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Wird sich Katar für einen „Klimafrühling“ einsetzen?

Was haben der Arabische Frühling, Klimawandel und Katar gemeinsam? Nun, eigentlich lautet die Antwort: alles. Lassen Sie uns mit der offensichtlichen Verknüpfung beginnen, nämlich derjenigen zwischen dem Arabischen Frühling und Katar. Die Menschen auf der ganzen Welt haben gesehen, wie stark Katar die verschiedenen Revolutionen in der arabischen Region unterstützt hat. Während der Aufstände in Tunesien und Ägypten hielt sich Katar anfangs etwas zurück, aber das Land nahm während der Revolutionen in Libyen und Syrien eine profiliertere Rolle ein, und die katarische Regierung setzt sich direkt für den Erfolg dieser Revolutionen ein.

Dennoch: diese wichtige politische Rolle, die Katar spielt, ist nicht neu. Tatsächlich spielt Katar seit einiger Zeit auf der regionalen und internationalen Ebene eine wichtige politische Rolle. Das Land hat dabei geholfen, in vielen heiklen Konfliktsituationen in der Region, besonders im Libanon, Spannungen zu verringern. Katar hat außerdem eine Reihe internationaler Verhandlungen ausgerichtet, etwa die Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen und das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen. In diesem Jahr werden dort Klimaverhandlungen stattfinden, die 18. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention, allgemein als COP 18 bekannt.

Was sind Katars Absichten hinsichtlich des Klimawandels?

Dies bringt uns zur zweiten Verknüpfung, nämlich derjenigen zwischen Katar und dem Klimawandel. In der Tat geht es bei dieser Verknüpfung um mehr als die Ausrichtung der COP 18. Katar sollte das erste Land sein, das auf möglichst starke Klimamaßnahmen drängt. Erstens ist es durch Auswirkungen des Klimawandels höchst gefährdet – so stark gefährdet wie jeder kleine Inselstaat. Katar ist eine von Wasser umgebene Halbinsel mit einer nur schmalen Landverbindung zu Saudi-Arabien. Fast die gesamte Entwicklung in Katar befindet sich an der Küste, und das gesamte Land ist sehr eben. Ein Anstieg des Meeresspiegels wird enorme Auswirkungen auf die Küstenstädte und die Infrastruktur der Monarchie haben. Auch mit dem vielen in Katar vorhandenen Reichtum wird die Anpassung an die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels nicht leicht sein. Zweitens: die größte wirtschaftliche Ressource Katars ist Erdgas, der sauberste aller fossilen Energieträger, der fast 50 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht als Kohle. Ökonomischen Modellen zufolge würde der Flüssigerdgaspreis steigen, wenn global entschieden würde, Treibhausgasemissionen deutlich zu senken. Daher ist es im ökonomischen, sozialen und Umweltinteresse Katars, sich für starke Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels einzusetzen.

Die Frage lautet: Warum hat Katar bislang keine solche Führungsrolle eingenommen? Im Gegenteil: Katar wird traditionell als eines derjenigen arabischen OPEC-Länder eingestuft, das gemeinsam mit Saudi-Arabien versucht hat, die Klimaverhandlungen zu behindern. Katar hat sich nicht stark an Klimaverhandlungen beteiligt. Es hat nur eine kleine Delegation für diese Verhandlungen abgestellt, die auf der technischen Ebene dafür bekannt gewesen ist, die meisten Erklärungen Saudi-Arabiens zu stützen, sogar diejenigen, die nicht im Interesse Katars sind. Der Grund für dieses Verhalten ist nicht klar. Er könnte darin liegen, dass die Regierung bislang weder die Gefährdung durch den Klimawandel noch die sich durch den Kampf dagegen ergebenden ökonomischen Chancen erkannt hat – dies trifft auch auf die Mehrheit der arabischen Länder zu, etwa Jordanien, Syrien, die Länder des Maghreb und andere. Der Klimawandel fehlt auf deren politischer Agenda, und die Unterhändler aus diesen Ländern haben kein starkes politisches Mandat, sich aktiv an den Verhandlungen zu beteiligen. Manche folgen der Führung eines jeden arabischen Landes, etwa Saudi-Arabien.

Klimawandel – Eine Neuentdeckung der jungen Generation

Dennoch: da die COP 18 in Katar stattfindet, könnte sich die Situation verändern, was uns zur letzten Verknüpfung bringt – derjenigen zwischen dem Klimawandel und dem Arabischen Frühling. Die Revolutionen in der Region haben der Jugend neuen Schwung verliehen. Sie hoffen auf eine bessere Welt, in der ihre Gesellschaften sich in Frieden und Demokratie entwickeln können. Als die arabische Jugend endlich erwacht ist, hat sie leider eine noch größere Bedrohung erkennen müssen als die repressiven Regime, die sie zu Fall gebracht hat. Weitere wissenschaftliche Forschung zeigt, dass der Klimawandel das größte Hindernis für Entwicklung und Armutsbekämpfung ist. Der Klimawandel wird verheerende Auswirkungen auf Wasser und Ernährungssicherheit in der Region haben.

Obwohl der Klimawandel in der Region noch kein Mainstream-Thema ist, erkennen immer mehr junge Menschen und Führungspersönlichkeiten die Notwendigkeit dringlichen Handelns. In den letzten wenigen Jahren haben wir beobachtet, dass der Libanon und die Vereinigten Arabischen Emirate in Klimaverhandlungen viel progressivere Positionen eingenommen haben. Ein Land nach dem anderen entwickelt Pläne für erneuerbare Energie. Auch die Jugend hat begonnen, zu diesem Thema aktiv zu werden. Im September sind junge Menschen aus der ganzen Region in Kairo zusammengekommen, um die Arab Youth Climate Movement (Klimabewegung der arabischen Jugend) zu gründen. Diese jungen Menschen werden sich an der COP 18 in Doha intensiv beteiligen, und sie werden von den Regierungen der Region Führung erwarten.

Katar hat eine einmalige Gelegenheit, über die Unterstützung der verschiedenen Revolutionen hinaus in der Region weiterhin Führung zu beweisen. Als Ausrichter der COP 18 sollte Katar sich nicht nur als Gastgeber hervortun, sondern dem Klimawandel die oberste politische Priorität geben – heute und in der Zukunft. Für ein Land, das danach strebt, in der internationalen Politik eine Führungsrolle einzunehmen, gibt es keinen besseren Weg, dies zu tun, als die absolut progressivste Führungsposition in der Bekämpfung der größten Gefährdung der menschlichen Zivilisation in der Geschichte einzunehmen. Gegen diese Gefährdung Maßnahmen zu ergreifen ist auf allen Ebenen im Interesse des Landes.


Wael Hmaidan ist Direktor des Climate Action Network - International.