erneuerbare Energien

Die Zunahme der Naturkatastrophen zwischen 1988 und 2007 dient als kleiner Vorgeschmack auf die zukünftige Situation, falls die Reaktion auf den Klimawandel beim „Weiter wie bisher“ bleibt. Weiter wie bisher, das heißt kaum Bemühungen um Klimaanpassung oder Klimaschutz und noch weniger Anstrengungen zur Entwicklung von resilienten Gemeinschaften, die mit einem angemessenen Lebensstandard die kommenden Veränderungen überleben können.

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Übersetzt aus dem Englischen von Sandra Lustig.

Nachweise

Barghouti, S. 2009. Issues related to water scarcity in Middle East and North Africa region. Presentation from the 2009 World Water Week in Stockholm.

Catley-Carlson, M. 2011. Connecting water resources 2011. Conference organized by the Canadian Water Network, February 28–March 3. Ottawa, Canada.

Evans, J. 2009. Global warming impact on the dominant precipitation process in the Middle East. Theory and Applied Climatology. Published online May 19.

FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations). 2012. FAO AQUASTAT. Available at: http://www.fao.org/nr/water/aquastat/main/index.stm (accessed May 2012).

Gregoire, G. 2012. Climate change adaptation in the water sector in the Middle East and North Africa: A review of main issues. Technical Note prepared by METAP under the EC-funded SMAP III project “Promoting awareness and enabling a policy framework for environment and development integration in the Mediterranean with a focus on Integrated coastal Zone Management.” Available at: http://www.fao.org/fileadmin/user_upload/rome2007/docs/Climate_Change_Adaptation_Water_Sector_NENA.pdf (accessed October 2012).

Heathwaite, A. L. 2010. Multiple stressors on water availability at global to catchment scales: Understanding human impact on nutrient cycles to protect water quality and water availability in the long term. Freshwater Biology 55 (Suppl. 1): 241–257.

IPCC. 2007: Summary for policymakers. In: Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, eds., S. Solomon, D. Qin, M. Manning, Z. Chen, M. Marquis, K. B. Averyt, M. Tignor, and H.L. Miller . Cambridge and New York: Cambridge University Press.

Kundzewicz, Z. W., L. J. Mata, N.W. Arnell, P. Döll, P. Kabat, B. Jiménez, K. A. Miller, T. Oki, Z. Sen, and I. A. Shiklomanov. 2007. Freshwater resources and their management. In: Climate Change 2007: Impacts, Adaptation and Vulnerability. Contribution of Working Group II to the Fourth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change, eds., M. L. Parry, O. F. Canziani, J. P. Palutikof, P. J. van der Linden, and C.E. Hanson. Cambridge: Cambridge University Press, 173–210.

Ragab, R., and C. Prudhomme. 2000. Climate change and water resources management in the southern Mediterranean and Middle East countries. The Second World Water Forum. The Hague. March, 17–22.

UN ESCWA (United Nations Economic and Social Commission for Western Asia). 2006. Regional cooperation between countries in the management of shared water resources: Case studies of some countries in the ESCWA region. New York: United Nations.

Wingqvist, G., 2010. A concept note on water in the MENA region. University of Gothenburg.

World Bank 2007. Making the most of scarcity: Accountability for better water management results in the Middle East and North Africa. Washington, DC.

World Bank 2012. Adaptation to a changing climate in the Arab countries: A case for adaptation governance and leadership in building climate resilience. Ed., D. Verner. Washington, DC.
 

DOSSIER

Seasons of Change: Klima-, Energie- und Ressourcenpolitik in der MENA-Region

In Mitten turbulenter Zeiten im Nahen Osten und Nordafrika ist die Regierung von Katar Gastgeberin der 18. UN-Klimakonferenz. Unser dreisprachiges Webdossier präsentiert Analysen und Perspektiven zu den Zusammenhängen von Klimawandel, Ressourcen- und Energiepolitik sowie politischen und sozialen Umbrüchen.